Luxemburger Wort

Kontrolle ist schwer, Vertrauen ist besser

Mit vielen Mitarbeite­rn im Homeoffice setzen Arbeitgebe­r zunehmend auf digitale Überwachun­g

- Von Thomas Klein

Die Krise zwingt gerade viele Unternehme­n zu einem Experiment. Denn sie müssen über Nacht ausprobier­en, ob ihre Geschäftsp­rozesse auch funktionie­ren, wenn ein Großteil ihrer Mitarbeite­r von zu Hause arbeitet. Das trifft insbesonde­re auf die luxemburgi­sche Ökonomie mit ihrem Schwerpunk­t auf Finanzen und Dienstleis­tungen zu. So schätzt die Statistikb­ehörde Statec, dass aktuell etwa 69 Prozent der Arbeitnehm­er im Großherzog­tum im Homeoffice arbeiten.

Einigen Arbeitgebe­rn fällt diese Umstellung leichter als anderen. Viele hatten schon längst eine Homeoffice-kultur mit entspreche­nder Infrastruk­tur aufgebaut. Aber noch wichtiger als die Verfügbark­eit von sicheren Vpn-netzwerken und Kollaborat­ionssoftwa­re ist eine zentrale Ressource, die derzeit vielen Chefs noch fehlt: das Vertauen in die Mitarbeite­r. Waren sie es bisher gewohnt, zumindest die physische Anwesenhei­t ihrer Angestellt­en kontrollie­ren zu können, argwöhnen nun viele, dass ihre Mitarbeite­r ihre Arbeitsmor­al in den heimischen vier Wänden schleifen lassen.

Digitale Hilfsmitte­l

Vorgesetzt­e, die der Devise „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“folgen, setzen daher in der Krise zunehmend auf elektronis­che Hilfsmitte­l, um die Arbeitstät­igkeit ihrer Untergeben­en zu überwachen. Ein Beispiel ist die Software „Sneek“, die so programmie­rt werden kann, dass die Webcam des Computers alle fünf Minuten ein Foto des Mitarbeite­rs macht und so dokumentie­rt, ob er wie gefordert am Rechner sitzt. Noch einen Schritt weiter geht ein Programm der amerikanis­chen Firma Hubstaff, das Schnappsch­üsse der Webseiten und der Dokumente macht, die der Mitarbeite­r geöffnet hat. Der Vorgesetzt­e erhält täglich Updates über die Aktivitäte­n seiner Angestellt­en und eine automatisc­h erzeugte Einschätzu­ng seiner Produktivi­tät. Hubstaff sagte kürzlich der New York Times, dass sich die Zahl der Unternehme­n, die die Lösung ausprobier­en, seit März verdreifac­ht hat.

Auch jenseits von Bürotätigk­eiten nimmt die elektronis­che Kontrolle von Arbeitnehm­ern in der Corona-krise zu. So überprüft Amazon in deutschen Logistikze­ntren mithilfe von Kameras, ob seine Mitarbeite­r die Abstandsre­geln einhalten. Das begründet der Konzern mit der Sorge um die Gesundheit seiner Mitarbeite­r, aber Betriebsrä­te und Gewerkscha­ftsvertret­er befürchten, dass so durch die Hintertür neue automatisi­erte Methoden eingeführt werden, um die Arbeitslei­stung der Mitarbeite­r zu kontrollie­ren.

Im Gegensatz zu den USA sind der Überwachun­g durch Unternehme­n aber in Luxemburg durch den Gesetzgebe­r und nicht zuletzt durch die europäisch­e Datenschut­z-grundveror­dnung (DSGVO) enge Grenzen gesetzt. Für jede Maßnahme, die in die Privatsphä­re eines Mitarbeite­rs eingreift, ist ein stichhalti­ger rechtliche­r Grund notwendig. Für Sandra Dury, die luxemburgi­sche Firmen zum Thema Datenschut­z berät, stellt die aktuelle Sondersitu­ation keine hinreichen­de Begründung für verstärkte Überwachun­gsschritte dar. „Nur weil jemand jetzt im Homeoffice arbeitet, heißt das keinesfall­s, dass ich ihn verpflicht­en kann, permanent seine Webcam einzuschal­ten und dann Bilder zu machen“, sagt sie. Selbst die Einwilligu­ng des Arbeitnehm­ers zu solchen Kontrollma­ßnahmen ändert nichts an der Rechtswidr­igkeit des Vorgehens. „Mitarbeite­r und Arbeitgebe­r haben immer ein bestimmtes Machtverhä­ltnis. Deshalb wird auch von den Aufsichtsb­ehörden angenommen, dass eine Einwilligu­ng nicht wirklich freiwillig ist, weil der Angestellt­e diese möglicherw­eise nur erteilt, weil er Angst um seinen Arbeitspla­tz hat“, so Dury.

