Neue Normalität am Bau
Strenge Sicherheitsmaßnahmen kommen Baubranche teuer zu stehen
„Wir sind inzwischen wieder nah an hundert Prozent“, schätzt Pol Faber, Generalsekretär des Groupement des entrepreneurs, die Situation im Baugewerbe ein. Drei Wochen nach der Wiederaufnahme der Tätigkeiten nach der Corona-pause gibt es kaum noch Baustellen, auf denen der Hammer ruht.
Die Unternehmen haben einiges unternommen, um die Baustellen für die geforderten Sicherheitsmaßnahmen fit zu machen. Eine Einschätzung, die auch Patrick Dury, der Chef der Gewerkschaft LCGB, teilt: „Wir fahren regelmäßig zu unseren Delegierten auf den Baustellen. Dabei stellen wir fest, dass die Vorschriften im Großen und Ganzen befolgt werden. Das Schutzmaterial ist überall vorrätig“, so der Gewerkschaftler. „Alle Vorgaben genau einzuhalten ist aufgrund der Natur der Arbeit auf dem Bau etwas schwieriger, aber es wird doch ein großer Aufwand betrieben, um das zu erreichen.“
Preis der Sicherheit
Aber die verschärften Sicherheitsmaßnahmen haben einen Preis, wie Pol Faber betont. „Die Berechnungen, die wir gemacht haben – und die sich auch mit den Annahmen aus anderen europäischen Ländern decken – ergeben, dass die Maßnahmen die Kosten um etwa zehn Prozent erhöhen“, so Faber. „Das fängt schon morgens an. Die Leute dürfen nicht alle in den gleichen Raum, um sich umzuziehen. Sie müssen Masken anlegen, Hände desinfizieren und Umwege gehen, um die Abstandsregeln einzuhalten. Zudem haben viele Firmen auf den Baustellen einen Putzdienst einrichtet, um die Anlagen fortlaufend zu desinfizieren. Jeden Tag geht dadurch etwa eine Stunde an Produktivität verloren.“
Das sei aber nicht alles, was an Zusatzkosten, auf die Betriebe zukommt, betont Marc Giorgetti, Chef des Bauunternehmens Félix Giorgetti. „Wir haben zum Beispiel in der Zeit des Baustopps die Sozialkosten für alle Mitarbeiter zahlen müssen. Das allein sind im Durchschnitt 1 400 Euro pro Person“, so der Bauunternehmer. „Hinzu kommen die Kosten für die Miete der Baumaschinen und Container, die auch weiterlaufen, sowie die direkten Ausgaben für die Schutzmaßnahmen.“Giorgetti schätzt, dass das Unternehmen rund 100 000 Euro allein für die Gesichtsmasken bezahlt hat.
Die Unternehmer fürchten nun, auf diesen Extrakosten sitzen zu bleiben. „Anders als ein Friseur können wir nicht einfach zehn Prozent auf unsere Rechnung draufschlagen, weil die aktuellen Projekte ja auf Verträgen aus der Zeit vor der Krise basieren“, so Faber. Zukünftige Verträge würden diese Zusatzkosten von vornherein natürlich widerspiegeln, sagt Faber. Bauen wird also zumindest für die Dauer der Krise teurer.
Branche befürchtet Einbruch
Wie im europäischen Durchschnitt betragen die Gewinnmargen in der luxemburgischen Baubranche etwa 3,3 Prozent. Es gibt also wenig Spielraum bei zusätzlichen Kosten. „Wenn die Ausgaben für Sicherheit gegen das Covid-virus nicht vom Staat oder Kunden bezahlt werden, sind einige Baustellen unprofitabel“, sagt Faber.
Daher sei man aktuell in Verhandlungen mit der Regierung über Hilfen für die Branche. Ebenso
diskutieren die Branchenvertreter mit dem Minister für öffentliche Arbeiten François Bausch über eine Verlängerung der Fristen für Bauprojekte. So sind in vielen der Verträge bestimmte Meilensteine für den Baufortschritt festgelegt. Erfüllt das Bauunternehmen diese Fristen nicht, drohen Vertragsstrafen.
„Das ist noch nicht definitiv zugesagt, aber wir werden wohl eine Verlängerung für diese Termine bekommen“, so Faber. Das soll zunächst nur für öffentliche Aufträge gelten, Faber geht aber davon aus, dass private Bauherren diesbezüglich nachziehen.
Daneben hofft die Branche, die verlorene Zeit wieder aufzuholen, indem der „Congé collectif“verkürzt werden soll. Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften stocken aber. „Die Angebote, die die Arbeitgeberseite bisher in dieser Beziehung gemacht hat, sind nicht zufriedenstellend“, betont Patrick Dury. Diskussionen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmerseite am vergangenen Freitag brachten kein Ergebnis. In der laufenden Woche soll weiterverhandelt werden.
Insgesamt bereitet sich die Branche auf zwei schwierige Jahre vor. „Es wird wohl einen Einbruch geben. Die Gemeinden in Luxemburg haben schon angekündigt, dass sie zusammengenommen 380 Millionen weniger an Aufträgen herausgeben werden. Auch Privatkunden haben schon Bauvorhaben eingestellt“, sagt Faber.
Er hofft daher, dass der Staat auch hier in die Bresche springt und, wie von Minister Bausch angekündigt, Projekte, die für die Zukunft geplant waren, vorzuziehen und schon in diesem Jahr zu beauftragen.