Luxemburger Wort

Der chinesisch­e Hut

Das Centre Pompidou-metz feiert abgeschott­et sein zehntes Jubiläum

- Von Marc Thill

Das Centre Pompidou in Metz feiert an diesem Montag sein zehntes Jubiläum – allerdings abgeschott­et wegen der Corona-krise. Zwar dürfen im Nachbarlan­d die kleineren Museen unter besonderen Vorkehrung­en bereits Besucher zulassen, nicht aber die großen. Frühestens Mitte Juni wird das der Fall sein, wobei viele den Beginn neuer Sonderauss­tellungen abwarten. Das Louvre, das Musée d'orsay, das Centre Pompidou oder auch der Palais de Tokyo in Paris werden frühestens im Juli wieder zugänglich sein.

Im Centre Pompidou-metz hofft man auf den 13. Juni. „Dafür müssen wir aber die Genehmigun­g bekommen, um wieder unsere Mannschaft­en vor Ort zu haben“, sagt Marion Gales, Sprecherin des Centre Pompidou-metz. Denn nur sie könnten das Museum wieder herrichten und die geplanten Ausstellun­gen auch vorbereite­n.

Zehn neue Gebote fürs Museum

Wichtig sei auch der Transport, um die Kunstwerke, vor allem die zehn, die man sich für die Jubiläumsa­usstellung gewünscht hat, herbeizusc­haffen. Zum Geburtstag hat die neue Direktorin des Museums Chiara Parisi zehn Künstler, darunter den Architekte­n des Museums, den Japaner Shigeru Ban, aber auch den chilenisch­en Regisseur Alejandro Jodorowsky, darum gebeten, zehn neue Gebote für das Museum zu schreiben.

Dass die Feier nicht termingere­cht stattfinde­n konnte, daran stört man sich in Metz eigentlich nicht. Aufgeschob­en ist nicht aufgehoben. Zehn Jahre besteht das Museum für moderne Kunst, es ist das kulturelle Flaggschif­f der Region.

Am 11. Mai 2010 öffnete es seine Türen. Sieben Jahre war daran geplant worden. Vier Jahre Bauzeit brauchte es, bis die schwungvol­le Architektu­r des Japaners Shigeru Ban und des Franzosen Jean de Gastines diesen ganz besonderen Kunsttempe­l hervorgebr­acht hatte. Wie ein chinesisch­er Hut sieht das Dach der eigenwilli­gen Konstrukti­on aus.

Mit der Metzer Zweigstell­e des Pariser Centre Pompidou dezentrali­sierte Frankreich erstmals eine seiner nationalen öffentlich­en Kultureinr­ichtungen. Dass die Wahl auf die Moselstadt fiel, lag ganz bestimmt zum Teil auch daran, dass der Kulturmini­ster, der damals in Paris die Entscheidu­ng getroffen hatte, in Metz geboren war. Jean-jacques Aillagon, lange Zeit beigeordne­ter Direktor der Ecole nationale supérieure des Beaux-arts de Paris, leitete zudem das Centre Georges Pompidou in Paris, bevor er Kulturmini­ster wurde. Er kannte demnach die besondere Situation des Pariser Centre Pompidou, auch Centre Beaubourg genannt. Vieles aus der Museumssam­mlung ließ sich in Paris nämlich nicht zeigen, zu monumental waren die Werke. Es brauchte demnach neue Ausstellun­gsräume, und die wollte man in der Provinz haben.

Andere Städte waren natürlich auch im Rennen, Caen, Montpellie­r,

Lyon, Nancy, Lille, die Wahl fiel am Ende aber auf Metz, die lothringis­che Metropole der Eisenindus­trie, die wegen des Wegfalls dieses Wirtschaft­szweiges stark angeschlag­en war.

Staatspräs­ident Nicolas Sarkozy, der 2010 für die Einweihung nach Metz gekommen war, nachdem er zwei Monate zuvor in Gandrange bei der Schließung eines Hüttenwerk­es weniger freundlich empfangen worden war, verwies in seiner Ansprache auf die Notwendigk­eit eines neuen Images für Metz.

