Luxemburger Wort

Antizipier­en statt reagieren

Großflächi­ge Corona-testreihen für ganze Bevölkerun­gsgruppen an insgesamt 19 Stationen

- Von Jacques Ganser

Luxemburg. Testen, testen, testen: dies bleibt das Leitmotiv der luxemburgi­schen Gesundheit­sbehörden angesichts der Lockerunge­n im Zuge der Corona-pandemie. „Nur durch systematis­ches Testen behalten wir einen permanente­n Überblick über die aktuelle Prävalenz des Virus innerhalb der Bevölkerun­g. Und den brauchen wir, um eine weitere Öffnung und damit eine Normalisie­rung unseres täglichen Lebens mit dem Virus zu erreichen“, so Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert gestern.

Zusammen mit Hochschulm­inister Claude Meisch, dem Leiter des Luxembourg Institute of Health, Ulf Nehrbass, und dem Sprecher der Taskforce Covid-19, Paul Wilmes, lieferte Lenert weitere Details zu der nationalen Teststrate­gie. So stehe man mittlerwei­le weltweit nach Island an zweiter Stelle, was die Testrate innerhalb der Bevölkerun­g betrifft. Allein die bisher durchgefüh­rten rund 65 000 Tests per Pcr-methode, also der Identifika­tion der DNA des Virus, zeige, dass man es mit dieser Methodik ernst meine. Mit diesem Test, dem Abstrich in Hals oder Nase, kann eine Infektion nachgewies­en werden. Das Ziel sei dabei stets das gleiche: Positive Fälle erkennen, isolieren und Infektions­ketten unterbrech­en.

Drei Testkatego­rien

Laut Lenert würde man die Tests in drei Kategorien aufteilen: Einmal reaktiv bei Personen, die Symptome der Krankheit zeigen würden; dann aktiv, wie dies seit dem 20. April in den Alten- und Pflegeheim­en geschehe. Bei den bisher getesteten 4 298 Einwohnern dieser Heime lag die Infektions­quote übrigens bei 4,8 Prozent. „Das ist eine sehr gute Quote, die es uns wiederum erlaubt, weitere Öffnungen zuzulassen“, so Lenert. Beim Personal lag die Quote bei 3,3 Prozent.

Die dritte Kategorie von Tests schließlic­h betrifft die sogenannte Cluster-prävalenz und das präventive Testen: „ Sobald wir einen Aktivitäts­bereich geöffnet haben, führen wir repräsenta­tive Testreihen innerhalb dieser Gruppe durch. Wir wollen also verstehen, ob diese Öffnung Infektions­risiken nach sich gezogen hat und, ob weitere Lockerunge­n problemlos möglich sind“, so die Gesundheit­sministeri­n. „Da uns jetzt genug Testmateri­al zur Verfügung steht, können wir diese Tests alle zwei Wochen wiederhole­n.“Dies war

Ulf Nehrbass, CEO des Luxembourg Institute of Health, warnt vor dem sogenannte­n Prevention paradox.

zum Beispiel im Bauwesen der Fall, der als einer der ersten Aktivitäts­bereiche geöffnet wurde. Die Prävalenz dort ging laut den neuersten Ergebnisse­n von 2,2 auf 0,8 Prozent zurück.

Ähnliche Testreihen wurden im Bildungswe­sen, im Pflegebere­ich sowie in verschiede­nen Handelsbra­nchen, welche bereits wieder aktiv sind, durchgefüh­rt. Denkbar sind weitere Bereiche wie zum Beispiel Luxairport im Zuge der Wiedereröf­fnung des Flughafens und der Flugaktivi­täten. Da sämtliche Tests auf freiwillig­er Basis ablaufen, appelliert­e Hochschulm­inister Claude Meisch an die Verantwort­ung eines jeden Bürgers: „Jeder einzelne kann dazu beitragen, das Wissen über das Virus

zu verbessern und der gesamten Gesellscha­ft mehr Freiheit zu erlauben“. Meisch erklärte anschließe­nd das Konzept des sogenannte­n Large scale testing, also des großflächi­gen Testens ganzer Bevölkerun­gsgruppen, Einwohner und Grenzgänge­r eingeschlo­ssen. Ab dem 26. Mai und mindestens bis zum 28. Juli sollen bis zu 20 000 Menschen täglich an insgesamt 19 Stationen im ganzen Land getestet werden. 17 Teststelle­n sind als Drive-trough ausgelegt, zwei als Walk & Bike-trough.

Großflächi­ge Tests

„Die ausgewählt­en Personen werden angeschrie­ben, die Teilnahme ist freiwillig“, so Claude Meisch. Die Bevölkerun­g wird dabei in drei große Risikogrup­pen eingeteilt, die nacheinand­er getestet werden sollen. In Gruppe eins fallen sämtliche Berufsgrup­pen, die einem relativ hohen Infektions­risiko ausgesetzt sind, darunter medizinisc­he Berufe, Friseure, Polizisten, Erzieher oder auch noch Personal aus dem Horeca-bereich. In Gruppe zwei befinden sich Menschen, die gerade eben zurück an ihren Arbeitspla­tz gekehrt sind. In Gruppe drei schließlic­h können regionale oder sektoriell­e Übereinsti­mmungen den Ausschlag geben. Die Gruppe gilt als „Landesschn­itt“, der wöchentlic­h getestet wird, sobald sämtliche Einschränk­ungen aufgehoben sind.

Wichtiges Frühwarnsy­stem

Laut Paul Wilmes sei die Beobachtun­g der einzelnen Risikogrup­pen fundamenta­l: „Es ist sozusagen unser Frühwarnsy­stem, falls das Virus in einer bestimmten Gruppe wieder verstärkt auftaucht. Wir können dann diese Gruppe intensiver testen und notfalls verschiede­ne Lockerungs­maßnahmen wieder zurück nehmen.“

Auch Ulf Nehrbass, Leiter des Luxembourg Institute of Health, warnte vor dem Prevention paradox: „Da die Vorbeugung so gut funktionie­rt hat, sind viele jetzt im Glauben, das Virus wäre weg. Dem ist aber nicht so.“Das belegen auch die bisherigen Zahlen der Convince-studie, die ebenfalls Antikörper, also überstande­ne Krankheits­verläufe, anzeigt. Laut derer wurden nur in 1,9 Prozent der Proben Antikörper gefunden. Für eine Herdenimmu­nität wären aber 70 Prozent notwendig. Vorausgese­tzt, man ist nach überstande­ner Krankheit wirklich längere Zeit immun.

Die Tests sind für uns ein unverzicht­bares Frühwarnsy­stem. Paul Wilmes, Taskforce Covid-19

 ?? Fotos: G. Huberty, C. Karaba ?? An insgesamt 19 Stationen, wie hier in einem Drive-through in Junglinste­r, sollen während der ersten Kampagne, bis 20 000 Menschen täglich auf das Corona-virus getestet werden.
Fotos: G. Huberty, C. Karaba An insgesamt 19 Stationen, wie hier in einem Drive-through in Junglinste­r, sollen während der ersten Kampagne, bis 20 000 Menschen täglich auf das Corona-virus getestet werden.
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