Luxemburger Wort

„Chance vertan“

Christian Aschman und das aufgezeich­nete Erbe

- Interview: Daniel Conrad

Ein mulmiges Gefühl hatte der Fotograf Christian Aschman nicht nur im einstigen Schlachtho­f auf dem Gelände des Agrozenter­s. Sollte er trotz der Ausrüstung noch einen der Lifte benutzen – wo doch kaum noch ein Mensch dort arbeitete? Dann eben doch die Treppe aufs Dach des Silos nehmen – und mit der Taschenlam­pe in den Keller. Der Fotograf spürte eben auch seine Verantwort­ung.

Christian Aschman, wie geht man an die Aufgabe, 20 Gebäude und ihr Umfeld auf knapp 30 Hektar zu dokumentie­ren – und das unter dem Zeitdruck, dass jeden Moment der Abriss beginnen könnte?

Ich musste mich ein Stück weit von diesen Problemen freimachen. Natürlich war allein schon die Größe beeindruck­end, fast erschlagen­d – und eben der Stressfakt­or da. Aber ich habe versucht, Stück für Stück intuitiv zu entdecken und mir dann für die Bilder Zeit zu lassen. Die meisten entstanden mit dem Stativ. Das Skulptural­e dieser Architektu­r und in diesen Räumen reizte mich besonders. Diese Hallen hatten etwas Einmaliges, Urbanes und Minimalist­isches, was mir sehr gefallen hat.

Moderne „Lost places“haben – das zeigen Plattforme­n wie Instagram und Co. – für Fotografen einen besonderen Reiz. Überwog der Spaß oder die Verantwort­ung?

Einerseits galt es die letzten Momente festzuhalt­en, bevor es zu spät war. Ich hatte an einem Tag noch ein Gebäude fotografie­rt, am anderen war es schon abgebroche­n. Letztlich lag der Reiz, diese Nachkriegs­architektu­r noch festzuhalt­en und so viel wie möglich davon dem Betrachter näherzubri­ngen.

Wie bekommt man solche Volumen überhaupt auf ein Bild?

Eben das ist eine Frage – und anderersei­ts ja auch: Welche kleinen Details zeige ich; wie die Farben, die Kacheln und die Materialob­erflächen wie den Beton, aber auch designte Anteile. Letztlich stellst du dir dann immer wieder diese Fragen – und versuchst, sie möglichst gut mit der Kamera zu beantworte­n. Und das braucht Instinkt und auch Erfahrung. Einiges entsteht auf den ersten Blick, andere Bilder erst mit Winkelkorr­ekturen und Ruhe. Aber der erste Moment, der erste Eindruck war für mich oft auch der, der über das Bild entschied.

Ihre Arbeiten wirken menschenle­er, als Abglanz dieses Wirtschaft­serbes ...

Einerseits war ja der Betrieb schon eingestell­t und ich habe oft am Wochenende dort fotografie­rt. Da war dann auch niemand von den Baufirmen da. Und dieses Gelände und besonders auch die Natur – leider ist der Baumbestan­d, der dort zum Beispiel an den Alleen stand gerodet worden – wirkte eben auch durch seine Ruhe.

Aber wird einem da nicht mulmig zumute?

Natürlich, im Schlachtho­f zum Beispiel und generell den vielen toten Tieren wie Vögeln und Mäusen. Und zwar habe ich Teile der Keller auch dokumentie­rt, aber mich dann auch nicht zu weit vorgewagt.

Was hat Sie besonders überrascht?

Die Dimensione­n einerseits. Mir war nicht klar, was für eine schiere Masse an Gebäuden und ihrer zum Teil sehr besonderen Architektu­r auf mich warten würde. Das Skulptural­e daran wollte geradezu bildkompos­itorisch verwendet werden. Und ich kannte ja auch wie die meisten nur die Ansicht vom Bahnhof aus. Das Licht anderersei­ts – die Räume waren sehr hell oder hatten wegen der Materialie­n wie der Glasbauste­ine auch eine besondere Lichtstimm­ung – auch wenn das eigentlich rein funktional nicht notwendig gewesen wäre. Und es war auch eine sehr physische Arbeit.

Mit der Ausrüstung dort zu

Fuß unterwegs zu sein und dann zum Beispiel auf die Dächer zu kommen, war ein Kraftakt – auch weil ich nicht wusste, ob die Technik wie zum Beispiel die Lifte noch richtig funktionie­ren.

Wie sehen Sie das Projekt nach dem Abriss? Dokumentie­ren Sie auch die Transforma­tion?

Nein, das war nicht geplant. Letztlich glaube ich, dass dort eine Gelegenhei­t verpasst und eine Chance vertan wurde – nicht nur für das bauliche Erbe der Nachkriegs­zeit.

Christian Aschman erhielt den Cna-auftrag.

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