Schlimmer als der Tsunami
Der Luxemburger Claude Baltes versorgt Bedürftige auf Phuket mit Lebensmitteln
30 Eier, zehn Packungen Instantnudeln, acht Fischkonserven, fünf Kilo Reis, ein Sack Zucker, eine Flasche Fischsauce, Babymilchpulver bei Bedarf und natürlich Trinkwasser. Diese Ration soll derzeit einen der rund 32 000 Haushalte im Dorf Rawai auf der thailändischen Ferieninsel Phuket für zwei Wochen über Wasser halten.
Denn auch die Insel ist nicht vor der Covid-19-pandemie gefeit. Wobei die Bewohner der thailändischen Tourismushochburg mit 225 bestätigten Infektionsfällen und zwei Toten aus gesundheitlicher Sicht bislang eher glimpflich davonkamen. Das Leiden auf Phuket ist primär wirtschaftlicher Art.
Dominoeffekt des Leidens
„Das Problem ist, dass das Leben hier komplett vom Tourismus abhängig ist“, erzählt der Luxemburger Claude Baltes, der seit über 20 Jahren auf der Insel lebt. Die Situation für die Bevölkerung sei schlimmer als nach der Tsunamikatastrophe im Jahr 2004, bei der rund 5 000 Menschen ums Leben kamen. „Damals hat sich Phuket doch relativ schnell wieder erholt“, erinnert sich der 52-Jährige, der neben seiner Haupttätigkeit als Hotelmanager seit zweieinhalb Jahren auch als Honorarkonsul auf Phuket die Anliegen von Auswanderern und Touristen aus dem Großherzogtum vertritt.
„Nach sechs Monaten verlief das Leben vor Ort wieder zu 90 Prozent normal. Die Touristen sind weiter auf die Insel gekommen, wenn auch in etwas kleinerer Anzahl. Schließlich war es ja nur ein Bruchteil der Tourismusbranche, die von der Tsunamikatastrophe betroffen war.“Seither blühte das Geschäft mit den Inselbesuchern sogar regelrecht auf: Die Anzahl der Gäste aus aller Welt stieg von 4,8 Millionen im Jahr 2004 auf 9,5 Millionen im Jahr 2019.
Doch jetzt ist dieser Wirtschaftszweig komplett eingebrochen. „Ein Großteil unserer Touristen stammt aus China. Die Krise machte sich hier also schon im Januar rund ums Chinesische Neujahr – normalerweise eine absolute Hochsaison für uns – schlagartig bemerkbar.“Nun liegt die Reisebranche schon seit Ende März zu 100 Prozent lahm.
„Das hat wiederum zur Folge, dass auch weniger Arbeiter aus den Provinzen vor Ort sind, die sonst ihr Geld bei den zahlreichen einheimischen Geschäftsleuten und Straßenverkäufern ausgegeben haben.“Ebenso würden etwa Taxifahrer, Tankstellenbesitzer oder auch Massagestudios unter der Situation leiden. Sozialhilfe bekäm derweil nur ein Bruchteil derer, die aktuell ihre Verdienstquelle verloren haben. Über Rücklagen verfügt in Anbetracht des geringen Mindestlohns, dem die höchsten Lebenserhaltungskosten Thailands gegenüberstehen, kaum jemand.
Die Mentalität der Thailänder bewirke zwar, dass sie stets eine gewisse Gelassenheit ausstrahlen. Doch die Not sei nicht von der Hand zu weisen, meint Baltes. Deshalb will er nicht nur die vom Bürgermeister des Ortes Rawai initiierte Verteilaktion tatkräftig unterstützen, sondern auch die „Rawai Love Heart Group“, deren Augenmerk auf den Bedürfnissen der verletzbarsten Menschen in der Gemeinde liegt. Dabei hofft Baltes auch auf das Mitgefühl der Luxemburger.
Helden des Alltags
„Sobald wir erste Spenden erhalten, werden wir ermitteln, was gerade gebraucht wird, im Supermarkt eine entsprechende Bestellung aufgeben, alles abholen und es dann auch teilweise mitverteilen.“Unterstützt wird der Expat von einem kleinen Team seiner Hotelmitarbeiter.
Es ist nicht das erste Mal, dass der 52-Jährige seinen Mitmenschen in Krisenzeiten unter die Arme greift. Nach der Tsunamikatastrophe im Jahr 2004, bei der auch eine Luxemburgerin und ihre Tochter ihr Leben verloren, sammelte der Hotelmanager gemeinsam mit seinem Bekannten Roby Fehlen Spenden, um den Fischern vor Ort neue Boote zu finanzieren. Eine Aktion, die von überraschendem Erfolg gekrönt war: „Wir haben damals gehofft, ein oder zwei Boote bauen zu können“, sagt Baltes. „Doch dann sind über 300 000 Euro zusammengekommen, wovon wir über 80 Boote gebaut haben.“Seither prangt auf dem Bug manches thailändischen Kahns ein exotisch anmutender Name wie etwa „Eechternoacher Pompjeeën“.
Soziale Take-away-station
Jetzt, 16 Jahre später, will Baltes wieder helfen. Woher seine soziale Ader rührt, hat sich der 52-Jährige bislang jedoch noch nie gefragt. „Sie ist einfach da“, meint er. „Wir als Ausländer sind hier gut integriert und führen ein relativ gutes Leben. Da will man automatisch helfen, wenn Hilfe gebraucht wird.“
Neben den Verteilaktionen von Seiten des Bürgermeisters und der „Rawai Love Heart Group“, deren Bemühungen man auf Facebook verfolgen kann, hat der Hotelmanager auch ein eigenes kleines Hilfsprojekt initiiert: „Neben der Hotelanlage haben wir ein Regal aufgestellt, das die, die es sich leisten können, mit getrockneten Lebensmitteln, Wasser und anderen Artikeln des täglichen Bedarfs befüllen können. Wer etwas braucht, kann sich dann dort bedienen.“Die Idee stamme aus Thailands Hauptstadt Bangkok und laut Baltes soll es noch einige weitere Inselbewohner geben, die sich daran ein Beispiel genommen haben.
Die Krise machte sich schon rund ums Chinesische Neujahr bemerkbar.
Wer das Projekt „Food for Rawai“finanziell unterstützen will, kann seine Spende mit dem Vermerk „Food for Rawai from Luxembourg“auf das nach wie vor aktive Konto „Fehlen R./projet Fishingboat“mit der IBAN LU70 0019 1955 7931 4000 überweisen.