Kontrolle ist schwer, Vertrauen ist besser
Mit vielen Mitarbeitern im Homeoffice setzen Arbeitgeber zunehmend auf digitale Überwachung
Die Krise zwingt gerade viele Unternehmen zu einem Experiment. Denn sie müssen über Nacht ausprobieren, ob ihre Geschäftsprozesse auch funktionieren, wenn ein Großteil ihrer Mitarbeiter von zu Hause arbeitet. Das trifft insbesondere auf die luxemburgische Ökonomie mit ihrem Schwerpunkt auf Finanzen und Dienstleistungen zu. So schätzt die Statistikbehörde Statec, dass aktuell etwa 69 Prozent der Arbeitnehmer im Großherzogtum im Homeoffice arbeiten.
Einigen Arbeitgebern fällt diese Umstellung leichter als anderen. Viele hatten schon längst eine Homeoffice-kultur mit entsprechender Infrastruktur aufgebaut. Aber noch wichtiger als die Verfügbarkeit von sicheren Vpn-netzwerken und Kollaborationssoftware ist eine zentrale Ressource, die derzeit vielen Chefs noch fehlt: das Vertauen in die Mitarbeiter. Waren sie es bisher gewohnt, zumindest die physische Anwesenheit ihrer Angestellten kontrollieren zu können, argwöhnen nun viele, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeitsmoral in den heimischen vier Wänden schleifen lassen.
Digitale Hilfsmittel
Vorgesetzte, die der Devise „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“folgen, setzen daher in der Krise zunehmend auf elektronische Hilfsmittel, um die Arbeitstätigkeit ihrer Untergebenen zu überwachen. Ein Beispiel ist die Software „Sneek“, die so programmiert werden kann, dass die Webcam des Computers alle fünf Minuten ein Foto des Mitarbeiters macht und so dokumentiert, ob er wie gefordert am Rechner sitzt. Noch einen Schritt weiter geht ein Programm der amerikanischen Firma Hubstaff, das Schnappschüsse der Webseiten und der Dokumente macht, die der Mitarbeiter geöffnet hat. Der Vorgesetzte erhält täglich Updates über die Aktivitäten seiner Angestellten und eine automatisch erzeugte Einschätzung seiner Produktivität. Hubstaff sagte kürzlich der New York Times, dass sich die Zahl der Unternehmen, die die Lösung ausprobieren, seit März verdreifacht hat.
Auch jenseits von Bürotätigkeiten nimmt die elektronische Kontrolle von Arbeitnehmern in der Corona-krise zu. So überprüft Amazon in deutschen Logistikzentren mithilfe von Kameras, ob seine Mitarbeiter die Abstandsregeln einhalten. Das begründet der Konzern mit der Sorge um die Gesundheit seiner Mitarbeiter, aber Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter befürchten, dass so durch die Hintertür neue automatisierte Methoden eingeführt werden, um die Arbeitsleistung der Mitarbeiter zu kontrollieren.
Im Gegensatz zu den USA sind der Überwachung durch Unternehmen aber in Luxemburg durch den Gesetzgeber und nicht zuletzt durch die europäische Datenschutz-grundverordnung (DSGVO) enge Grenzen gesetzt. Für jede Maßnahme, die in die Privatsphäre eines Mitarbeiters eingreift, ist ein stichhaltiger rechtlicher Grund notwendig. Für Sandra Dury, die luxemburgische Firmen zum Thema Datenschutz berät, stellt die aktuelle Sondersituation keine hinreichende Begründung für verstärkte Überwachungsschritte dar. „Nur weil jemand jetzt im Homeoffice arbeitet, heißt das keinesfalls, dass ich ihn verpflichten kann, permanent seine Webcam einzuschalten und dann Bilder zu machen“, sagt sie. Selbst die Einwilligung des Arbeitnehmers zu solchen Kontrollmaßnahmen ändert nichts an der Rechtswidrigkeit des Vorgehens. „Mitarbeiter und Arbeitgeber haben immer ein bestimmtes Machtverhältnis. Deshalb wird auch von den Aufsichtsbehörden angenommen, dass eine Einwilligung nicht wirklich freiwillig ist, weil der Angestellte diese möglicherweise nur erteilt, weil er Angst um seinen Arbeitsplatz hat“, so Dury.
Aber nur weil diese Form der elektronischen Überwachung in Luxemburg nicht zulässig ist, heißt das nicht zwangsläufig, dass solche Fälle nicht vorkommen. Dury nennt das Beispiel eines Unternehmens, das seine Telefone durch ein rein computergestütztes Videotelefoniesystem ersetzt hat. „Das wurde auch eingesetzt, um Mitarbeiter zu überwachen. Der Chef konnte sich auf alle PCS raufschalten und sich anschauen, was seine Angestellten gerade machen“, sagt Dury.
Legitime Überwachung
Dabei gibt es durchaus Fälle, in denen es mit den Datenschutzrichtlinien vereinbar ist, die Rechner der Mitarbeiter zu durchsuchen. So können Unternehmen zu diesem Mittel greifen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen oder wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Mitarbeiter dem Betrieb aktiv schadet. „Wenn sich [...] Hinweise und Verdachtsfälle ergeben, kann der Arbeitgeber die Überwachung verstärken und individualisierte Überprüfungen durchführen“, schreibt die Nationale Kommission für den Datenschutz (CNPD) auf ihrer Webseite.
In diesem Fall darf der Arbeitgeber zum Beispiel das E-mailpostfach eines Angestellten kontrollieren. Aber auch dann sollten die Unternehmen äußerst bedacht vorgehen „Es sollten vorher genau die Schlagworte definiert sein, nach denen gesucht wird, es gilt das Vieraugen-prinzip und alles sollte genau protokolliert werden. Mails, die als ,privat‘ gekennzeichnet sind, dürfen auch dann nicht geöffnet werden“, so Dury.
Die Unternehmen dürfen ihre Mitarbeiter nicht über diese Aktivitäten im Unklaren lassen. „Die Angestellten müssen eindeutig über die Zwecke informiert werden, die mit solch einer Maßnahme verfolgt werden. Dabei muss der Arbeitgeber auch darlegen, worin das ,berechtigte Interesse‘ besteht, das er hat, um so einen Eingriff zu rechtfertigen“, sagt der Rechtsanwalt Martin Kerz, ein Experte im Bereich Datenschutz.
Wenn man als Angestellter den Verdacht hegt, dass der Arbeitgeber die eigenen Aktivitäten widerrechtlich ausspäht, rät Kerz, dass er erst mal von seinem Informationsrecht Gebrauch macht. „Die Unternehmen sind verpflichtet, die Mitarbeiter über die Verwendung ihrer Daten zu unterrichten. Wenn man die Informationen nicht bekommt oder man merkt, dass sie nicht richtig oder unzureichend sind, kann der Arbeitnehmer sich an die Personalvertretung wenden. Wenn das alles nichts gebracht hat, sollte er sich an die CNPD wenden“, sagt Kerz.
Die rechtlichen Hürden für Unternehmen in Luxemburg, die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter zu überwachen, sind also sehr hoch und ihre Kontrollmöglichkeiten begrenzt. Die günstigste und effizienteste Methode gute Arbeitsergebnisse sicherzustellen, dürfte also darin bestehen, den Angestellten zu vertrauen.
In Luxemburg sind der Überwachung enge gesetzliche Grenzen gesetzt.