„Ich fühlte mich nun auch verpflichtet“
Der nominierte Nationalbibliotheksdirektor Claude Conter, das Endergebnis harter Auseinandersetzungen und die Zukunft der Bibliotheken
Der Kulturministerin ist mehr als Unmut anzumerken, als sie im Rahmen der gestrigen Pressekonferenz Claude Conter offiziell als neuen Direktor der Nationalbibliothek einführte. Mehr als unwürdig sei die politische Diskussion um Joanne Goebbels gewesen, die ihren Posten aufgegeben habe. „Ich bleibe dabei: Sie war eine exzellente Kandidatin für die Nachfolge als Nationalbibliotheksdirektorin“, sagt Sam Tanson. „Wenn Frau Goebbels nicht Goebbels geheißen hätte, hätte diese Diskussion so gar nicht stattgefunden. Und ist diese Debatte wirklich fair verlaufen? Ja, sie hat sich in der Vergangenheit politisch engagiert. Aber das ist doch prinzipiell nichts Schlechtes – und sie hat diese politischen Engagements schon vor Monaten aufgegeben, sich wie jeder andere auch auf den Posten gemeldet – und letztlich dem Profil entsprochen.“
Goebbels Rückzug führte zu einem zweiten, langen Gespräch mit Claude Conter, so Ministerin Sam Tanson. Ein zweites? Schon nach der ersten, gescheiterten Kandidatenrunde 2019 habe er ein direktes Nominierungsangebot von Tanson – ohne sich überhaupt beworben zu haben – abgelehnt.
Damals hatte der Cnl-direktor – er war erst im Mai 2019 bis 2026 im Amt verlängert worden – seine Initiativen in Mersch unbedingt weiterführen wollen. „Ich bin es einfach nicht gewohnt, einen Posten zu verlassen, an dem ich Projekte noch nicht abgeschlossen habe“, sagte Conter gestern. „Ich war mit meinem Team wegen des Programms dort weiter beauftragt worden: Grundlagenforschung, neu initiierte Projekte, Maßnahmen für die Infrastruktur. Und dem fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt
zu sehr verpflichtet.“Warum dann die Zusage nun? Die Bedingungen hätten sich für ihn komplett anders dargestellt. „Es war jetzt eine sehr spezielle Situation entstanden und es brauchte eine zeitnahe Lösung. Und nach gescheiterten Kandidaten und dem leider erfolgten Rücktritt fühlte ich mich dieser zweiten Aufforderung auch verpflichtet. Ganz nach Immanuel
Claude Conter stellte sich der Presse vor.
Kant: ,Man fühlt sich dem verpflichtet, was man gerne macht.‘ “
Digitale Bibliothek
Conter selbst sieht sich dennoch gut vorbereitet. Es habe schon zwischen dem CNL und der Bibliothek sowie dem Buch- und Archivsektor ein enges Netzwerk des Austauschs gegeben. Er kenne bereits einige Mitarbeiter und viele Problemlagen der einzelnen Abteilungen. „Monique Kieffer hat die Nationalbibliothek in das 21. Jahrhundert geführt. Die Initiativen für digitale Angebote und Strukturen – die ich selbst schon jetzt gerne persönlich nutze – müssen weitergeführt werden.“Er sei von dem großen Zuspruch im Neubau in Kirchberg überrascht gewesen. „Versuchen Sie mal, an einem Samstag einen Arbeitsplatz dort zu finden.“Die sich nach den ersten Monaten des Neubaus abzeichnende starke
Akzeptanz der BNL als sogenannter dritter Begegnungsort der Menschen neben dem Arbeitsplatz und dem Zuhause sei herausragend. Auch wenn die Möglichkeiten durch die Corona-krise aktuell beschränkt seien.
Aber was wird aus dem CNL? Und seine eigene Nachfolge? Conter will es sich nicht nehmen lassen, den Ablauf für die Nachfolge auf dem Stuhl des Leiters des Centre national de littérature durchaus mitzugestalten. Öffentlich plädiert er für eine interne Nominierung aus dem Kreis der Cnl-mitarbeiter auf seine Empfehlung – auch wenn das Ministerium sich nicht danach richten müsste. „Meine ursprüngliche Verlängerung in Mersch war eine Bestätigung dieses Kurses, den mein Team und ich eingeschlagen haben. Und ich möchte möglichst sicherstellen, dass dieser Kurs auch kontinuierlich weitergeführt wird“, so Conter im Lw-gespräch.