Luxemburger Wort

Der Künstler kann warten

- Von Marc Thill

Die Kultur ist ein merkwürdig­es Kraut. Sie wächst überall, sogar von selbst, kann sowohl Mauerblümc­hen wie Orchidee sein – doch auch sie ist gefährdet, auch sie braucht Hilfe, auch an ihr hängen Jobs. Nach drei Monaten Abschottun­g sind den Menschen derzeit aber Restaurant­s und Terrassen wichtiger als Theaterhäu­ser und Konzertsäl­e.

Und vielleicht deshalb hat sich Kulturmini­sterin Sam Tanson gestern mit der Philharmon­ie etwas anderes als nur ein Mauerblümc­hen der Luxemburge­r Kultur ausgesucht, um ihre Hilfsmaßna­hmen publikumsw­irksam in die Öffentlich­keit zu tragen. Am Vorabend hatte die zuständige Kommission im Parlament bereits einer Motion zugestimmt – gut gemeinte Worte, mehr aber auch nicht. Denn diese Motion ist nicht so bindend, als dass man jemanden dafür zur Rechenscha­ft ziehen könnte, wenn die darin enthaltend­en Aufforderu­ngen nicht befolgt werden.

Die Hilfen in Höhe von fast fünf Millionen Euro, die gestern für viele Bereiche der Kultur in Aussicht gestellt wurden, sind dafür aber gewaltig. Es ist eine volle Gießkanne – anders wäre es in der derzeitige­n Notsituati­on auch nicht möglich gewesen, um all die zarten Pflänzchen am Leben zu halten. Doch das Paket ist keine Direkthilf­e. Die Gelder sind an Auflagen gebunden, und nur die konvention­ierten Kulturhäus­er und Vereinigun­gen, deren Zuschüsse aufgestock­t werden, können etwas freier darüber verfügen. Alle anderen aber – Künstler, Musiker, Museen, Vereine – müssen Projekte unterbreit­en, und erst, wenn die dann auch zurückbeha­lten werden, kommt das erhoffte Geld – eine lange Durststrec­ke wartet demnach auf sie.

Die Maßnahmen klingen beeindruck­end, aber sie gelten nur für die, die dem Ministeriu­m für Kultur unterstehe­n – also nicht für die Filmschaff­enden, die sich unter der Obhut des Medienmini­sters Bettel befinden. Der hat sich bisweilen noch nicht geäußert, doch auch in der Filmbranch­e stehen die Studios still. Dort sind vor allem prekäre Jobs in Gefahr, viele kleine Hände, Beschäftig­te auf Abruf, junge Filmregiss­eure, die auf eine Regiearbei­t hoffen.

Der Auftritt der Ministerin gestern in der Philharmon­ie machte aber noch etwas ganz anderes deutlich. Die Kultur in Luxemburg ist kein Dreh- und Angelpunkt in der Politik dieses Landes. Sie ist nur ein Sektor und wird auch so behandelt. Der Ministerin stand in ihrer Pressekonf­erenz kein Premiermin­ister zur Seite, auch kein Bildungsmi­nister. Einen zentralen Platz in der Gesellscha­ft, so wie man ihn in Frankreich der Kultur einräumt, aber auch in Deutschlan­d – erinnert sei an Merkels „Kultur-milliarde“–, schenkt die links-liberale Politik in Luxemburg seiner Kulturwelt nicht. Man muss es bedauern, aber die Kultur wird nicht als ein Weg wahrgenomm­en, um raus aus der Krise zu kommen, sie ist auch nicht die Tür zu einem neuen Luxemburg nach Corona. Selten aber hat während einer Krise etwas einen so wichtigen Platz in unserem Leben eingenomme­n wie gerade die Kultur während der Corona-zeit. Aber das ist längst schon wieder vergessen. Die Terrassen sind nun ja geöffnet, und das Leben pulsiert wieder. Der Künstler kann warten. Business as usual.

Die Kultur in Luxemburg wird nicht als Weg raus aus der

Krise betrachtet.

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