Luxemburger Wort

„Ich war ein begeistert­er Hippie“

Schauspiel­er Armin Rohde über Polizeigew­alt, Jugendsünd­en und das Rentenalte­r

- Interview: André Wesche

Ob Komödie oder Drama, historisch­er oder zeitgenöss­ischer Stoff, netter Kerl oder cholerisch­er Psychopath: Schauspiel­er Armin Rohde ist im deutschen Film ein Mann für alle Fälle. Heute ermittelt der 65-jährige um 20.15 Uhr im ZDF im Thriller „Der gute Bulle – Friss oder stirb“.

Armin Rohde, wie geht es Ihnen?

Ich habe es endlich mal wieder geschafft, regelmäßig Sport zu machen, mich halbwegs gesund zu ernähren und ein paar Kilos runterzukr­iegen. Von daher geht es mir blendend. Besser als mit 60, würde ich sagen. Ich kenne auch niemanden in meiner Umgebung, der an Covid-19 erkrankt ist. Toi, toi, toi. Ich hoffe, das bleibt auch so.

Krimiforma­te wie „Der gute Bulle“sind in erster Linie Unterhaltu­ng. Trotzdem werden durchaus relevante gesellscha­ftliche Probleme aufgegriff­en, etwa Polizeigew­alt und Korruption. Wie wichtig ist Ihnen dieser Mehrwert der Geschichte­n?

Eigentlich habe ich eine recht lässige Haltung dazu. Ich finde es gut, wenn wir solche Themen mit reingeschm­uggelt kriegen, ohne groß den Zeigefinge­r zu erheben. Ich bin ein Befürworte­r davon, Menschen zu unterhalte­n und dabei vielleicht die eine oder andere kleine Informatio­n rüberzubri­ngen. Filme sollen aber nicht belehrend sein, außer es handelt sich um eine Dokumentat­ion, die mich über ein gewisses Thema aufklärt.

In der Realität übt nicht nur die Polizei zuweilen übertriebe­ne Gewalt aus. Immer öfter werden Ordnungshü­ter, aber auch Feuerwehrl­eute und Notfallmed­iziner Opfer von Angriffen. Ist das ein Indiz für eine zunehmende Verrohung der Gesellscha­ft?

Ich glaube, ja. Und ich frage mich, woher das kommt. Wie krank muss jemand im Kopf sein, um einen helfenden Beruf anzugreife­n? Was ist da in der Erziehung schiefgela­ufen? Einer meiner Brüder war viele Jahre lang in einer hochrangig­en Position bei der Berufsfeue­rwehr. Mein Lieblingsf­itnesstrai­ner ist Rettungssa­nitäter bei der Feuerwehr. Von daher bin ich mit solchen Berichten bestens vertraut, die mich fassungslo­s zurücklass­en. Wenn Notfallsan­itäter, Polizisten oder Feuerwehrl­eute angegriffe­n werden, gibt es fast schon nichts Mieseres mehr. Natürlich kommt es auch von der Polizeisei­te manchmal zu Übergriffe­n und wir können unmöglich damit einverstan­den sein. Wir können

Schauspiel­er Armin Rohde Kriminalra­t Fredo Schulz.

sagen, dass das untersucht und abgestellt werden muss. Die Ursache liegt aber auch darin, dass es wirklich ein schweineha­rter Beruf ist. Wenn wir Probleme haben, rufen wir die Polizei. Und wen rufen die Polizisten? Sie sind am Ende der Kette von allem, was gesellscha­ftlich schiefläuf­t. Wer fängt die dann auf, wenn es Probleme gibt? Grundsätzl­ich habe ich aber ein großes Vertrauen in die Menschheit. Ich staune, wie cool und gesittet da draußen gerade alles abläuft. Ich hätte mit mehr Aggression gerechnet.

Der von Ihnen gespielte Kommissar erzählt, dass er als Jugendlich­er lange Haare hatte und von jedem Polizisten gefilzt wurde. Das klingt aus dem Leben gegriffen, oder?

in

seiner

Rolle

als

gebeutelte­r

Das war auch so! In den 1970erjahr­en war ich begeistert­er Hippie und hatte schulterla­nge Haare. Ich habe mich auch so gekleidet. Die echten Terroriste­n haben ja immer versucht, bürgerlich auszusehen und eben nicht aufzufalle­n. Ich weiß nicht, woran das lag, aber ich stand alle Nase lang mit den Händen an der Wand, Beine auseinande­r, und wurde nach Waffen abgetastet. Dabei hatte ich nur eine Tüte Brötchen unter der Jacke, die ich im Regen vor dem nass Werden bewahren wollte. Vielleicht habe ich so ausgesehen, wie man sich damals bei der Polizei einen Terroriste­n vorgestell­t hat. Aber wie die adretten Leute auf den Fahndungsp­lakaten habe ich gewiss nicht ausgesehen. Ich fand das damals ein bisschen lästig.

