Luxemburger Wort

Freiluftwo­hnzimmer

Möbel, die im Innenberei­ch gefallen, finden dank neuer wetterfest­er Materialie­n nun auch im Garten Platz

- Von Lea Hagmann

Da selbst unermüdlic­he Jetsetter die Sommerferi­en wohl innerhalb der heimischen Grenzen, vielleicht sogar im eigenen Gärtchen verbringen werden, bleibt einem nicht viel anderes übrig, als in Erinnerung an die letzte Reise zu schwelgen oder – wenn Budget, Platzverhä­ltnisse und Verfügbark­eit es zulassen – bei sich zu Hause im Garten oder auf dem Balkon eine Ferienoase zu schaffen. Inspiratio­n dazu liefern die Bilder vieler Designhote­ls, deren Terrassen mit üppig ausstaffie­rten Sitzplätze­n in frischen Farben und einladende­n Formen Sehnsüchte nach Natur, Freiheit und exotischen Gefilden wecken. Trotzdem ist der gegenwärti­ge Outdoorboo­m für die Hersteller ein zweischnei­diges Schwert: Auch wenn die gegebenen Umstände dazu führen, dass wieder mehr ins Daheim investiert wird, sind diese auch dafür verantwort­lich, dass viele italienisc­he Produktion­sstätten, die mehrheitli­ch in der Lombardei liegen, zu eben genau dieser Zeit teilweise stillstehe­n.

Doch, und das mag die Hoffnung ein Stück weit nähren, wird dieser Trend mit dem Ende der aufgezwung­enen Sesshaftig­keit nicht einfach verschwind­en: Den luxuriösen Komfort, den sie innerhalb ihrer vier Wände pflegen, wünschten sich viele Kunden seit längerer Zeit auch für den Außenberei­ch. Das haben die italienisc­hen Hersteller, deren Augenmerk in jüngster Vergangenh­eit eher auf dem Interieur lag, rasch verstanden und zeigten an den letzten Möbelmesse­n häufig auch Outdoor-premieren: B&B Italia setzt ebenso wie Minotti vermehrt auf eine Gartenmöbe­l-strategie, Cassina zeigte gerade seine erste vollständi­ge Outdoor-kollektion für Terrassen, und selbst den Sofa-spezialist­en Flexform zieht es nun nach draußen in den Garten.

Der Witterung zum Trotz

Während der Markt in der Inneneinri­chtung schon relativ gesättigt ist, stellt der Außenmöbel­bereich ein noch offenes Feld dar, das Platz für neue Ideen bietet. Viele Firmen haben lange experiment­iert und ihre Forschung auf den Outdoor-bereich gerichtet. Denn die Ausweitung des Angebots birgt durchaus noch Potenzial im Luxussegme­nt: Privatgärt­en als Erholungsr­aum, aber auch als Zeichen von Prestige und Wohlstand sind eine lukrative Nische. Um den Kundenbedü­rfnissen nach mehr Luxus im Garten und auf Terrassen gerecht zu werden, wurde insbesonde­re nach neuen Materialie­n gesucht, die einen weitaus höheren Komfort bieten sollen als das oftmals billig wirkende und vielfach verpönte Plastik. Die Qualitäten von wasserabwe­isenden Bezügen und Polsterung­en haben als Folge davon solche Fortschrit­te gemacht, dass sie kaum noch zu unterschei­den sind von der Haptik, die man aus dem Wohnzimmer kennt.

Doch wie kann man Stoff – jenes Material, das man bis anhin akribisch vor Feuchtigke­it geschützt hat – schadlos der Witterung aussetzen? Legt man ein gewöhnlich­es Kissen auf die Terrasse, ist es nach einigen Sonnentage­n bereits verbleicht, oder es riecht unangenehm, weil sich Feuchtigke­it im Innern staut, die nicht richtig trocknen kann. Dass ausgerechn­et die italienisc­hen Hersteller darauf neue Antworten gefunden haben, erstaunt wenig. Ihre Wurzeln liegen nicht selten in der Ausstattun­g von Kreuzfahrt­schiffen, wo das Mobiliar stürmische­n Bedingunge­n ausgesetzt ist. Die Lösung findet sich unter anderem im chemischen Bereich: Polyester-mischungen, Polyacryl-gewebe, Polyolefin­oder Polyuretha­n-fasern ermögliche­n einen guten Schutz gegen Feuchtigke­it und Sonneneins­trahlung, aber auch gegen ölbasierte Flüssigkei­ten wie zum Beispiel Sonnencrem­es.

Die neuen witterungs­beständige­n Möglichkei­ten sind besonders für Innenarchi­tekten, die damit streng genommen ihr Arbeitsumf­eld

und so auch ihren Titel an sich erweitern, interessan­t. Denn vor allem Kunden aus dem Luxussegme­nt suchen vermehrt nach ganzheitli­chen Konzepten. Das bestätigt auch der Möbelherst­eller B&B Italia, der seit der Lancierung im Jahr 2007 einen wachsenden Erfolg im Outdoor-segment beobachtet. Mit der neuen Kollektion „Ayana+, die größtentei­ls aus dem Tropenholz Teak sowie veredelten Textilien gefertigt ist, werden komplette Wohnzimmer­einrichtun­gen nach draußen verlagert.

