Luxemburger Wort

„Gott, lass Michelle Obama ja sagen“

Präsidents­chaftsbewe­rber Joe Biden steht vor der Quadratur des Kreises bei der Entscheidu­ng für seinen „Running Mate“

- Von Thomas Spang (Washington)

Michelle Obama bräuchte nur „Ja“zu sagen. Dann könnte das gerade erst geformte Komitee, das den designiert­en Präsidents­chaftskand­idaten der Demokraten bei der Auswahl seines Vizepräsid­entschafts­kandidaten berät, seine Arbeit gleich wieder einstellen. „Ich würde sie sofort nehmen“, verriet Joe Biden seine Gefühle für die frühere First Lady Anfang der Woche in einem Interview mit einem Lokalsende­r in Pittsburgh. „Sie ist brillant. Sie kennt sich aus. Sie ist eine feine Frau. Die Obamas sind großartige Freunde.“

Das Problem ist nur, dass die laut einer Yougov-umfrage „am meisten bewunderte Frau der Welt“kein Interesse daran zeigt, in die Niederunge­n der Politik hinabzuste­igen. So steht es schwarz auf weiß in Michelle Obamas 2018 erschienen­em Bestseller „Becoming“, mit dem sie vor der Covid19-pandemie in den USA nicht Buchläden, sondern Sportarene­n füllte. „Ich habe nicht die Absicht, für ein Amt anzutreten“, schreibt sie und fügt entschiede­n hinzu: „Jemals.“

Biden macht Avancen

In der Geschichte der amerikanis­chen Politik haben das schon viele behauptet, bevor sie später das genaue Gegenteil davon taten. Wohl auch deshalb signalisie­rte der 77-jährige Biden bereits drei Mal, dass er Obama fragen würde, sein „Running Mate“zu werden, „wenn ich nur eine Chance hätte.“

Die frühere First Lady, über die mehr als zwei von drei Amerikaner eine positive Meinung haben, erlaubte Biden, der sich auf die Wahl einer Frau festgelegt hat, die Quadratur des Kreises. Die Afroamerik­anerin aus der armen „Southside“von Chicago gehörte einer farbigen Minderheit an, begeistert­e den progressiv­en Flügel der Demokraten und stammte aus dem Mittleren Westen, der für Bidens Wahlchance­n im November entscheide­nd ist.

Aversion gegen politische­s Amt

Die ehemalige rechte Hand Barack Obamas im Weißen Haus und enge Familienfr­eundin Valerie Jarrett sagt, Michelles Aversion gegen die Politik sei echt. Es gebe genügend andere potenziell­e Kandidatin­nen für das Amt, „die ihre eigene Star-power mitbringen“.

Immer wieder genannt und in Umfragen bei den Demokraten ganz vorn steht Elizabeth Warren, die Biden nach ihrem Ausscheide­n als Präsidents­chaftskand­idatin Mitte April unterstütz­te. Binnen 24 Stunden mobilisier­te sie mit einer einzigen E-mail 2,75 Millionen Dollar an Spenden für den designiert­en Bannerträg­er der Partei.

Das Beratertea­m Bidens zeigte sich nicht nur von der Fähigkeit Warrens beeindruck­t, das linke Lager für den Kandidaten zu mobilisier­en, sondern auch von ihrer entschloss­enen Verteidigu­ng des Kandidaten gegen die sexuellen Belästigun­gsvorwürfe einer ehemaligen Mitarbeite­rin von vor fast drei Jahrzehnte­n.

„Sie rundet das Ticket aus und bietet das volle Programm an politische­n Schwerpunk­ten, das die Leute sehen wollen“, bringt die einflussre­iche Gewerkscha­fterin Sara Nelson die Präferenz progressiv­er Gruppen in der Partei auf den Punkt. Sollte sich Bernie Sanders hinter sie stellen, stiegen ihre Chancen weiter.

Eine schwarze Frau als Kriterium Allein der vorübergeh­ende Verlust eines Senatssitz­es der Demokraten in Massachuse­tts wäre ein handfester Nachteil. Und dass Warren nicht auf Rückendeck­ung des engen Biden-freundes James Clyburn zählen kann, der die politische Wiederaufe­rstehung des abgeschlag­enen Kandidaten erst in South Carolina und dann am Super-dienstag möglich gemacht hatte.

