Twitter haut Trump auf die Finger
Der Kurznachrichtendienst versieht zum ersten Mal Tweets des Us-präsidenten mit dem Link zu einem Faktencheck
Timothy J. Klausutis kann nicht glauben, wie Twitter auf seine eindringliche Bitte reagiert, Donald Trumps Lügen über den tragischen Tod seiner Frau Lori zu löschen. Statt dem Wunsch nachzukommen, entschuldigte sich der Kurznachrichtendienst „für die Schmerzen, die diese Behauptungen … für ihre Familie mit sich bringen”. Man arbeite an Regeln und Verfahren, „um mit solchen Dingen in Zukunft besser umgehen zu können”.
In dem konkreten Fall schlägt Twitter den Wunsch des Witwers aus, den dieser in einem herzzerreißenden Brief an Konzernchef Jack Dorsey formuliert hatte. Trump versuche, den tragischen Tod seiner Frau für eine Verschwörungstheorie
zu missbrauchen. Er eigne sich dabei etwas an, das ihm nicht gehöre und pervertiere „die Erinnerung an meine verstorbene Frau“für politische Zwecke. „Meine Frau verdient, besser behandelt zu werden.“
Hintergrund des Schreibens sind Tweets des Präsidenten, in denen dieser ohne jegliche Basis in der Wirklichkeit darüber spekuliert, die ehemalige Mitarbeiterin des republikanischen Abgeordneten Joe Scarborough sei ermordet worden. Scarborough ist heute ein beliebter Morgenmagazinmoderator auf MSNBC und gehört zu den schärfsten konservativen Kritikern Trumps.
Seine damals 29-jährige Mitarbeiterin war 2001 im örtlichen Wahlkreisbüro von Fort Walton Beach kollabiert und mit dem Kopf auf die Tischkante geschlagen. Lori hatte Freunden vorher gesagt, sie fühle sich nicht wohl. Die Obduktion ergab, dass Herzversagen zu der Ohnmacht führte. Scarborough kannte seine junge Frau kaum und hielt sich 1 500 Kilometer entfernt auf.
Kritiker wie die Kolumnistin Karen Tumulty wundern sich, warum Twitter die Verbreitung solcher unhaltbarer Lügen unter Trumps mehr als 80 Millionen Followern erlaubt, „während es andere Nutzer wegen vergleichsweise geringerer Vergehen von seiner Plattform verbannt“. Das Entfernen dieser Tweets wäre „ein kleiner Schritt in Richtung Anstand“.
Eigentor beim Thema Briefwahl
Als Hoffnungsschimmer werteten Analysten wie Joshua Pasek von der „University of Michigan“, die Entscheidung Twitters, bei einer anderen Schmierenkampagne des Präsidenten erstmals aktiv zu werden. Unter zwei Tweets, in denen Trump ohne jeden Beleg behauptet, Briefwahl sei nichts anderes als eine Einladung zum Wahlbetrug, stehen nun Links zu einem Faktencheck. Diese Aktion deute darauf hin, so Pasek, dass es für Twitter einen Punkt gibt, „an dem die Perversion der Demokratie so groß ist“, dass der Dienst nicht mehr tatenlos zusehen wolle. Hinter einem eingekreisten Ausrufezeichen werden die Leser aufgefordert: „Holen Sie sich hier die Fakten über Briefwahlen.“Ein Klick bringt die Nutzer auf eine Webseite mit der Überschrift „Trump behauptet unbelegt, dass Briefwahlzettel zu Wahlbetrug führen werden.“Darunter hat der Dienst Quellen zusammengetragen, die Trumps Verschwörungstheorie zerpflücken.
Der Aufschrei des „Twitterersin-chief“ließ nicht lange auf sich warten. Silicon Valley mische sich nun in die Präsidentschaftswahlen 2020 ein, beklagt sich Trump. „Twitter würgt die freie Meinungsäußerung komplett ab“, zwitscherte er. „Als Präsident werde ich das nicht erlauben.“
Meine Frau verdient, besser behandelt zu werden.
Timothy J. Klausutis