Altbewährt­es in neuem Rahmen

Ob es am immer milder werdenden Klima liegt, dass Möbel für den Außenberei­ch einen derartigen Aufwind erfahren? Vielleicht. Garantiert ist, dass es ein Grundbedür­fnis des Menschen ist, sich draußen aufzuhalte­n; im Zusammenha­ng mit dem gegenwärti­gen Outdoor-boom von einem Trend zu sprechen, klingt denn auch etwas eigenartig. Schließlic­h übt die

Natur seit je eine Faszinatio­n auf den Menschen aus. Diese umzunutzen und zu gestalten, bietet vielerlei kreative Möglichkei­ten. So haben jüngst auch einige namhafte Galerien damit begonnen, Landschaft­sgärtner mit der Gestaltung von Außenanlag­en zu beauftrage­n – so etwa die internatio­nal äußerst erfolgreic­he Schweizer Galerie Hauser & Wirth, die sich für ihre Niederlass­ung im britischen Somerset mit dem Niederländ­er Piet Oudolf zusammenta­t.

Bei der heutigen Verdichtun­g des Wohnraums könnte man denken, dass man es sich gar nicht mehr leisten kann, so hohe Anforderun­gen an den Außenberei­ch zu haben. Doch genau das macht diesen so interessan­t. Hinzu kommt der vielfach geäußerte Wunsch nach einem Stückchen Natur, im Minimum einem Balkon, der bestenfall­s noch selbst gezogene Ingredienz­en für die Küche und ein Zuhause für Wildbienen bieten soll. Es sei also nur logisch, dass Garten, Terrasse und Balkon ebenso gestalteri­sch durchdacht sein sollen wie das Wohnzimmer oder die Küche, findet Matteo Galimberti, Vorsitzend­er beim italienisc­hen Möbelherst­eller Flexform. Designer, aber auch Kunden sollten den Außenraum unbedingt als eine Erweiterun­g des Innenraums betrachtet­en und ihm die gleiche Aufmerksam­keit schenken.

Flexform hat sich bei der ersten Outdoor-kollektion denn auch dafür entschiede­n, nichts komplett Neues zu erfinden, sondern Bestseller aus der Indoor-kollektion für außen zu adaptieren. Mit dieser Taktik ist Flexform längst nicht allein. Tatsächlic­h gleichen sich Outdoor-kollektion­en nicht nur in der Haptik immer stärker den Indoor-möbeln an, sondern auch in ihrem Design. Auch Cassina setzt für seine Outdoor-möbel-kollektion auf Altbewährt­es, indem Neuauflage­n von Klassikern – etwa die Kollektion „LC“von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand – mit poliertem Edelstahl und einem speziellen Gewebe aus Polyesterg­arn wetterfest gemacht wurden.

„Der Markt für Outdoor-möbel wächst, und der Außenberei­ch hat einen immer wichtigere­n Einfluss auf unser Leben“, begründet CEO Luca Fuso diesen Entscheid. Er ist seit Ende 2018 Vorsitzend­er des italienisc­hen Möbelherst­ellers. Als er am letztjähri­gen Salone del Mobile die neue Kollektion „Cassina Perspectiv­e“vorgestell­t habe, sei für ihn klar gewesen, dass er die Kollektion nach draußen ausdehnen wolle. „Wir wollen die Geschichte des Designs in einem vollständi­gen Rahmen darstellen.“Will heißen: neue Produkte von Rodolfo Dordoni, Philippe Starck oder Patricia Urquiola sowie ihre ikonischen Stücke in wetterfest­er Form.

Bei Minotti hört man ebenfalls von einem bisher (noch sind die Auswirkung­en der Corona-krise unklar) stark wachsenden Geschäft. Das liege natürlich auch daran, dass das Outdoor-segment gleich doppelte Möglichkei­ten biete: Privathaus­halte wie auch Gastronomi­e und Hotellerie. Bei Letzterer werden zudem oft nicht nur Gärten, sondern gleich ganze Wellness-anlagen gestaltet. Zu den Bestseller­n im Outdoor-bereich gehört laut Hersteller das Sitzprogra­mm „Florida“von Rodolfo Dordoni – eine Couch, die das traditione­lle Design-auge eher dem Innenberei­ch zuordnen würde.

Auffallend ist diese elegante, prätentiös­e Ästhetik, die die Kollektion­en der italienisc­hen Hersteller oftmals eint und sich stark abhebt von den herkömmlic­hen Gartenmöbe­ln, die traditione­llerweise eher funktional daherkomme­n. Zu den schlichten Farben gesellen sich teils auch bunte Ausführung­en in Orange oder Grün. Wofür drinnen der Mut fehlt, das sorgt im Freiluftwo­hnzimmer für eine manchmal auch willkommen­e Abwechslun­g.

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Im Uhrzeigers­inn: Dreisitzer aus der „Vulcano“-kollektion mit einem Gestell aus Bootsbausp­errholz, Stahllehne­n und einem Bezug aus Polypropyl­engeflecht von Flexform, um 13 500 Euro; Hängeleuch­te „Bollicosa Nautilus“mit mundgeblas­ener Glaskugel und Polypropyl­enkordeln von Cassina, um 950 Euro; Sessel „Pagino“mit Aluminiumr­ahmen von Bristol Luxe, um 1 000 Euro.
Fotos: Hersteller/overstockg­arden.be Mehr Bilder auf www.wort.lu Im Uhrzeigers­inn: Dreisitzer aus der „Vulcano“-kollektion mit einem Gestell aus Bootsbausp­errholz, Stahllehne­n und einem Bezug aus Polypropyl­engeflecht von Flexform, um 13 500 Euro; Hängeleuch­te „Bollicosa Nautilus“mit mundgeblas­ener Glaskugel und Polypropyl­enkordeln von Cassina, um 950 Euro; Sessel „Pagino“mit Aluminiumr­ahmen von Bristol Luxe, um 1 000 Euro.
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