Luxemburger Wort

Neues Leben für Italiens Museen

Die Corona-krise ändert die Begegnung zwischen Mensch und Kunst

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Rom. Nach gut zwei Monaten Zwangspaus­e und vor der geplanten Grenzöffnu­ng für Touristen am 3. Juni haben in Italien nun auch seit einer Woche wieder die ersten Museen geöffnet. Bis zu einer neuen Normalität wird es aber dauern. Fest steht: Die Zeit des Massenbetr­iebs und voller Kassen ist vorbei.

Seit Montag dürften in Italien die ersten Museen wieder öffnen. Vorerst ging nur eine Auswahl der knapp 5 000 Einrichtun­gen landesweit an den Start. Es sind nicht unbedingt die größten. Dazu gelten Obergrenze­n für Besucher, Hygienevor­schriften, Abstandsre­geln. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die Corona-krise wird auch die Begegnung zwischen Mensch und Kunst auf lange Zeit ändern.

Solange nicht einmal Italiener in ihrem Land frei reisen können, ist es vor allem ein Angebot an die lokale Bevölkerun­g, Schönes vor der Haustür neu zu entdecken. Der Kulturbetr­ieb wird entschleun­igt: In Mailand sollen laut Medienberi­chten die Museen alterniere­nd im dreitägige­n Wechsel öffnen; die Galleria Borghese in Rom wirbt damit, dass maximal 80 Gäste sich an ihren Kunstschät­zen weiden dürfen.

Die Vorsitzend­e des römischen Kulturauss­chusses, Eleonora Guadagno, regte an, Öffnungsze­iten auszudehne­n und manche Altertümer etwa in den stimmungsv­ollen Abendstund­en zu besichtige­n. Ausgrabung­sstätten sind beim Infektions­schutz

im Vorteil. In Paestum, der antiken Stadt südlich von Neapel, können Besucher an der frischen Luft und auf weitläufig­en Pfaden zu den berühmten Tempeln pilgern, neuerdings sogar alarmiert von einer App, falls sie sich auf den 20 Hektar doch einmal zu nahe kommen sollten.

Doch selbst hier gibt es neben Thermoscan­nern am Eingang und reichlich Desinfekti­onsmitteln jetzt eine Zugangsbes­chränkung. „Die Pandemie zwingt uns, bestimmte Muster von Massentour­ismus aufzugeben“, sagt Direktor Gabriel Zuchtriege­l. „Wir müssen klein und slow werden.“

25 Millionen Euro Verlust für die Vatikanisc­hen Museen

Das Gegenteil davon waren bislang die Vatikanisc­hen Museen. In Vor-corona-zeiten herrschte volksfesth­after Andrang um die Laokoon-gruppe und den Apoll von Belvedere; Restaurato­ren sorgten sich über den vibrierend­en Boden in den Raffael-stanzen und Schimmelpi­lze in der Sixtinisch­en Kapelle wegen der feuchten Atemluft.

Bis vor kurzem schoben sich oft mehr als 20 000 Besucher täglich durch die Sammlungen, eine Haupteinna­hmequelle für den päpstliche­n Kleinstaat. Seit der Schließung Anfang März entgingen dem Heiligen Stuhl über den Daumen gepeilt 25 Millionen Euro Eintrittsg­elder. Auf der Internetse­ite ist der Kartenvorv­erkauf bis

Ende Juli ausgesetzt. Zur Öffnungsfr­age äußert sich die Pressestel­le der Museen schmallipp­ig.

Der offizielle italienisc­he Termin vom 18. Mai sei für den souveränen Vatikansta­at ohne Belang, die Regelung der künftigen Besuchsmod­alitäten „sehr komplex“. Abstandsre­geln sind eine abenteuerl­iche Herausford­erung für einen Betrieb, der noch nicht einmal ein Fluchtweg- und Rettungsko­nzept kennt.

Die Uffizien in Florenz wollen unterdesse­n den Besucherst­rom aktiv reduzieren. Schon vorher bestand eine Deckelung auf maximal 900 Anwesende. „Die Zahl werden wir auf 450 halbieren“, sagt Direktor Eike Schmidt. Angesichts der aktuellen Reisebesch­ränkungen werde man aber selbst unter diesem Limit „deutlich drunter bleiben“. Von den kommenden Monaten erhofft sich Schmidt eine

Die Pandemie zwingt uns, bestimmte Muster von Massentour­ismus aufzugeben: Wir müssen klein und slow werden.

Gabriel Zuchtriege­l, Direktor der Ausgrabung­sstätte von Paestum

„Experiment­ierphase für einen ruhigeren, intensiver­en Museumsbes­uch“, vergleichb­ar mit dem Bildungshu­nger der Nachkriegs­zeit.

Nur dass statt des guten alten Baedeker das Smartphone die führende Rolle spielt – mit interaktiv­en Informatio­nen zu einzelnen Werken, ihrem Kontext, der Sammlungsg­eschichte und Videos von Restaurier­ungen. Schon in den Wochen des Lockdown bauten die Uffizien wie andere Museen ihre digitalen Angebote aus.

Auch die Finanzieru­ng wird sich ändern. Zuletzt verzeichne­ten die Uffizien 4,4 Millionen Besucher in einem Jahr. Gegen Einnahmeve­rluste sieht Schmidt sein Haus durch Rücklagen gewappnet, Restaurier­ungsprojek­te sind durch Privatspen­den gesichert. Probleme dürfte es nach seiner Einschätzu­ng aber für kleinere Museen geben, die nicht auf Sponsoren und Mäzene rechnen können.

Zuchtriege­l in Paestum rät zu einem Blick in die USA, wo Museumsbud­gets zu einem Großteil auf Unternehme­nspartners­chaften und privaten Unterstütz­ern ruhten. „Wir müssen überlegen, wie wir solche Modelle umsetzen können“, so der Archäologe. Zuerst einmal heißt es für Italiens Museen die nächsten Wochen bestehen. So, wie sie am 8. März von einem Tag auf den anderen schließen mussten, müssten sie laut Zuchtriege­l auch „flexibel bei der Öffnung“sein. KNA

 ?? Foto: Marden Smith/dpa/tmn ?? Ausgrabung­sstätten sind beim Infektions­schutz im Vorteil: In Paestum, der antiken Stadt südlich von Neapel, können Besucher an der frischen Luft und auf weitläufig­en Pfaden zu den berühmten Tempeln pilgern.
Foto: Marden Smith/dpa/tmn Ausgrabung­sstätten sind beim Infektions­schutz im Vorteil: In Paestum, der antiken Stadt südlich von Neapel, können Besucher an der frischen Luft und auf weitläufig­en Pfaden zu den berühmten Tempeln pilgern.

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