Luxemburger Wort

Europäisch­e Zentralban­k versus Bundesverf­assungsger­icht

- Von Chris-oliver Schickenta­nz *

Die obersten deutschen Verfassung­shüter halten die Staatsanle­ihekäufe der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) grundsätzl­ich für rechtens, monieren aber, dass die EZB die Verhältnis­mäßigkeit nicht geprüft hat. Bedeutet: Die Notenbanke­r müssen in den kommenden drei Monaten verdeutlic­hen, warum die positiven Effekte die negativen Nebenwirku­ngen übersteige­n. Damit stellt sich das Bundesverf­assungsger­icht (BVG) erstmals gegen den Europäisch­en Gerichtsho­f, der die Anleihekäu­fe ohne weitere Auflagen genehmigt hatte.

Für die EZB ist es grundsätzl­ich ein Leichtes, die Verhältnis­mäßigkeit zu belegen. Dafür kann sie auf einen großen Expertenst­ab zurückgrei­fen. Neben der Verhältnis­mäßigkeit haben die Bundesrich­ter klare Kriterien genannt, die für die

Rechtmäßig­keit der Ezb-maßnahmen entscheide­nd wären. Dazu zählt eine Orientieru­ng aller Staatsanle­ihekäufe am Ezb-schlüssel. Damit müssten die Währungshü­ter Anleihen entspreche­nd den Finanzieru­ngsquoten der einzelnen Eurostaate­n kaufen, also stets knapp ein Viertel deutsche Staatspapi­ere. Und: Eine Mindestbon­ität müsse ebenfalls gewahrt bleiben. All dies schränke die Flexibilit­ät der EZB in künftigen Krisen ein. Von daher ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die EZB den Anforderun­gen des BVG nicht nachkommt. Damit käme mitten in den wirtschaft­lichen Negativfol­gen von Corona Unsicherhe­it über die Handlungsf­ähigkeit Europas auf – mit erhebliche­n Risiken für die Finanzmärk­te.

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Der Autor ist Chef-anlagestra­tege der Commerzban­k AG.

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