China mit höherer Verschuldung
Die Teilnehmer an den internationalen Kreditmärkten richteten zum Wochenschluss die Augen nach Asien
China will bei der Wirtschaftspolitik neue Wege beschreiten. Erstmals hat die Führung beim Volkskongress in Peking auf eine Festlegung des Wachstumsziels verzichtet. Die harten Folgen von Corona haben den Fokus der Partei auf ein schnelles Programm zur Erholung der Gesamtwirtschaft gelenkt. So rücken die konkreten Maßnahmen zur Stabilisierung des Arbeitsmarktes und die Bekämpfung der Armut in den Mittelpunkt. Für die kommenden Monate wird mit einem deutlichen Anstieg der Mittelaufnahme gerechnet: Bei den zweckgebundenen Anleihen der Lokalregierung – deren Erlöse primär für öffentliche Investitionsausgaben genutzt werden – geht man von einer Erhöhung des Volumens auf bis zu 3,75 Billionen Yuan aus. Das absolute Ziel bei den Corona-virusanleihen der Zentralregierung werde auf etwa zwei bis drei Billionen Yuan geschätzt. Insgesamt könnte sich der fiskalpolitische Stimulus auf fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen.
Offenbar setzt die Führung in Peking darauf, mit einer eigenen „Bazooka“die Wirtschaft schnell in Gang bringen zu wollen. Man rutschte als Erster in die Pandemie-krise und möchte idealerweise als Erster wieder erstarkt aus derselbigen hervorgehen. In vielen Branchen beginnt nur langsam die Aufhebung des Lockdowns, und die Kapazitäten sind nur streckenweise zwischen 30 und 50 Prozent ausgeschöpft. Trotz der schwierigen Lage sagte Premier Li zu, dass China das Handelsabkommen mit den USA einhalten wolle. „Wir werden mit den USA zusammenarbeiten, um das Phaseeins-abkommen umzusetzen.“China wolle weiterhin Wirtschafts
und Handelskooperationen mit anderen Staaten vorantreiben. Für den einheimischen Kreditmarkt bedeutet die neue Flut von Anleihen indes eine Verschärfung der Bedingungen am Kreditmarkt. Internationale Ökonomen verlangen seit Längerem einen deutlichen Schuldenabbau des chinesischen Privatsektors. Das geschwächte Bankensystem kann nur vage den Kreditfluss an die Unternehmen aufrechterhalten. Andererseits hat ein ranghoher Vertreter der staatlichen Planungsund Reformkommission, Cong Liang, am Wochenende erklärt, man wolle gezielt mit höherer Verschuldung die Corona-folgen bekämpfen und nehme deshalb die höhere Verschuldung in Kauf. China hatte 2019 nach Congs
Aussagen eine Verschuldung von 38,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Experten rechnen für das laufende Jahr mit einem Sprung auf etwa 45 Prozent.
Druck auf Schwellenländer
Bei den anderen Emerging Markets hatte sich die Türkei durch ihre Nähe zu Europa in den vergangenen Jahren trotz der Dominanz der Realpolitik mit einem Zick-zack-kurs stabilisieren können. Mit Zinssenkungen hat die Zentralbank mit Verweis auf die fallende Preissteigerung den Zins heruntergeschraubt. Die letzte Zinssenkung erfolgte am Donnerstag auf nunmehr 8,25 Prozent. Parallel hat Präsident Recep Erdogan immer wieder beteuert, gemeinsam mit der Notenbank dem internationalen Spekulantentum „das Handwerk zu legen“und die wirtschaftliche Sicherheit seines Landes zu behaupten. Nun drohen durch die harten Einschnitte wegen der Pandemie und ihrer Folgen dem Land ein Wirtschaftseinbruch und weiterer Verlust von Kreditwürdigkeit.
Der weltweite Druck auf die Währungen der Schwellenländer hat dazu ebenso beigetragen wie Berichte über stark geschrumpfte Währungsreserven des Landes am Bosporus. So war die türkische Lira regelmäßig im Fokus von Abwertungen. Für einen Euro mussten türkische Investoren am Freitag am Devisenmarkt 7,45 Lira bezahlen, unweit der Tiefststände der Valuta im August 2018 bei etwa 7,60. Stabilisierend wirken momentan noch Nachrichten über Devisenhilfen vom Gasexporteur Qatar. Diese werden von Fachleuten auf ein Volumen von umgerechnet 15 Milliarden Us-dollar geschätzt – für die Türkei ein wichtiger Faktor. Die Märkte spekulieren bereits über andere Devisenvereinbarungen mit ausländischen Zentralbanken wie beispielsweise der Bank of Japan oder People's Bank of China. Gleichzeitig hat die Erdogan-administration die Zölle auf viele Importwaren und Luxusgüter erhöht, um so Handelsströme zu steuern und mehr für den inländischen Konsum zu tun.
Am Devisenmarkt hatte es im Lira-handel im Frühsommer 2019 Maßnahmen der Regierung zur Beschränkung der Devisengeschäfte durch ausländische Finanzinstitute gegeben. Viele erlebten in der Folge mangelnde Liquidität. Die Banken selbst, aber auch ihre Kunden im Hintergrund, konnten nicht Leerverkaufspositionen eindecken. Folge waren heftige Verluste.
Die ausländischen Banken wie UBS, Citigroup und BNP Paribas, die lange Zeit im Lira-handel sehr rege waren, hatten regulatorische Beschränkungen in Kauf nehmen müssen. Nun hat sich die BNP Paribas aus dem Handel in der Valuta zurückgezogen. Die anderen Auslandsinstitute können momentan uneingeschränkt handeln. Die Ratingagentur Fitch hat die Einstufung staatlicher und privater türkischer Banken nach unten revidiert. Sie ist besorgt um die Anlagenqualität, Kapitalausstattung, Mittelzufluss und Liquidität. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hatte den türkischen Banken wegen des Corona-soforthilfepakets Mittel von mehr als 250 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.