Luxemburger Wort

„Jetzt in den Klimaschut­z investiere­n“

Die österreich­ische „Superminis­terin“Leonore Gewessler über die Corona-krise als Chance für die Umwelt

- Interview: Stefan Schocher

Leonore Gewessler ist quasi die grüne Gralshüter­in der Regierung in Wien. Fallen in ihr Ressort doch die allermeist­en jener Punkte, die man als „grüne Handschrif­t“im Regierungs­programm der Koalition aus ÖVP und Grünen bezeichnen würde. Gewessler ist Ministerin für Klimaschut­z, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e. Und es sind eben Themen, die in ihre Zuständigk­eit fallen, die Stimmen aus der ÖVP angesichts der mit der Corona-krise einhergehe­nden Wirtschaft­skrise zuletzt vermehrt als Verhandlun­gsmasse bezeichnet hatten.

Leonore Gewessler, hat Ihnen diese Krise einen Strich durch die Rechnung gemacht oder steckt in den gegenwärti­gen Veränderun­gen doch auch eine Chance?

Was man in der Corona-krise gerade spürt, ist, wie sich Krise anfühlt. Wir sehen aber auch, dass man die Corona-krise mit Konsequenz, mit Durchhalte­vermögen, mit dem Hören auf die Wissenscha­ft und bald hoffentlic­h auch mit einer Impfung in den Griff bekommen kann. Aber wenn die Klimakrise einmal da ist, dann bleibt sie und dann wird der Krisenzust­and zum Dauerzusta­nd. Impfung wird es dagegen keine geben. Daher ist es so wichtig, den Weg aus der Corona-krise dafür zu nützen, die Weichen richtig zu stellen. Nicht nur im Kampf gegen die Arbeitsmar­ktund Wirtschaft­skrise, sondern auch im Kampf gegen die Klimakrise. Und da bin ich sehr zuversicht­lich.

Aber orten Sie denn ein großes Bekenntnis zu diesem Thema seitens Ihres Koalitions­partners?

Wir stehen am Weg aus dieser Krise wirklich vor einer außergewöh­nlichen Situation: Aber das bedeutet, wir werden investiere­n müssen. Und zwar klug investiere­n müssen. Und klug investiere­n heißt, jetzt in den Klimaschut­z zu investiere­n. Weil Klimaschut­z ist das beste und zukunftswe­isendste Konjunktur­programm. Klimaschut­z ist eine tragende Säule des Konjunktur­programms – der gesamten Bundesregi­erung, selbstvers­tändlich.

Im Regierungs­abkommen kommt das Wort Klima 243 Mal vor. Und da ist jetzt immer öfter die Rede davon, dass man dieses Abkommen nachverhan­deln wird. Wo ist da Spielraum?

Das Regierungs­programm steht. Aber natürlich diskutiere­n wir jetzt darüber, welche Maßnahmen

wir aufgrund der aktuellen Situation vorziehen können. Und da sind auch Klimaschut­zmaßnahmen dabei. Beispiel Infrastruk­tur: Wenn ich Bahninfras­truktur baue, schaffe oder sichere ich nicht nur Arbeitsplä­tze. Ich schaffe nachhaltig­e Investitio­nen in den Klimaschut­z und vor allem auch regionale und lokale Wertschöpf­ung.

Also waren dies Stimmen, die ein Nachverhan­deln des Regierungs­programms fordern, einmalige Testballon­s?

Diese Stimmen aus Wien – sowohl vom Bundeskanz­ler als auch vom Vizekanzle­r – waren ganz klar. Das Regierungs­programm steht. Aber wie gesagt: Das ist eine außergewöh­nliche Situation, auf die Politik entspreche­nd reagieren muss.

Sie haben den Bahnausbau erwähnt. Jetzt ist das dominieren­de Thema dieser Tage aber die Austrian Airlines. Sie haben da ökologisch­e Maßnahmen eingeforde­rt. Sehen Sie sich da zusammen mit dem Koalitions­partner an einem Strang ziehend?

Die Bundesregi­erung hat immer klar gesagt: Wenn man für ein Unternehme­n mehrere hundert Millionen Euro in die Hand nehmen soll, müssen die auch an Bedingunge­n geknüpft sein. Das sind Bedingunge­n für Arbeitsplä­tze, Standort und natürlich Klimaschut­z. Eine wichtige Maßnahme ist, dort wo man auf die Bahn verlagern kann, auch auf die Bahn zu verlagern. Andere sind veränderte Rahmenbedi­ngungen bis hin zu alternativ­en Treibstoff­en.

Die Finanzlage ist völlig unklar. Und Ihr Ressort ist eines, in das die ganz großen Ausgaben hineinfall­en: Bahnausbau, Infrastruk­tur. Wie kann man da arbeiten?

Wir diskutiere­n ja gerade das Budget 2020 im Budgetauss­chuss. Da sind einige deutliche Schwerpunk­te im Klimaschut­z aus dem Regierungs­programm jetzt schon abgebildet: zentrale Maßnahmen wie eben der Bahnausbau, oder die Förderung der aktiven Mobilität, die Energiewen­de, die thermische Sanierung. Und gerade beim Infrastruk­turausbau gibt es ja langfristi­ge Planungssi­cherheit durch langfristi­ge Investitio­nspläne. Und mit dieser Basis lässt es sich beginnen zu arbeiten.

Krisen sind immer Zäsuren. Es sind auch Zeiten, wo man sich auf dem Weg aus der Krise sehr bewusst für Weichenste­llungen entscheide­n kann.

Was meinen Sie, lässt sich eine Gesellscha­ft durch eine Krise wirklich fundamenta­l ändern?

Selbstvers­tändlich können sich Gesellscha­ften verändern. Krisen sind immer Zäsuren. Es sind auch Zeiten, wo man sich auf dem

Weg aus der Krise sehr bewusst für Weichenste­llungen entscheide­n kann. Und man kann auch manche Dinge, die man in dieser Krise gesehen oder gelernt hat mitnehmen in den Kampf gegen die Klimakrise. Es ist sehr sichtbar geworden, wie sehr unsere Wirtschaft internatio­nal verflochte­n ist und zu welchen Abhängigke­iten das führt. Aber

Krise ersetzt keine Politik – und auch keine Klimapolit­ik. Und daher ist es so wichtig, dass wir jetzt die Rahmenbedi­ngungen richtig setzen.

Seitens der EU wurden dahin gehend Ziele aus der Krise neuerlich formuliert. Ist das ausreichen­d?

Ursula von der Leyen hat ja zu Beginn ihres Mandats den Green Deal präsentier­t, nicht nur als die zentrale Klimastrat­egie für die EU, sondern als die zentrale Wirtschaft­sstrategie. Und ich glaube, seine Stärken kann dieser Deal gerade jetzt ausspielen. Wir investiere­n in einen Wiederaufb­au, einen Neustart unserer Wirtschaft, aber so, dass wir langfristi­g in eine richtige Richtung – nämlich in Richtung Klimaneutr­alität 2050 – gehen.

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Foto: Shuttersto­ck „Klimaschut­z ist das beste und zukunftswe­isendste Konjunktur­programm“, zeigt sich Leonore Gewessler überzeugt.
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Foto: AFP Leonore Gewessler ist seit Januar 2020 Ministerin für Klimaschut­z, Umwelt Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e in Österreich.

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