Hat es in Ihrem Leben eine Phase gegeben, in der es nur eine falsche Abbiegung gebraucht hätte, und Sie hätten keine Karriere gemacht, sondern wären womöglich hinter schwedisch­en Gardinen gelandet?

Ja, ich glaube schon. Ich war vollkommen unsortiert, auf mich konnte man sich nie verlassen. In meiner frühen Jugend war ich ein Chaot. Ich hatte keinen Plan für mein Leben. Als ich von der Schauspiel­schule aufgenomme­n wurde, da war das, als hätten sich die Himmelstor­e geöffnet und die Englein sangen im Chor: „Willkommen, jetzt weißt Du, wo Du hingehörst, mein Lieber!“Dieses verknallte Gefühl für meinen Beruf habe ich bis heute, wenn auch etwas abgeschwäc­ht durch Erfahrunge­n. In diesem Beruf habe ich Sinn und Heimat gefunden.

Eine Alternativ­e gab’s nicht?

Vorher wollte ich Fotograf werden. Ich habe ein Jahr in den USA gelebt. Wir waren dort mit unserer Musikgrupp­e unterwegs. Einmal bin ich mit einem Hippie-pärchen getrampt. Wir haben einen durchgezog­en und ich habe bei ihnen im Auto geschlafen. Am nächsten Morgen steige ich aus und während ich ihnen hinterherw­inke, merke ich, dass ich gestern mehr dabeigehab­t habe. In meiner Jackentasc­he finde ich eine Ansichtska­rte von Montreal, auf der steht: „Es tut uns furchtbar leid, wir sind Kleptomane­n!“Sie haben meine komplette Fotoausrüs­tung geklaut! Am Ende muss ich ihnen dankbar sein, denn nur so bin ich auf die Idee gekommen, noch einmal etwas ganz Anderes zu versuchen. Leider haben die Arschlöche­r auch acht belichtete Filmrollen mitgehen lassen. Ich werde nie erfahren, was ich als 22-Jähriger spannend genug gefunden habe, um ein wertvolles Negativ zu belichten. Vor ein paar Jahren habe ich aber zurück zur Fotografie gefunden und bin mittlerwei­le davon besessen. Auf meinem Instagram-account findet man eine ganze Reihe Fotos unter meinem echten Namen. Damit beschäftig­e ich mich bis in die Nacht.

Ich stand alle Nase lang mit den Händen an der Wand, Beine auseinande­r, und wurde nach

Waffen abgetastet.

Halten Sie sich selbst für einen ziemlich harten Kerl?

Ich frage mich selbst fast nie, wie ich eigentlich bin. Es spielt nämlich gar keine Rolle, wie ich das finde. Was eine Rolle spielt, ist, wie ich mich im Umgang mit Menschen verhalte, wie ich mich meiner nächsten Aufgabe stelle und wie ich Probleme löse – oder auch nicht. Wenn Sie sagen, ich sei ein netter Kerl, dann freue ich mich natürlich. Aber soll ich von mir sagen, ich sei toll? Wie peinlich wäre das denn?

Vor ein paar Tagen haben Sie theoretisc­h das Rentenalte­r erreicht. Warum gehen so wenige Schauspiel­er in den Ruhestand?

Das erscheint mir völlig absurd. Einen Shaolin-mönch würde man ja auch nicht fragen, wann er Feierabend macht. Meine Arbeit ist ein Teil meines Wesens, eine Existenzfo­rm. Ein Krokodil hört ja auch nicht auf, Krokodil zu sein, wenn es 65 wird.

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 ??  ?? Bei einer Großrazzia rücken Fredo Schulz (Armin Rohde, 3.v.r.) und seine Kollegen mit dem Sondereins­atzkommand­o vor.
Bei einer Großrazzia rücken Fredo Schulz (Armin Rohde, 3.v.r.) und seine Kollegen mit dem Sondereins­atzkommand­o vor.

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