Der Maskenkrieg
Trotz fast 100 000 Covid-19-toten macht Donald Trump eine Gesundheitsfrage zur jüngsten Front im Kulturkampf der Amerikaner
Die Gouverneurin von Michigan forderte ihn dazu auf, wie auch die Generalstaatsanwältin des Bundesstaates und die Manager des Autobauers, die den Präsidenten durch die kürzlich umgerüstete Ford-fabrik von Ypsilanti führten. Doch Trump wollte sich in der Öffentlichkeit partout nicht mit Maske zeigen. Selbst nicht in einem Werk, das neuerdings persönliche Schutzausrüstung und Beatmungsmaschinen für die Covid-19pandemie produziert.
„Ich gebe der Presse nicht das Vergnügen, es zu sehen“, erklärte der Präsident, warum er sich weder bei der Ankunft der Air Force One auf dem Flughafen von Detroit noch in der Fabrik an die Regeln des von der Pandemie besonders stark betroffenen Bundesstaates hielt. „Er verhält sich wie ein ungezogenes Kind“, beklagte Generalstaatsanwältin Dana Nessel das Verhalten Trumps.
Später zirkulierte die demokratische Kongressabgeordnete Jackie Speier ein Foto, das den Präsidenten hinter den Kulissen mit einer Maske zeigt. „OMG (Oh mein Gott)!“, twitterte sie über das kompromittierende Bild. „Er hat wirklich eine getragen.“Kompromittierend deshalb, weil Trump das Tragen einer Maske zur jüngsten Front in Amerikas zersetzenden Kulturkämpfen gemacht hat. Bereits an dem April-tag, an dem seine eigene Gesundheitsbehörde CDC die unter Experten unstrittige Empfehlung gab, Masken zu tragen, um andere zu schützen, erklärte der Präsident, „ich kann mir
Speakerin Nancy Pelosi macht das Tragen der Maske zu einem Modestatement. nicht vorstellen, dies zu tun.“Die verdeckte Botschaft dieses Verhaltens richtet sich, so der Soziologe Bradford Wilcox von der „University of Virginia“an Trumps konservative Basis weißer Männer. Diese betrachteten das Einhalten von sozialem Abstand und das Tragen von Masken als „Ausdruck der Feigheit und lehnen es als unmännlich ab“.
Pelosi als Gegenentwurf zu Trump Maske gleich Schwäche – diese gefährliche Ausprägung von Maskulinität hilft zu erklären, warum Ehefrau Melania und Tochter Ivanka sich mit dem Gesichtsschutz in der Öffentlichkeit zeigen, nicht aber Trump selbst. Die Speakerin im Kongress, Nancy Pelosi, setzt mit ihren farblich abgestimmten Masken einen Kontrapunkt
zur Weigerung des Präsidenten, indem sie den Ansteckungsschutz zum Modestatement macht.
Die Amerikaner haben die verdeckten Botschaften ihres politischen Führungspersonals längst dechiffriert. Während im liberalen Kalifornien fast alle Maske tragen, gilt das in der Trump-hochburg Alabama als Zeichen der Schwäche. In aktuellen Umfragen befürworten im Schnitt 75 Prozent der Demokraten eine Maskenpflicht, die nur bei 53 der Republikaner Unterstützung findet.
Die Politisierung der Pandemie hat ihren Preis. Nirgendwo sonst breitet sich der Erreger so schnell aus wie in den USA, die mit mehr als 1,5 Millionen Infizierten und bald 100 000 Toten weltweit an der Spitze liegen.