Der Künstler kann warten
Die Kultur ist ein merkwürdiges Kraut. Sie wächst überall, sogar von selbst, kann sowohl Mauerblümchen wie Orchidee sein – doch auch sie ist gefährdet, auch sie braucht Hilfe, auch an ihr hängen Jobs. Nach drei Monaten Abschottung sind den Menschen derzeit aber Restaurants und Terrassen wichtiger als Theaterhäuser und Konzertsäle.
Und vielleicht deshalb hat sich Kulturministerin Sam Tanson gestern mit der Philharmonie etwas anderes als nur ein Mauerblümchen der Luxemburger Kultur ausgesucht, um ihre Hilfsmaßnahmen publikumswirksam in die Öffentlichkeit zu tragen. Am Vorabend hatte die zuständige Kommission im Parlament bereits einer Motion zugestimmt – gut gemeinte Worte, mehr aber auch nicht. Denn diese Motion ist nicht so bindend, als dass man jemanden dafür zur Rechenschaft ziehen könnte, wenn die darin enthaltenden Aufforderungen nicht befolgt werden.
Die Hilfen in Höhe von fast fünf Millionen Euro, die gestern für viele Bereiche der Kultur in Aussicht gestellt wurden, sind dafür aber gewaltig. Es ist eine volle Gießkanne – anders wäre es in der derzeitigen Notsituation auch nicht möglich gewesen, um all die zarten Pflänzchen am Leben zu halten. Doch das Paket ist keine Direkthilfe. Die Gelder sind an Auflagen gebunden, und nur die konventionierten Kulturhäuser und Vereinigungen, deren Zuschüsse aufgestockt werden, können etwas freier darüber verfügen. Alle anderen aber – Künstler, Musiker, Museen, Vereine – müssen Projekte unterbreiten, und erst, wenn die dann auch zurückbehalten werden, kommt das erhoffte Geld – eine lange Durststrecke wartet demnach auf sie.
Die Maßnahmen klingen beeindruckend, aber sie gelten nur für die, die dem Ministerium für Kultur unterstehen – also nicht für die Filmschaffenden, die sich unter der Obhut des Medienministers Bettel befinden. Der hat sich bisweilen noch nicht geäußert, doch auch in der Filmbranche stehen die Studios still. Dort sind vor allem prekäre Jobs in Gefahr, viele kleine Hände, Beschäftigte auf Abruf, junge Filmregisseure, die auf eine Regiearbeit hoffen.
Der Auftritt der Ministerin gestern in der Philharmonie machte aber noch etwas ganz anderes deutlich. Die Kultur in Luxemburg ist kein Dreh- und Angelpunkt in der Politik dieses Landes. Sie ist nur ein Sektor und wird auch so behandelt. Der Ministerin stand in ihrer Pressekonferenz kein Premierminister zur Seite, auch kein Bildungsminister. Einen zentralen Platz in der Gesellschaft, so wie man ihn in Frankreich der Kultur einräumt, aber auch in Deutschland – erinnert sei an Merkels „Kultur-milliarde“–, schenkt die links-liberale Politik in Luxemburg seiner Kulturwelt nicht. Man muss es bedauern, aber die Kultur wird nicht als ein Weg wahrgenommen, um raus aus der Krise zu kommen, sie ist auch nicht die Tür zu einem neuen Luxemburg nach Corona. Selten aber hat während einer Krise etwas einen so wichtigen Platz in unserem Leben eingenommen wie gerade die Kultur während der Corona-zeit. Aber das ist längst schon wieder vergessen. Die Terrassen sind nun ja geöffnet, und das Leben pulsiert wieder. Der Künstler kann warten. Business as usual.
Die Kultur in Luxemburg wird nicht als Weg raus aus der
Krise betrachtet.