Ode an die Vernunft
Als Bekenntnis zu einem Europa der offenen Grenzen sind auf halbmast gesetzte Eu-flaggen nun wieder gehisst
Wasserbillig/dasburgerbrücke.
Noch waren die Lobeshymnen auf das große Gemeinschaftsprojekt Europa nicht verhallt, die zum 75Jahr-gedenken an die Endphase des Zweiten Weltkriegs über den Mahnmälern erklungen waren, da erhob im März auch schon das Europa der Einzelstaaten wieder sein altes Lied. Statt im Angesicht eines Virus, das keine geografischen Linien kennt, eine gemeinsam agierende Front zu bilden, fielen an zahlreichen Eu-binnengrenzen wieder die Schlagbäume.
Gestern am Europatag erhob dagegen nun das Europa der Bürger seine Stimme. Das Europa all jener Menschen, die in einer mittlerweile eng verknüpften Großregion seit Jahrzehnten gutnachbarschaftliche Beziehungen pflegen, zusammen leben, zusammen arbeiten und zusammen wachsen.
Belastende Grenzkontrollen
Stellvertretend für diese hatten sich jedenfalls die Bürgermeister zahlreicher Luxemburger Grenzgemeinden mit ihren Amtskollegen aus den deutschen, belgischen und französischen Nachbarkommunen an den Grenzübergängen verabredet, um die zuvor auf halbmast gesenkten Eu-flaggen wieder bis zum Anschlag zu hissen und eine unverzügliche Beendigung der Grenzkontrollen einzufordern, die zuletzt zunehmend als Belastung und Beschämung empfunden worden waren.
Ein Akt, der denn auch als ein klares Bekenntnis zu einer solidarischen und offenen Union verstanden werden sollte, und der natürlich gerade in Schengen besondere Symbolkraft entfaltete, steht der Moselort doch seit 1985 mit seinem Namen für den freien Güterund Personenverkehr in Europa.
Doch auch andernorts setzte der grenzübergreifende Schulterschluss ein deutliches Zeichen des festen Glaubens an die europäische Idee. Umgeben von dem Euabgeordneten Christophe Hansen sowie den Bürgermeistern der Region zeigte sich der Vorsitzende des Gemeindeverbunds Syvicol, der Clerfer Bürgermeister Emile Eicher, an der Dasburgerbrücke überzeugt, dass die grenzüberschreitenden Verbindungen und Freundschaften allzu stark seien, als dass sie durch die derzeitige Krise auseinanderbrechen könnten.
Und auch Andreas Kruppert, Bürgermeister der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Arzfeld, versprach, dass weder ein Virus noch Grenzkontrollen einen Keil zwischen die Nachbarn treiben werden: „Wir halten zusammen, wir stehen zusammen, wir sind Europa!“
Bei einer Gedenkzeremonie direkt hinter einem Polizeiposten an der Sauerbrücke in Wasserbillig war der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe zu Gast. Er überschritt die Grenze mit einem Passierschein, der vom Merterter Bürgermeister Jérôme Laurent unterzeichnet war. Leibe bezweifelte den Sinn der Grenzkontrollen und sagte: „Die Polizisten tun mir leid. Sie dürfen nicht Fieber messen und können nicht erkennen, ob Personen das Virus haben oder nicht.“
Oberbürgermeister Leibe unterstrich, dass sich die Ministerpräsidenten von Rheinland-pfalz und dem Saarland mit Nachdruck für ein Ende der Kontrollen eingesetzt hätten.
Zusammen auf lokaler Ebene
Er wies auf die Zusammenarbeit in der Grenzregion auch in Coronazeiten hin und verwies auf ein Trierer Krankenhaus, das Covidpatienten aus Metz aufgenommen hatte. Leibe äußerte die Hoffnung,
Viele Gemeinden verbanden den Europatag mit einem Appell gegen die Grenzschließungen. In Wormeldingen (oben), Düdelingen (Mitte links) und Dasburgerbrücke (Mitte rechts) wurde die Europafahne feierlich gehisst.
Unten rechts: Der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe (links) war der Einladung seines Merterter Kollegen Jérôme Laurent (rechts) gefolgt. dass die Kontrollen in zwei Wochen beendet sein werden. Bürgermeister Laurent forderte, die grenzüberschreitenden Beziehungen krisenfester zu gestalten.
Zu einer gemeinsamen Veranstaltung trafen sich die Gemeinderäte von Grevenmacher und der Nachbargemeinde Wellen auf der Moselbrücke. Die Gedenkfeiern fanden aus gesundheitlichen Gründen mit nur wenig Zuschauern statt. Die Polizei geht von insgesamt 200 Teilnehmern aus.