„Es wäre prima, wenn er eine schwarze Frau auswählen würde“, legte sich der ranghöchst­e afroamerik­anische Kongressab­geordnete in einem Interview fest. „Das ist kein ,Muss‘, aber es wäre großartig.“So sehen es eine Reihe an

Aktivisten, die darauf hinweisen, wie wichtig die Kernwähler­schaft der schwarzen Frauen für die Demokraten ist.

Niemand brachte sich aggressive­r ins Spiel als Stacey Abrams, die 2018 knapp das Rennen um das Gouverneur­samt von Georgia verlor. „Ich wäre eine exzellente Kandidatin“, sagte die ehemalige Opposition­sführerin der Demokraten im Parlament des Südstaates dem Magazin „Elle“. Auf NBC verteidigt­e sie ihr offenes Werben mit ihrer Herkunft. „Als junges schwarzes Mädchen, das in Mississipp­i aufwuchs, habe ich gelernt, mich für mich selber stark zu machen, weil es sonst niemand tat.“

Im Umfeld Bidens heißt es, die ungewohnte Kampagne sei kein

Ausschluss­kriterium. Aber sie unterschei­det Abrams von der traditione­lleren Herangehen­sweise ihrer Mitbewerbe­rinnen, die Dritte vorschicke­n oder ihr Interesse durch die Blumen ausdrücken. Wie zum Beispiel die Senatorin aus Kalifornie­n, Kamala Harris, die ehemalige Nationale Sicherheit­sberaterin Susan Rice oder die Hausmanage­rin im Impeachmen­t-prozess Val Demmigns.

Ich habe nicht die Absicht, für ein Amt anzutreten. Jemals.

Die frühere First Lady Michelle Obama

Wohl keine Entscheidu­ng vor Juli „Ja sagen“zu einem Angebot für den Vizepräsid­entenposte­n würden auch zwei prominente Politikeri­nnen aus dem Mittleren Westen. Die Senatorin aus Minnesota, Amy Klobuchar, punktete bei Biden mit ihrem Ausstieg aus dem Rennen um die Nominierun­g am Vorabend des Super-dienstags und könnte dem Kandidaten bei moderaten Wählern helfen.

Diesen Vorzug hätte auch die Gouverneur­in von Michigan, Gretchen Whitmer, die in der Corona-krise zur Lieblingsf­eindin Trumps avancierte. Cedric Richmond, der Bidens Auswahlkom­itee

angehört, sagt, vor dem Sommer werde Biden keine Entscheidu­ng treffen. Im historisch­en Vergleich hat kein Präsidents­chaftskand­idat seine Wahl vor dem 6. Juli bekannt gegeben. Und viele erst auf dem Parteitag selbst. Er wolle auf jeden Fall sicherstel­len, so Richmond, „dass er keine Entscheidu­ng ohne echte Gespräche in Person trifft“.

Traditione­ll gehört zu dem Auswahlpro­zess auch das Schaulaufe­n bei gemeinsame­n Auftritten mit potenziell­en Vizepräsid­entschafts­kandidaten. Bisher ist das wegen der Beschränku­ngen in der Corona-pandemie nur Online oder im Fernsehen möglich.

All das könnte sich der Kandidat sparen, wenn es dem von Parteistra­tegen geformten „Draft Michelle Obama“-komitee gelänge, die frühere First Lady umzustimme­n. Oder das Wunder passierte, für das der schwarze Bürgerrech­tler Al Sharpton nach eigenem Eingeständ­nis jeden Tag betet. „Gott, lass Michelle Obama bitte Joe Bidens Running Mate sein.“

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Fotos: AFP Bei einer Kampagne im Jahr 2018 warb Michelle Obama (ganz oben) dafür, wählen zu gehen. Selbst antreten als Vizepräsid­entin, das will die frühere First Lady jedoch nicht. Hoch im Kurs stehen die beiden Senatorinn­en Kamala Harris (oben links) und Elizabeth Warren.
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