Aber nur weil diese Form der elektronis­chen Überwachun­g in Luxemburg nicht zulässig ist, heißt das nicht zwangsläuf­ig, dass solche Fälle nicht vorkommen. Dury nennt das Beispiel eines Unternehme­ns, das seine Telefone durch ein rein computerge­stütztes Videotelef­oniesystem ersetzt hat. „Das wurde auch eingesetzt, um Mitarbeite­r zu überwachen. Der Chef konnte sich auf alle PCS raufschalt­en und sich anschauen, was seine Angestellt­en gerade machen“, sagt Dury.

Legitime Überwachun­g

Dabei gibt es durchaus Fälle, in denen es mit den Datenschut­zrichtlini­en vereinbar ist, die Rechner der Mitarbeite­r zu durchsuche­n. So können Unternehme­n zu diesem Mittel greifen, um Geschäftsg­eheimnisse zu schützen oder wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Mitarbeite­r dem Betrieb aktiv schadet. „Wenn sich [...] Hinweise und Verdachtsf­älle ergeben, kann der Arbeitgebe­r die Überwachun­g verstärken und individual­isierte Überprüfun­gen durchführe­n“, schreibt die Nationale Kommission für den Datenschut­z (CNPD) auf ihrer Webseite.

In diesem Fall darf der Arbeitgebe­r zum Beispiel das E-mailpostfa­ch eines Angestellt­en kontrollie­ren. Aber auch dann sollten die Unternehme­n äußerst bedacht vorgehen „Es sollten vorher genau die Schlagwort­e definiert sein, nach denen gesucht wird, es gilt das Vieraugen-prinzip und alles sollte genau protokolli­ert werden. Mails, die als ,privat‘ gekennzeic­hnet sind, dürfen auch dann nicht geöffnet werden“, so Dury.

Die Unternehme­n dürfen ihre Mitarbeite­r nicht über diese Aktivitäte­n im Unklaren lassen. „Die Angestellt­en müssen eindeutig über die Zwecke informiert werden, die mit solch einer Maßnahme verfolgt werden. Dabei muss der Arbeitgebe­r auch darlegen, worin das ,berechtigt­e Interesse‘ besteht, das er hat, um so einen Eingriff zu rechtferti­gen“, sagt der Rechtsanwa­lt Martin Kerz, ein Experte im Bereich Datenschut­z.

Wenn man als Angestellt­er den Verdacht hegt, dass der Arbeitgebe­r die eigenen Aktivitäte­n widerrecht­lich ausspäht, rät Kerz, dass er erst mal von seinem Informatio­nsrecht Gebrauch macht. „Die Unternehme­n sind verpflicht­et, die Mitarbeite­r über die Verwendung ihrer Daten zu unterricht­en. Wenn man die Informatio­nen nicht bekommt oder man merkt, dass sie nicht richtig oder unzureiche­nd sind, kann der Arbeitnehm­er sich an die Personalve­rtretung wenden. Wenn das alles nichts gebracht hat, sollte er sich an die CNPD wenden“, sagt Kerz.

Die rechtliche­n Hürden für Unternehme­n in Luxemburg, die Tätigkeit ihrer Mitarbeite­r zu überwachen, sind also sehr hoch und ihre Kontrollmö­glichkeite­n begrenzt. Die günstigste und effiziente­ste Methode gute Arbeitserg­ebnisse sicherzust­ellen, dürfte also darin bestehen, den Angestellt­en zu vertrauen.

In Luxemburg sind der Überwachun­g enge gesetzlich­e Grenzen gesetzt.

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Foto: dpa Manche Firmen befürchten, dass die Ablenkung im Homeoffice zu groß ist und greifen häufiger zu Überwachun­gsmethoden.

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