(K)ein gutes Händchen
Es herrscht Ausnahmezustand am Frischeregal. Sehnsüchtig werden Ingwerknollen beäugt und Salatköpfe betrachtet. Menschen harren regungslos vor der grünen Pracht aus und blicken abwechselnd auf die frische Ware, dann auf ihre Hände und schließlich auf den wahren Missetäter: Die ach so dünnen Plastiktüten, die man zum Abwiegen des Gemüses benutzt. Alle eint das gleiche Schicksal: Wie kriege ich die widerspenstige Tüte dazu, sich dem jungen Gemüse zu öffnen, in Zeiten dieses neuen Tabus? Denn eigentlich ist die Lösung denkbar einfach und lange bewährt: Einmal kurz an Daumen und Zeigefinger lutschen und schon flutscht es mit der Tüte.
Hände haben es schwer in diesen Zeiten.
Aber wer will es in diesen Zeiten wagen? Gar sein Leben aufs Spiel setzen? Und so treten alle auf der Stelle und werfen sich verständnisvolle Blicke zu, bis die Tüten Erbarmen zeigen. Ein Tango der Verzweiflung. Überhaupt haben es Hände schwer in diesen Zeiten. Ehemals selbstverständliche Handfertigkeiten sind plötzlich verpönt: Sich die Haare raufen, jemanden im Nacken kraulen oder verträumt in der Nase pulen, alles tabu. Selbst das Händeschütteln ist in Gefahr; gibt es doch zahlreiche Epidemiologen, die diese Kulturpraxis auch für die Zeit nach Corona verbannt wissen wollen. Wird bald niemand mehr an der Qualität seines Händedrucks gemessen? War meine ganze Arbeit mit dem Handtrainer damit umsonst? Mit der Hand sind auch Bälle plötzlich in Verruf. Volleyball ist Virenschleuder als Mannschaftssport. Handball scheint undenkbar. Und selbst den Fußball trifft es hart. Nicht nur Zärtlichkeiten mit Mannschaftskollegen beim Torjubel sind tabu, nein auch das Handspiel hat eine neue Verwerflichkeit erreicht. Maradona und seine Hand Gottes hätte heute wahrscheinlich eine Mannschaftsquarantäne zur Folge. Da bleibt einem nur noch, die Faust in der Tasche zu machen. Pit