Piräus ist jetzt die Nummer eins
Griechenlands größter Hafen expandiert unter der Regie des chinesischen Staatskonzerns Cosco
Corona-krise? Nicht im Hafen von Piräus. Dort herrscht Hochbetrieb. Nicht weniger als neun Containerschiffe wurden am vergangenen Dienstag gleichzeitig an den drei Piers abgefertigt, darunter die „Cosco Shipping Scorpio“. Mit einer Länge von 400 Metern und einer Transportkapazität von 20 000 Containereinheiten (TEU) gehört das 2018 gebaute Schiff weltweit zu den größten Frachtern seiner Art.
Die Eu-kommission prognostiziert Griechenland für dieses Jahr infolge der Corona-pandemie einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 9,7 Prozent. Aber in Piräus ist davon nichts zu spüren. In den ersten drei Monaten stieg der Umschlag von 1 334 auf 1 369 Millionen TEU. Im April und Mai lag er etwa auf Vorjahresniveau, heißt es in Unternehmenskreisen. Der von vielen Branchenexperten erwartete Einbruch im Containerverkehr – in Piräus ist er ausgeblieben.
Damit schreibt der griechische Hafen seine Erfolgsgeschichte fort. Im vergangenen Jahr überholte Piräus das spanische Valencia und stieg mit 5,65 Millionen TEU zum größten Container-umschlagplatz im Mittelmeer auf. Der Nettogewinn der Hafengesellschaft wuchs gegenüber dem Vorjahr um 27 Prozent auf 35,4 Millionen Euro. „2019 war unser bisher bestes Jahr“, sagt Fu Chengqiu. Der Chinese mit dem schütteren weißen Haar ist CEO der Hafengesellschaft Piraeus Port Authority (PPA). Captain Fu, wie ihn in der Branche alle nennen, arbeitet seit 1976 für den chinesischen Staatskonzern China Ocean Shipping Company (Cosco), anfangs als 3. Offizier, später als Kapitän und Manager.
Die Chinesen kamen 2008 nach Piräus. Zunächst schloss Cosco einen Pachtvertrag zum Betrieb eines neuen Containerpiers. 2016 kaufte der Konzern für 368,5 Millionen Euro vom Staat 51 Prozent der Hafengesellschaft PPA. Der Vertrag sieht vor, dass die Chinesen 2021 weitere 16 Prozent der Aktien übernehmen.
Cosco brachte den verschlafenen Staatshafen auf Trab. 2008 wurden hier gerade mal 433 582 TEU umgeschlagen. 2019 war es das 13-Fache. Damit ist Piräus jetzt nicht nur die Nummer eins im Mittelmeer. In der Rangliste der europäischen Containerumschlagplätze hat sich der griechische Hafen auf Rang vier vorgearbeitet. Vor fünf Jahren lag er noch auf Platz acht.
Drehkreuz für Chinas One Belt,
One Road
Chinesische Analysten sprechen von dem Hafen als „Kopf des Drachen in Europa“. Piräus ist der erste große europäische Mittelmeerhafen, den die aus Fernost kommenden Frachter nach der Passage des Suezkanals anlaufen können. Damit ist Piräus ein ideales Drehkreuz für Chinas „One Belt, One Road“-projekt, die neue Seidenstraße, mit der Staatschef Xi Jinping die europäischen Märkte erobern und politischen Einfluss gewinnen will. In Piräus werden die aus Asien ankommenden Container zur Verteilung auf andere Mittelmeerhäfen umgeladen oder per Eisenbahn über den Balkan nach Mittel- und Osteuropa transportiert. So kann Griechenland sein Potenzial als wichtigste Logistik-drehscheibe in Südosteuropa ausspielen.
Cosco investiert rund 300 Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Hafens. Dazu gehört eine Modernisierung des ältesten Containerpiers I mit neuen Kränen. Trotz Corona hält die Hafengesellschaft auch an den Plänen für ein neues Kreuzfahrtterminal fest. Es soll mehrere 5-Sterne-hotels und ein Shoppingcenter umfassen. Damit will sich Piräus besser als Ausgangspunkt für Kreuzfahrten im östlichen Mittelmeer positionieren – bisher starten die meisten Kreuzfahrtreedereien ihre Reisen in italienischen Häfen. „Nach Einschätzung von Experten wird das Kreuzfahrtgeschäft in zwei bis drei Jahren auf das Vorkrisenniveau zurückkehren, und das ist auch der zeitliche Rahmen für die Fertigstellung unseres neuen Kreuzfahrtterminals“, erklärt Nektarios Demenopoulos, Sprecher der Hafengesellschaft PPA.
Position in Europa weiter
verteidigen
Im Containerverkehr hat Piräus Konkurrenten wie Bremerhaven, Algeciras und Valencia in den vergangenen fünf Jahren bereits abgehängt. Die Kapazitäten der vorhandenen Anlagen reichen für den Umschlag von 7,2 Millionen TEU. „Damit können wir unsere Position als Nummer vier in Europa auf die nächsten Jahre hinaus verteidigen“, sagt Ppasprecher Demenopoulos. Aber die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Es gibt Pläne zum Bau eines vierten Piers. Damit würden die Chinesen die Kapazität ihres Brückenkopfs im Mittelmeer auf mehr als 10 Millionen TEU im Jahr steigern. Gemessen an den heutigen Verkehrszahlen könnte Piräus so Hamburg vom dritten Platz unter den europäischen Häfen verdrängen. Größer wären dann nur noch Antwerpen und Rotterdam.
2019 war unser bisher bestes Jahr. Fu Chengqiu, CEO der Piraeus
Port Authority (PPA)