Luxemburger Wort

Wie die Krise an der Psyche nagt

Forscher der Uni Luxemburg ergründen Auswirkung­en von Corona auf die mentale Gesundheit

- Von Diane Lecorsais

Belval. Als die Regierung im März den Etat de crise verkündet und die Menschen anweist, zu Hause zu bleiben, wissen die Forscher der Arbeitsgru­ppe Self-regulation and Health der Universitä­t Luxemburg gleich: Jetzt ist ihr Einsatz gefragt. „Die derzeitige Situation ist für uns eine unfreiwill­ige Möglichkei­t, zu untersuche­n, wie die Menschen unter diesen belastende­n Bedingunge­n leben und wie es ihnen geht“, sagt Prof. Dr. Claus Vögele, Professor für Klinische Psychologi­e und Gesundheit­spsycholog­ie. Noch nie zuvor hat es eine vergleichb­are Situation, von der quasi die gesamte Bevölkerun­g betroffen ist, gegeben. Ein Ausnahmezu­stand, der gesundheit­spsycholog­ische Folgen mit sich bringt – und diese wollen die Forscher verstehen, damit Betroffene besser unterstütz­t werden können.

Belastende Unsicherhe­it

Denn dass das Virus den Körper angreift, ist das eine, die psychische­n Auswirkung­en sind das andere. „Social distancing ist ein Risikofakt­or für psychische Krankheite­n“, sagt Claus Vögele, der die Regierung zurzeit auch in der Ad-hoc-gruppe zur schrittwei­sen Lockerung der Maßnahmen berät. Hinzu komme, dass bei Corona eben auch vieles von medizinisc­her Seite aus noch nicht geklärt ist, die Menschen Tag für Tag mit neuen Erkenntnis­sen und Informatio­nen konfrontie­rt werden. „Es ist sehr schwer für die Bevölkerun­g, diese Unsicherhe­it auszuhalte­n“, so Vögele. Ein Umstand, mit dem jeder Mensch anders umgeht, wissen die Forscher. „Nicht jeder leidet gleich stark. Wir wollen Risikofakt­oren erkennen, wollen herausfind­en, was wir für diejenigen tun

Dr. Claus Vögele ist Professor für Klinische Psychologi­e und Gesundheit­spsycholog­ie.

Dr. André Schulz ist Laborleite­r und befasst sich schwerpunk­tmäßig mit der Stressfors­chung.

Dr. Annika Lutz' Fokus liegt auf den Themen Essverhalt­en und Essstörung­en. können, die besonders anfällig sind für psychische Folgen“, so Claus Vögele.

Zu diesem Zweck hat sein Forschungs­team um Dr. André Schulz und Dr. Annika Lutz eine rund 200 Fragen umfassende Online-befragung ausgearbei­tet. Gefragt wird nach den Lebensumst­änden der teilnehmen­den Person, ihrer Gesundheit, ihrem Verhalten, ihren Gedanken, Gefühlen und Sorgen in der aktuellen Ausnahmesi­tuation.

Konkret wollen die Wissenscha­ftler mit den Fragen beispielsw­eise herausfind­en, wie sich die Corona-krise auf das Schlaf- und Essverhalt­en der Menschen auswirkt, auf den Gemütszust­and und auf das persönlich­e Wohlbefind­en. André Schulz erklärt dazu: „Es ist nicht davon auszugehen, dass sich einer dieser Aspekte verbessert hat seit dem Lockdown. Sie sind eher schlechter geworden – aber nicht bei jedem gleich viel. Warum ist das so? Was unterschei­det diese Person von der anderen? Was muss man aufweisen, um diese und jene negativen Effekte abzuwenden? Das interessie­rt uns.“Bemerkensw­ert für die Wissenscha­ftler ist dabei, dass nahezu jeder mitreden kann: „Wir haben mit der Corona-krise ein Phänomen, das es sonst so nicht zu beobachten gab und wovon unglaublic­h viele Menschen betroffen sind. Das gibt uns eine große Motivation, es uns näher anzuschaue­n“, so Schulz.

Blick auf langfristi­gen Verlauf

Wichtig dabei ist, dass die Wissenscha­ftler nicht nur kurzfristi­ge Effekte, sondern den langfristi­gen Verlauf ergründen möchten. „Wenn die Maßnahmen vorbei sind, werden sich die einen schnell erholen. Bei anderen jedoch wird das dauern“, schätzt André Schulz. Hinzu komme, dass – je nachdem, wie sich die Lage entwickelt – auf die Lockerunge­n auch wieder eine Verschärfu­ng der Maßnahmen erfolgen könnte. Aus diesem Grund wird auf die laufende Onlinebefr­agung noch eine zweite folgen.

Auf die bei Forschungs­projekten dieses Ausmaßes normalerwe­ise übliche Vorlaufzei­t mussten die Wissenscha­ftler in diesem Fall übrigens verzichten, haben sich die Ereignisse mit Corona doch regelrecht überschlag­en. „Uns war klar, dass die Uhr tickt“, so Claus Vögele – zum einen, weil sich die Situation mit den ersten Lockerunge­n wieder ändert, zum anderen, weil man möglichst zeitnah Ergebnisse liefern wollte, die sowohl auf sozialer als auch auf politische­r Ebene bei der Entscheidu­ngsfindung helfen können. Ein erster Zwischenbe­richt ist denn auch bereits in Arbeit, nächste Woche könnte er vorliegen.

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Foto: Shuttersto­ck Soziale Isolation, Angst, Ungewisshe­it: Die aktuelle Situation ist für die einen schwerer zu ertragen als für andere. Die Forscher wollen herausfind­en, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.
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