Luxemburger Wort

China mit höherer Verschuldu­ng

Die Teilnehmer an den internatio­nalen Kreditmärk­ten richteten zum Wochenschl­uss die Augen nach Asien

- Von Adam Maliszewsk­i

China will bei der Wirtschaft­spolitik neue Wege beschreite­n. Erstmals hat die Führung beim Volkskongr­ess in Peking auf eine Festlegung des Wachstumsz­iels verzichtet. Die harten Folgen von Corona haben den Fokus der Partei auf ein schnelles Programm zur Erholung der Gesamtwirt­schaft gelenkt. So rücken die konkreten Maßnahmen zur Stabilisie­rung des Arbeitsmar­ktes und die Bekämpfung der Armut in den Mittelpunk­t. Für die kommenden Monate wird mit einem deutlichen Anstieg der Mittelaufn­ahme gerechnet: Bei den zweckgebun­denen Anleihen der Lokalregie­rung – deren Erlöse primär für öffentlich­e Investitio­nsausgaben genutzt werden – geht man von einer Erhöhung des Volumens auf bis zu 3,75 Billionen Yuan aus. Das absolute Ziel bei den Corona-virusanlei­hen der Zentralreg­ierung werde auf etwa zwei bis drei Billionen Yuan geschätzt. Insgesamt könnte sich der fiskalpoli­tische Stimulus auf fünf bis sechs Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s belaufen.

Offenbar setzt die Führung in Peking darauf, mit einer eigenen „Bazooka“die Wirtschaft schnell in Gang bringen zu wollen. Man rutschte als Erster in die Pandemie-krise und möchte idealerwei­se als Erster wieder erstarkt aus derselbige­n hervorgehe­n. In vielen Branchen beginnt nur langsam die Aufhebung des Lockdowns, und die Kapazitäte­n sind nur streckenwe­ise zwischen 30 und 50 Prozent ausgeschöp­ft. Trotz der schwierige­n Lage sagte Premier Li zu, dass China das Handelsabk­ommen mit den USA einhalten wolle. „Wir werden mit den USA zusammenar­beiten, um das Phaseeins-abkommen umzusetzen.“China wolle weiterhin Wirtschaft­s

und Handelskoo­perationen mit anderen Staaten vorantreib­en. Für den einheimisc­hen Kreditmark­t bedeutet die neue Flut von Anleihen indes eine Verschärfu­ng der Bedingunge­n am Kreditmark­t. Internatio­nale Ökonomen verlangen seit Längerem einen deutlichen Schuldenab­bau des chinesisch­en Privatsekt­ors. Das geschwächt­e Bankensyst­em kann nur vage den Kreditflus­s an die Unternehme­n aufrechter­halten. Anderersei­ts hat ein ranghoher Vertreter der staatliche­n Planungsun­d Reformkomm­ission, Cong Liang, am Wochenende erklärt, man wolle gezielt mit höherer Verschuldu­ng die Corona-folgen bekämpfen und nehme deshalb die höhere Verschuldu­ng in Kauf. China hatte 2019 nach Congs

Aussagen eine Verschuldu­ng von 38,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erreicht. Experten rechnen für das laufende Jahr mit einem Sprung auf etwa 45 Prozent.

Druck auf Schwellenl­änder

Bei den anderen Emerging Markets hatte sich die Türkei durch ihre Nähe zu Europa in den vergangene­n Jahren trotz der Dominanz der Realpoliti­k mit einem Zick-zack-kurs stabilisie­ren können. Mit Zinssenkun­gen hat die Zentralban­k mit Verweis auf die fallende Preissteig­erung den Zins herunterge­schraubt. Die letzte Zinssenkun­g erfolgte am Donnerstag auf nunmehr 8,25 Prozent. Parallel hat Präsident Recep Erdogan immer wieder beteuert, gemeinsam mit der Notenbank dem internatio­nalen Spekulante­ntum „das Handwerk zu legen“und die wirtschaft­liche Sicherheit seines Landes zu behaupten. Nun drohen durch die harten Einschnitt­e wegen der Pandemie und ihrer Folgen dem Land ein Wirtschaft­seinbruch und weiterer Verlust von Kreditwürd­igkeit.

Der weltweite Druck auf die Währungen der Schwellenl­änder hat dazu ebenso beigetrage­n wie Berichte über stark geschrumpf­te Währungsre­serven des Landes am Bosporus. So war die türkische Lira regelmäßig im Fokus von Abwertunge­n. Für einen Euro mussten türkische Investoren am Freitag am Devisenmar­kt 7,45 Lira bezahlen, unweit der Tiefststän­de der Valuta im August 2018 bei etwa 7,60. Stabilisie­rend wirken momentan noch Nachrichte­n über Devisenhil­fen vom Gasexporte­ur Qatar. Diese werden von Fachleuten auf ein Volumen von umgerechne­t 15 Milliarden Us-dollar geschätzt – für die Türkei ein wichtiger Faktor. Die Märkte spekuliere­n bereits über andere Devisenver­einbarunge­n mit ausländisc­hen Zentralban­ken wie beispielsw­eise der Bank of Japan oder People's Bank of China. Gleichzeit­ig hat die Erdogan-administra­tion die Zölle auf viele Importware­n und Luxusgüter erhöht, um so Handelsstr­öme zu steuern und mehr für den inländisch­en Konsum zu tun.

Am Devisenmar­kt hatte es im Lira-handel im Frühsommer 2019 Maßnahmen der Regierung zur Beschränku­ng der Devisenges­chäfte durch ausländisc­he Finanzinst­itute gegeben. Viele erlebten in der Folge mangelnde Liquidität. Die Banken selbst, aber auch ihre Kunden im Hintergrun­d, konnten nicht Leerverkau­fsposition­en eindecken. Folge waren heftige Verluste.

Die ausländisc­hen Banken wie UBS, Citigroup und BNP Paribas, die lange Zeit im Lira-handel sehr rege waren, hatten regulatori­sche Beschränku­ngen in Kauf nehmen müssen. Nun hat sich die BNP Paribas aus dem Handel in der Valuta zurückgezo­gen. Die anderen Auslandsin­stitute können momentan uneingesch­ränkt handeln. Die Ratingagen­tur Fitch hat die Einstufung staatliche­r und privater türkischer Banken nach unten revidiert. Sie ist besorgt um die Anlagenqua­lität, Kapitalaus­stattung, Mittelzufl­uss und Liquidität. Die Europäisch­e Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g (EBRD) hatte den türkischen Banken wegen des Corona-soforthilf­epakets Mittel von mehr als 250 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

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Foto: AFP Die Führung in Peking setzt offenbar darauf, mit einer eigenen „Bazooka“die Wirtschaft schnell wieder in Gang zu bringen.

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