Im Vorhof des Todes
Der Mensch gegen das System oder „David gegen Goliath“aus der Feder von John Grisham
Es ist immer wieder das gleiche Ritual, wenn im Bezirksgefängnis von Alabama ein Mensch hingerichtet werden soll. Der Delinquent spricht seine letzten Worte, dann erhält er die Henkersmalzeit und stirbt. Nach Wochen, nach Monaten und manchmal erst nach Jahren im Todestrakt. „Jeder Bundesstaat, in dem es die Todesstrafe gibt, hat seine eigenen, albernen Rituale für eine Hinrichtung, die so viel Drama wie möglich erzeugen sollen. Die Henkersmahlzeit wird gegen 22.30 Uhr serviert, und der Häftling kann bestellen, was er möchte, mit Ausnahme von Alkohol. Kein Wunder, wenn einer der Verurteilten schnurstracks in eine Bar marschieren und so lange Bier trinken will, bis er umfällt. Wenn er hier rauskommt“. Bestsellerautor John
John Grisham ist spätestens seit den 1990er-jahren erfolgreicher Bestsellerautor.
Grisham beschreibt in seinem neuen Roman, was er beim Besuch von unschuldig Verurteilten im Vorhof des Todes erlebte: „In Amerika kommt man leicht ins Gefängnis, aber nur sehr schwer wieder raus. Wir haben in diesem Land ein Riesenproblem mit Fehlurteilen, wir haben zu viele unschuldige Menschen in den Gefängnissen.“
Der Mensch gegen das System, David gegen Goliath. Der Mächtige im Weißen Haus heißt Donald Trump – in dessen Amerika Angst vor dem Anderen, Hass und Rassismus triumphieren. Über eine Million schwarzer Jugendlicher sind eingesperrt – wegen Drogendelikten.
„Es kann keinen Frieden geben mit dieser, unserer Geschichte“, notiert Grisham. „Die Sklaverei war unser schlimmster Fehler, unsere große Tragödie. Rassismus wird noch lange ein Problem in diesem Land bleiben.“
Er selbst sei ein literarischer Entertainer mit moralischem Anliegen, skizziert sich Grisham. Und er lässt einen seiner Protagonisten fragen: „Wenn wir generell dagegen sind, einen anderen Menschen zu töten: Warum darf der Staat es? Doch die Amerikaner sind besessen von der Todesstrafe“.
Mord ohne Spuren
Vorbild für „Die Wächter“sind die Anwälte des UNSCHULD-PROJEKTS: In Seabrook, Florida wird der junge Anwalt Keith Russo erschossen. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Es gibt keine Zeugen, keine Verdächtigen, kein Motiv. Trotzdem wird Quincy Miller verhaftet, ein junger Afroamerikaner, der früher zu den Klienten des Anwalts zählte. Miller wird zum Tode verurteilt und sitzt 22
Jahre im Gefängnis. Cullen Post übernimmt seinen Fall.
Er ahnt nicht, dass er sich damit in Lebensgefahr begibt. Grisham erzählt seine Geschichte und wirft dabei einen melancholischen Blick auf ein Amerika und dessen schwer ramponiertes Versprechen von Freiheit und Gerechtigkeit. Ein packender Justizthriller von jener Sorte, wie John Grisham sie schon seit dreißig Jahren erfolgreich veröffentlicht.
John Grisham: „Die Wächter“, Heyne,
447 Seiten, 24 Euro.