„Spanien erwartet euch“
Premierminister Pedro Sánchez will ab Juli wieder ausländische Touristen ins Land lassen
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat vorgestern bei einem Presseauftritt allen „alten Freunden und neuen Besuchern“eine Botschaft verkündet: „Spanien erwartet euch im Juli.“Ausländische Touristen könnten „ab sofort ihren Urlaub in unserem Land planen“. Dem touristischen Fachblatt preferente.com war die Nachricht eine Eilmeldung wert: „Euphorie: Im Juli werden sich die Grenzen ohne Beschränkungen öffnen.“
Wahrscheinlich ist die Euphorie noch verfrüht – zu viele Ungewissheiten stehen vor der Wiedereröffnung Spaniens für Touristen aus aller Welt –, aber sie ist verständlich. In gewöhnlichen Zeiten trägt der Tourismus fast ein Achtel, 12,3 Prozent, zur spanischen Wirtschaftsleistung bei, zurzeit aber: null Prozent. Seit Ausrufung des Alarmzustands wegen der Covid-19-pandemie Mitte März sind Hotels und Gaststätten geschlossen. Mit ersten vorsichtigen Ausnahmen: In einigen Gegenden Spaniens dürfen seit zwei Wochen Straßencafés und Restaurants unter freiem Himmel öffnen, im Rest des Landes ab heute, aber vorerst überall nur mit halber Belegschaft. Reisen über Provinzgrenzen hinweg sind grundsätzlich noch nicht erlaubt, Einreisen aus dem Ausland auch nicht. Dass das Urlaubergeschäft ab Juli wieder richtig losgehen soll, scheint im Moment noch wie ein ferner Traum.
Keine schnelle Öffnung
Spanien war bisher zurückhaltend mit Ankündigungen über künftige touristische Freiheiten. Während deutsche Fluggesellschaften und Reiseveranstalter schon Mallorcapläne für den Juni machten, gab sich die Sánchez-regierung verschlossen. Auch das ist verständlich: Indem die spanischen Gesundheitsverantwortlichen im Februar die aufziehende Krise nicht ernst nahmen, trugen sie zu ihrer dramatischen Verschärfung bei. Kaum ein zweites Land der
Welt hat so viele Corona-tote im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu beklagen wie Spanien. Die Regierung will sich nun kein zweites Mal Sorglosigkeit vorwerfen lassen. „Unser Handeln darf nicht von Angst bestimmt sein“, sagte Sánchez,
„aber von äußerster Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein.“Das bedeutet: keine schnelle Öffnung.
Dass Sánchez nun überhaupt Tourismus im Juli ankündigt, ist dem Druck der Reiseindustrie geschuldet. Die fühlte sich von der Regierung vernachlässigt. Als der Ministerpräsident Anfang Mai den Vier-phasen-plan für die langsame Lockerung der überaus strengen Ausgangsbeschränkungen bekannt gab, nannte er Ende Juni als mutmaßlichen Termin für die „neue Normalität“im Lande. Im Prinzip war damit klar, dass auch wieder ausländische Besucher ins Land reisen dürften. Aber eben nur im Prinzip. „Wir erwarten euch, macht Urlaubspläne in Spanien“, ist eine deutlichere Ansage.
Unklarheit trotz Ankündigung
Dennoch ist weiterhin offen, unter welchen Bedingungen die Gäste denn kommen dürfen. „Wir werden garantieren, dass es für die Touristen kein Risiko sein wird, hierherzukommen“, sagte Sánchez, „noch, dass sie Risiken in unser Land bringen werden.“Der zweite Teil ist von der spanischen Regierung noch schwerer zu garantieren als der erste, weswegen jetzt mit den Eu-partnern über „sichere Korridore“verhandelt wird, deren Beschaffenheit aber noch niemand kennt. „Man muss sich beeilen“, sagte José Luis Zoreda vom Lobbyverband der spanischen Tourismusindustrie, Exceltur, zur katalanischen Zeitung El Periódico. „Wenn es keine europäische Einigung gibt, was das Ideale wäre, dann doch so schnell wie möglich bilaterale Abkommen.“
Die Industrie macht Druck, weil sie den totalen Zusammenbruch fürchtet. Vor dem hat sie bisher der Staat bewahrt. Sánchez stellte vorgestern erstmals Zahlen vor: Die Tourismusindustrie habe mehr als jeder andere Wirtschaftszweig von den staatlich verbürgten Sonderkrediten profitiert und auf diesem Weg bisher 6,44 Milliarden Euro erhalten. Zugleich bekämen knapp 920 000 Beschäftigte des Gastgewerbes Kurzarbeitergeld. Ob sie im Juli wieder ausländische Gäste bedienen werden, hängt nicht nur vom Willen der Regierung ab, sondern vor allem vom weiteren Verlauf der Corona-pandemie.