Müllerthal statt Mallorca
Wie Urlaub in Luxemburg den Sommer und die nationale Tourismusbranche retten soll
Ob in der Moselregion, im Müllerthal oder im Norden Luxemburgs – nirgends ist es schöner als zu Hause. So sieht es jedenfalls die Regierung und will angesichts der aktuellen Situation aktiv Luxemburg als Reiseziel für die eigenen Landesleute und Besucher aus den benachbarten Ländern promoten. „Wir arbeiten an Maßnahmen, um Luxemburg als Urlaubsziel zu unterstützen“, heißt es bei der Generaldirektion für Tourismus. Lex Delles (DP), Minister für Tourismus stellt folgerichtig klar: Urlauber aus dem Ausland sind im Großherzogtum jederzeit willkommen, er hofft aber auch darauf, dass viele Luxemburger selbst in diesem Jahr ihren Urlaub im eigenen Land verbringen werden.
Um das zu zu realisieren, gibt es bereits einen ersten Anreiz: Jeder Einwohner Luxemburgs und alle Grenzgänger, die im Großherzogtum arbeiten und älter als 16 Jahre sind, bekommen einen Gutschein im Wert von 50 Euro; die Gutschrift kann dann in einem Hotel, einer Pension und Co. eingesetzt werden. Insgesamt werden etwa 750 000 Menschen diesen Voucher erhalten, so die Generaldirektion für Tourismus – die Kosten dürften sich damit auf rund 37,5 Millionen Euro belaufen. Wann und wie die Gutscheine verteilt werden sollen, ist in Planung.
Ein wichtiger Beitrag für die angeschlagene Branche, denn: Die Tourismusagentur „Luxembourg for Tourism“(LFT) geht bereits jetzt von einem Umsatzverlust von knapp 33 Millionen Euro für die Hotellerie allein in den Monaten
März, April und Mai aus. Und das nur bei den Einnahmen für die Zimmerbuchungen; dazu kommen Verluste, die mit den „Extras“verbunden sind – beispielsweise Ausgaben an Hotel-bars oder in den Restaurants. Für die Campingplätze geht die Tourismusagentur von einem Verlust von rund zwei Millionen Euro allein durch ausbleibende Stellplatzmieten aus. „Diese Zahlen sind lediglich Schätzungen“, stellt LFT-CHEF Sebastian Reddeker klar, „der Monat ist noch nicht zu Ende.“Die Tourismusbranche ist ein wichtiger Wirtschaftssektor für Luxemburg. Im Großherzogtum trägt der Tourismus nach Angaben des „World Travel & Tourism Council“(WTTC) fast neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei; 30 600 Arbeitsplätze stehen in Verbindung mit dem Sektor.
Wenig Buchungen
Mit der schrittweisen Wiederöffnung einiger Grenzen in Europa und der allmählichen Aushebung der Ausgangsbeschränkungen läuft der Tourismus dennoch langsam wieder an. Beispiel Campingplätze:
Linda Gedink, Generalsekretärin des Dachverbandes der Campingplatzbetreiber Camprilux, erklärt, dass die Nachfrage für die langen Wochenenden rund um Pfingsten und Fronleichnam (ein gesetzlicher Feiertag in einigen deutschen Bundesländern) groß ist. In Luxemburg gibt es etwa 80 Campingplätze. „Wir sehen auch, dass das Interesse für den Sommer allmählich wieder zunimmt. Aber meist sind es nur Anfragen, keine verbindliche Buchungen“, erklärt Linda Gedink. „Es ist schwer zu sagen, wie die Saison laufen wird. Es hängt auch davon ab, wie andere Länder ihre Lockerungsmaßnahmen umsetzen.“Aber die Hoffnung bleibt: „Wer mit seinem Wohnwagen kommt, bringt quasi sein eigenes Zuhause mit sich“, so Sebastian Reddeker.
Generell sind „die Such- und Buchungsanfragen in Europa für innereuropäische Auslandsreisen nach wie vor auf niedrigem Niveau“, erklärt die Agentur „Luxembourg for Tourism“. Demnach sind die Zahlen über das Suchvolumen für Reisen bis Ende Juni allgemein um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, für Reisen im Sommer um 35 Prozent und für Reisen im September und Oktober um 25 Prozent. „Für Reisen in Luxemburg dürften die Zahlen nicht so stark rückgängig sein“, erklärt Reddeker, denn: „Luxemburg ist ein typisches Spätbucherreiseziel; die Gäste entscheiden sich relativ kurzfristig – im Schnitt erst 30 Tage vor ihrer Ankunft.“Bei den Google-suchen seit dem 10. Mai sei das Interesse für Reisen nach Luxemburg von potenziellen Besuchern aus Belgien, der
Schweiz, Deutschland und Holland wieder gestiegen, so die Tourismusagentur.
Wichtige Gäste aus dem Ausland
„Luxembourg for Tourism“geht davon aus, dass sich der Tagestourismus als erstes erholen wird, gefolgt von Inlandsreisen. Denn: Auch Einwohner Luxemburgs profitieren von dem touristischen Angebot im eigenen Land. Nach Angaben der Generaldirektion für Tourismus haben im vergangenen Jahr 60 Prozent der Einwohner an kulturellen Veranstaltungen, Wanderungen und Ausstellungen teilgenommen. „Luxemburg hat großes Potenzial“, so Sprecher Damien Valvasori.
Dennoch ist der heimische Tourismussektor auf die Gäste aus dem Ausland angewiesen – auch wenn allgemein davon ausgegangen wird, dass es dieses Jahr wegen der Corona-pandemie mehr Inlandstourismus geben sollte. Nach Angaben des nationalen Statistikamtes Statec gab es im Jahr 2018 mehr als 1,1 Million Ankünfte in gewerblichen Betrieben; Besucher aus Belgien machten etwa 20 Prozent davon aus, Besucher aus Holland 17 Prozent, Besucher aus Deutschland 15 Prozent und Besucher aus Frankreich 13 Prozent. Die Luxemburger selbst dagegen buchen überwiegend nur eine Nacht im eigenen Land – meist wegen Hochzeiten oder anderen privaten Anlässen – „leider nicht, um klassisch Urlaub zu machen“, so LFTCHEF Sebastian Reddeker. So hat eine Statec-umfrage zum Reiseverhalten der Einwohner Luxemburgs gezeigt, dass im Jahr 2018 nur 1,7 Prozent aller Urlaube im Inland stattfanden – „das waren lediglich 35 000 Reisen“, so Reddeker.
Ob die Preise in der Tourismusbranche künftig steigen werden, um die Verluste der vergangenen Wochen wettzumachen, ist noch schwer zu sagen. „Es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage“, sagt Reddeker. Durch mögliche Insolvenzen von Betrieben, die die Corona-krise nicht überstehen werden, könnte das Angebot niedriger sein. Dagegen aber steht die derzeit geringere Nachfrage – „immerhin sind viele Menschen noch vorsichtig und stellen sich Fragen“, so der LFT-CHEF. Auch wurden Tausende im In- und Ausland in Kurzarbeit geschickt und haben ein geringeres Budget in der Urlaubskasse. Sebastian Reddeker geht deshalb derzeit nicht davon aus, dass es im Übernachtungssektor zu einem Preis-dumping kommen wird – „das wäre schlecht für die ganze Branche“–, und schließt gleichzeitig drastische Preissteigerungen aus.
Viele Menschen sind noch vorsichtig und stellen sich Fragen. Sebastian Reddeker