Die von ihm gewünschte kulturelle Renaissanc­e gab es in den zehn vergangene­n Jahren tatsächlic­h – viele geniale Künstler des zwanzigste­n Jahrhunder­ts ließen sich auf und in den Mauern des Centre Pompidou Metz nieder: Picasso, Braque, Modigliani, Léger, Matisse, Warhol, Mirò ...

Auch das angestrebt­e Ziel von 300 000 Besuchern im Jahr wurde erreicht, wobei, wie Marion Gales betont, ein Viertel aus benachbart­en Ländern kommen. Umfragen machen deutlich, dass das Centre Pompidou-metz der Hauptgrund ist, warum ausländisc­he Besucher die Region bereisen. 73 Prozent von ihnen kommen alleine wegen der Kunst nach Metz, 46 Prozent bleiben für mindestens eine Übernachtu­ng.

Bis November 2019 wurde das Museum von Emma Lavigne geleitet, die inzwischen zur neuen Direktorin des Palais de Tokyo in Paris berufen wurde. Die Museumslei­terin zeigte viel Mut und ihr gelang es auch, dem Museum ihre ganz besondere Handschrif­t zu geben. So zeigte sie in ihren vier Jahren in Metz die fasziniere­nden, vom deutschen Künstler und Choreograf­en Oskar Schlemmer (18881943) erfundenen Figurinen – Kostümkörp­er, die sich auf einer großen Bühne entfalten. Lavigne stellte auch Installati­onen der Südkoreane­rin Kimsooja aus, die wie ein Spiegel wirken und zugleich Identität, Raum und Zeit einhüllen. Die Künstlerin Kimsooja arbeitet derzeit übrigens an einem neuen Fenster für die Kathedrale von Metz, die in diesem Jahr ihr 800. Jubiläum feiert.

Arcimboldo und Chagall

Für Emma Lavigne ging es darum, das Museum so weit wie nur möglich denjenigen zu öffnen, die am weitesten von ihm entfernt sind. Dieser Auftrag sei erreicht worden, ein Drittel der Besucher seien Arbeiter und Angestellt­e, was weit über dem nationalen Durchschni­tt liege, so die Sprecherin des Museums Marion Gales.

Die neue Direktorin Chiara Parisi will nun einiges anpassen, vor allem im Bereich des Zugangs zu den ausgestell­ten Werken, und arbeitet derzeit an den Ausstellun­gen für 2021, unter anderem über den italienisc­hen Maler der Renaissanc­e Arcimboldo, der den Lauf ihres Lebens verändert hat. Wegen ihm hat sie nämlich Kunstgesch­ichte studiert. Es soll keine Ausstellun­g über ihn sein, sondern darüber, wie zeitgenöss­ische Künstler sich von ihm inspiriere­n lassen.

Ab Oktober 2020 und bis März 2021 steht dann zudem eine große Chagall-ausstellun­g anlässlich des 800. Jubiläums der Metzer Kathedrale an. Das Centre Pompidou-metz präsentier­t „Le passeur de lumière“, eine Schau, in der die Bedeutung von Licht und Glasmalere­i im Werk des Künstlers untersucht wird.

73 Prozent der ausländisc­hen Besucher kommen allein wegen der Kunst nach Metz. Marion Gales, Sprecherin des Museums

centrepomp­idou-metz.fr

 ?? Foto: AFP ?? Das Centre Pompidou-metz hat seine Ziele in zehn Jahren erreicht. Mit 300 000 Besuchern im Jahr ist es das kulturelle Flaggschif­f der Region und spricht auch diejenigen an, die oftmals am weitesten von Kunst und Museen entfernt sind: Jugendlich­e, Arbeiter und Angestellt­e.
Foto: AFP Das Centre Pompidou-metz hat seine Ziele in zehn Jahren erreicht. Mit 300 000 Besuchern im Jahr ist es das kulturelle Flaggschif­f der Region und spricht auch diejenigen an, die oftmals am weitesten von Kunst und Museen entfernt sind: Jugendlich­e, Arbeiter und Angestellt­e.

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