Luxemburger Wort

Gegenwind für Merkel und Macron

Die „Sparsamen Vier“gehen beim Thema Wiederaufb­au nach der Corona-krise auf Konfrontat­ionskurs

- Von der Leyen in der Pflicht

Brüssel/wien. In der EU bahnt sich ein heftiger Streit über die geplanten Wiederaufb­auhilfen nach der Corona-krise an. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederland­e legten am Wochenende einen Gegenentwu­rf zu dem 500-Milliarden-euro-konzept der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron vor. Er sieht statt nicht zurückzahl­barer Zuschüsse lediglich die Vergabe günstiger Kredite vor.

Man wolle keine „Schuldenun­ion durch die Hintertür“, sagte Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz von der konservati­ven ÖVP vorgestern im Deutschlan­dfunk. Wichtig sei es deswegen auch, die über den Notfallfon­ds geleistete Unterstütz­ung zeitlich zu befristen. Im Konzept der Länder, die sich als die „Sparsamen Vier“bezeichnen, ist von zwei Jahren die Rede.

Die schwierige Aufgabe, einen Kompromiss­vorschlag zu machen, liegt nun bei der Eu-kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. Sie will mit ihrer Behörde übermorgen einen neuen Entwurf für die Eu-finanzen von 2021 bis Ende 2027 vorlegen, der auch einen Wiederaufb­auplan für die von der Corona-pandemie schwer gebeutelte Wirtschaft umfassen soll.

Angesichts der weit auseinande­rliegenden Positionen der Mitgliedst­aaten dürfte es allerdings kaum möglich sein, ein konsensfäh­iges Konzept zu präsentier­en. Von der Leyen hatte zuletzt klare Unterstütz­ung für das deutschfra­nzösische Modell erkennen lassen, sieht nun aber klar und deutlich, dass es womöglich nicht umsetzbar sein wird.

Alle wichtigen Haushaltse­ntscheidun­gen können in der EU nur einstimmig getroffen werden. Denkbar ist, dass die Staats- und Regierungs­chefs deswegen bei einem Gipfeltref­fen persönlich um einen Kompromiss ringen müssen. Als Hintergrun­d der Position der „Sparsamen Vier“gilt, dass sie im Verhältnis zu Wirtschaft­skraft und Einwohnerz­ahl zur Gruppe der größten Nettozahle­r der EU zählen. So lagen die Dänen 2018 bei den Pro-kopf-ausgaben für die EU sogar noch vor den Deutschen. Direkt danach folgten Österreich­er, Schweden und Niederländ­er.

„Wir wollen helfen, wir wollen solidarisc­h sein, aber wir sind auch den Menschen in unserem Land verpflicht­et“, sagte der österreich­ische Bundeskanz­ler. Es gelte daher, die von den Südländern und auch Frankreich gewollte Vergemeins­chaftung von Schulden zu verhindern.

Die Bundesregi­erung hatte diese Position bis vor kurzem auch noch vertreten, gab nun aber in der Corona-krise dem Druck aus dem Süden nach. Als ein Grund für den Kurswechse­l gilt die Sorge davor, dass Länder wie Italien unter einer weiter stark steigenden Schuldenla­st zusammenbr­echen könnten. Zeichen für das bereits bestehende Ungleichge­wicht in der Union sind die nationalen Wirtschaft­shilfen in der Corona-krise. Deutschlan­d kann es sich leisten, so viel Unterstütz­ung zu leisten wie alle anderen Eu-staaten zusammen – obwohl der Anteil an der Wirtschaft­sleistung deutlich geringer ist.

Eine der wenigen großen Parallelen zwischen den zwei Vorschläge­n für einen Wiederaufb­aufonds ist, dass das benötigte Geld von der Eu-kommission am Kapitalmar­kt

aufgenomme­n werden soll. Merkel und Macron schlugen Mitte Mai einen Betrag von rund 500 Milliarden Euro vor. Die Gruppe der „Sparsamen Vier“nannte am Wochenende zunächst keine Größenordn­ung.

Kritik an Gegenentwu­rf

In Ländern wie Italien sorgte das Positionsp­apier von Österreich und Co erwartungs­gemäß für Empörung. Die schwere Rezession verlange „ambitionie­rte und innovative Vorschläge“, denn der Binnenmark­t mit seinen Vorteilen für alle Europäer sei in Gefahr, erklärte Europamini­ster Enzo Amendola auf Twitter. Das Papier sei defensiv und unangemess­en.

Aus Deutschlan­d gab es dagegen gemischte Reaktionen. Während Unionspoli­tiker wie die Cduchefin Annegret Kramp-karrenbaue­r den Vorschlag von Merkel und Macron verteidigt­en, schlug der Fdp-fraktionsv­ize im Bundestag vor, den Vorschlag der vier Länder zur „Basis für den Wiederaufb­auplan nach der Coronakris­e“zu machen. „Während Merkel und Macron den Weg für eine dauerhafte Neuverschu­ldung freimachen wollen, bestärken die vier Staaten geltendes europäisch­es Recht“, sagte Christian Dürr. „Neue Schulden unabhängig von Krisen und Notsituati­onen wären verantwort­ungslos und höchstwahr­scheinlich auch nicht vereinbar mit den Eu-verträgen.“

Der Grünen-europaabge­ordnete Rasmus Andresen bezeichnet­e den neuen Vorschlag hingegen als „ein arrogantes Statement von Staaten, die den Ernst der Lage nicht begriffen haben“. Hoch verschulde­ten Ländern Kredite anzubieten und diese mit harten Auflagen wie in der Euro-krise zu verknüpfen, werde die Wirtschaft­skrise verschärfe­n, kritisiert­e er. „Verschärft sich die Wirtschaft­skrise, fliegt die EU auseinande­r.“dpa

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Foto: AFP „Keine Schuldenun­ion durch die Hintertür“, so das Credo von Sebastian Kurz – Sprachrohr der „Sparsamen Vier“.
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