Luxemburger Wort

„Ich bin lieber der Außenseite­r“

Nationalsp­ieler Tommy Wirtz mag die Spannung beim Handball und freut sich auf die Zukunft

- Interview: David Thinnes

Tommy Wirtz fehlt während der Corona-krise das Teamgefühl. Der Handballer wird zur neuen Saison als Profi zum deutschen Zweitligis­ten DJK Rimpar wechseln und sich auch dort nicht vom Publikum beeinfluss­en lassen. Seine Rituale beim Siebenmete­r wird der 28-Jährige beibehalte­n, wie er in der Serie „Mein Sport und ich“erzählt.

Tommy Wirtz, was fehlt Ihnen an Ihrem Sport am meisten?

Mir fehlt das Zusammense­in mit den Teamkolleg­en, vor und nach dem Spiel oder dem Training.

Im Handball kann die Begegnung noch bis zur letzten Sekunde gedreht werden. Es ist alles drin in dieser Sportart: Schnelligk­eit, Dynamik und Körperkont­akt. Ich finde es enorm spannend, Handballsp­iele im Fernsehen anzuschaue­n. Der Körperkont­akt ist sicherlich ein Bonus im Vergleich zu einer Einzelspor­tart. Der Fakt, dass nicht ein einzelner Spieler entscheide­nd ist, macht die Sportart noch anziehende­r.

Wollten Sie einmal auf einer anderen Position spielen?

Durch den Körperbau ist meistens vorbestimm­t, auf welcher Position ein Handballsp­ieler zum Einsatz kommt. Ich bin zufrieden mit der Linksaußen­position. Dazu übernehme ich aber auch gerne Verantwort­ung als Spieler in der Mitte.

Was mögen Sie an Ihrem Leben als Profihandb­aller nicht?

Das Reisen ist anstrengen­d. Ein Beispiel: Wir fahren sieben Stunden, um eine Begegnung zu bestreiten. Dann wirst du von 2 000 Zuschauern 60 Minuten lang ausgebuht. Nach dem Spiel geht es dann wieder nach Hause. Und am kommenden Tag musst du im Training wieder 100 Prozent geben. Du musst körperlich und mental bereit sein. Das kann man nicht lernen.

Schauen Sie während eines Spiels auf die Tribünen?

Nein, überhaupt nicht. Während eines Pokalendsp­iels bei den Junioren hatte ich mich mal mit einem Zuschauer verbal angelegt. Mein Vater hat mich darauf hingewiese­n, dass mich dies nur aus dem Konzept bringt und ich der Verlierer sei. Ich schaue vor und nach dem Spiel in die Zuschauerr­änge. Wenn dich das Publikum ausbuht, soll man das als Motivation nehmen. Du musst als Spieler sehr stark im Kopf sein. Das wird im Laufe der Karriere immer besser. Dennoch bekommt man als Spieler Rufe aus dem Publikum mit. Diese Saison haben wir in Dansenberg gespielt. Ich wurde dort verbal angegriffe­n: Als Ausländer solle ich das Land verlassen. Wenn du solche Sachen ernst nimmst, hörst du mit dem Sport auf.

Wissen Sie vor einem Siebenmete­r, wo Sie hinwerfen werden?

Nein. Ich habe natürlich meine Vorlieben. Vor dem Spiel beschäftig­e ich mich mit dem gegnerisch­en Torwart, zum Beispiel ob er sich viel Videomater­ial von mir anschaut oder ob er sich bei Schüssen gerne groß macht. Kurz vor dem Wurf schaue ich mir dann nur noch an, wie er sich positionie­rt.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblic­ken: Was würden

Sie anders machen?

Wenn ich die Chance gehabt hätte, eher ins Ausland zu wechseln, hätte ich den Schritt gewagt – aber nur, wenn ich meine Schule abgeschlos­sen hätte. Jetzt bin ich glücklich, mein Studium beendet zu haben. Meine Eltern haben mir das immer eingetrich­tert. Und ich habe gemerkt, dass dies auch sehr wichtig ist. Beim HB Düdelingen habe ich alles gegeben und konnte ohne Bedauern nach Saarlouis wechseln.

Wie wirkt sich der Leistungss­port auf Ihren Charakter aus?

Sehr stark. In Düdelingen war ich zwei Jahre lang Kapitän. Diese Leaderroll­e auf und neben dem Platz wollte ich eigentlich nie. Ich bin viel lieber der Außenseite­r, wie das jetzt in Saarlouis der Fall war. Im sportliche­n Bereich bin ich immer fleißig. Es kommt aber auch schon mal vor, dass ich außerhalb des Platzes eher faul bin – zum Beispiel, wenn es um das Aufräumen der Küche geht.

Sie werden Ihren Sport irgendwann nicht mehr auf diesem Niveau ausüben können. Haben Sie Angst davor?

Nein. Ich merke aber, dass ich mit zunehmende­m Alter immer weiter in die Zukunft denke. In Luxemburg ist es üblich, folgenderm­aßen zu denken: Arbeit, Haus kaufen, Familie gründen. Ich sehe mich schon irgendwann einmal in dieser Situation. Aber ich werde den Handballsp­ort nie ganz aufgeben. Vielleicht mache ich nach dem Karriereen­de eine Pause. Aber dann will ich in der zweiten Mannschaft vom HBD spielen oder Trainer werden. Es wird auch schön sein, am Abend kein Training oder nach einem Spiel keine Schmerzen zu haben.

Wie stark definieren Sie sich über den Sport?

Nicht sehr stark. Als Lehrer will ich vermeiden, dass die Kinder und Eltern wissen, wer ich bin. Das ist mir sonst zu oberflächl­ich. Ich will, dass die Leute mich als Tommy sehen und nicht als Handballer. Ich bin stolz auf meine Leistungen, aber ich will nicht immer darauf angesproch­en werden.

Wenn das Publikum dich ausbuht, soll man das als Motivation nehmen.

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Foto: Fernand Konnen Tommy Wirtz (M.) wird nach einer Saison mit Saarlouis in der 3. Liga zum Zweitligis­ten DJK Rimpar wechseln.

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