Mit spitzer Feder
Kabarettist Jay Schiltz im Alter von 62 Jahren verstorben
Termine waren noch geplant – die Corona-beschränkungen kamen aber dazwischen. Eine weitere Bühne, ein weiterer Auftritt mit dem jüngsten Programm „Si mer nach ze retten?“, in diesem Fall im Escher Theater an der Seite seines langjährigen künstlerischen Wegbegleiters Roland Gelhausen, mit dem er unter anderem das „Cabarenert“gründete. „Am Escher Theater gëtt de Kreessall scho mol präparéiert fir e puer kritesch Geeschter op d’leit lass ze loossen. Well déi si batter néideg. Därer déi Saachen a Fro stellen, déi meckeren, déi de Mond oprappen an sech wieren an de Fanger op d’wonn leeën“, hieß es noch in der Ankündigung der geplanten Auftritte. Jay Schiltz, eben einer dieser kritischen Geister, ist nun im Alter von 62 Jahren verstorben.
Sich einzumischen, die Menschen auch mit klarer Kritik, scharfer Zunge und Feder an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern, war offenbar die Triebfeder Schiltz‘ – ob als Journalist, Bühnenautor oder Kabarettist. „Objekt der satirischen und karikierenden Stücke (von Jay Schiltz, Anm. d. Red.) ist der Luxemburger Mittelstand und die Kleinbürgerwelt, deren Lebensweisen und Ansichten über Geschichte, Politik und Gesellschaft der Autor als rassistisch, moralisch verlogen und utilitaristisch entlarvt“, schreibt der Direktor des Centre national de littérature über Schiltz im Luxemburger Autorenlexikon.
Wer austeilt, muss einstecken können: Selbstüberschätzung, Anmaßung, gar eine mangelnde gedankliche Trennung zwischen seiner journalistischen und kabarettistischen Arbeit – unter anderem bei RTL und als ehemaliger Chefredakteur von Radio 100,7, der mit seinen Kommentaren vielen Zuhörern aus der Seele sprach – wurden ihm vorgeworfen.
Vielleicht befriedigte der 1958 in Steinfort geborene Schiltz, der unter anderem das Athenäum besuchte, allerdings auch eine gewisse Sehnsucht im Großherzogtum. Die Sehnsucht nach klarer Kante, gepaart mit Menschlichkeit, Wertebewusstsein und Esprit – eine Mischung, die es scheinbar so nicht (mehr) allzu häufig gibt; und die selbst politischen Kontrahenten mindestens Respekt abverlangt.
Klare Worte, tiefe Werte
Großer Respekt, der zeigt sich nun auch in den Nachrufen; ob als kurze Stellungnahme auf Twitter oder in den Texten in dem klassischen Medien. Respekt einerseits für den Journalistenkollegen und andererseits für den engagierten Demokraten, der als Autor und Kabarettist den Spiegel vorhielt.
Einen Demokraten, der Hunderten Jugendlichen in zwei Jahrzehnten als einer der „Témoins de la deuxième génération“Auschwitz
zeigte, weil ihn die Eindrücke dort nicht losgelassen hatten. „Dat Kand op der Foto, dat laacht esou onsécher an d’kamera eran. A wann een da bedenkt, datt dat Kand ... ech weess et net… 10 Minutten, eng Véierel Stonn duerno dout war, dat paakt een dann…“, sagte er einmal in einem Radio 100,7-Interview rund um die Verarbeitung der Reisen und seinen bei Binsfeld erschienenen Band „Aschengänger“.
„An alle Hinsiechten enn Mann deen Letzebuerg feele wärt. Als Schrëftsteller a Kabaretist, als engagéierte Bierger, als kriteschen Zeitgeist, als Kulturinteresséierten, als léiwe sympatesche Matbierger, a bestëmmt och als gudde Partner a Papp“, schreibt Danielle Igniti in den sozialen Medien zu seinem Tod. Gerade dann werden Menschen wie Schiltz fehlen, wenn man als Mann von Francine Closener über die eigene Lebensgeschichte selbst lachen kann: „Wann no zwanzeg Joer Cabaret deng Fra op eemol an der Regierung ass, dann ass dat eng Pointe, déi an d’box gaangen ass“, so Schiltz in seinem Soloprogramm „No Politics!!!“2016.
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