„Ich bin lieber der Außenseiter“
Nationalspieler Tommy Wirtz mag die Spannung beim Handball und freut sich auf die Zukunft
Tommy Wirtz fehlt während der Corona-krise das Teamgefühl. Der Handballer wird zur neuen Saison als Profi zum deutschen Zweitligisten DJK Rimpar wechseln und sich auch dort nicht vom Publikum beeinflussen lassen. Seine Rituale beim Siebenmeter wird der 28-Jährige beibehalten, wie er in der Serie „Mein Sport und ich“erzählt.
Tommy Wirtz, was fehlt Ihnen an Ihrem Sport am meisten?
Mir fehlt das Zusammensein mit den Teamkollegen, vor und nach dem Spiel oder dem Training.
Im Handball kann die Begegnung noch bis zur letzten Sekunde gedreht werden. Es ist alles drin in dieser Sportart: Schnelligkeit, Dynamik und Körperkontakt. Ich finde es enorm spannend, Handballspiele im Fernsehen anzuschauen. Der Körperkontakt ist sicherlich ein Bonus im Vergleich zu einer Einzelsportart. Der Fakt, dass nicht ein einzelner Spieler entscheidend ist, macht die Sportart noch anziehender.
Wollten Sie einmal auf einer anderen Position spielen?
Durch den Körperbau ist meistens vorbestimmt, auf welcher Position ein Handballspieler zum Einsatz kommt. Ich bin zufrieden mit der Linksaußenposition. Dazu übernehme ich aber auch gerne Verantwortung als Spieler in der Mitte.
Was mögen Sie an Ihrem Leben als Profihandballer nicht?
Das Reisen ist anstrengend. Ein Beispiel: Wir fahren sieben Stunden, um eine Begegnung zu bestreiten. Dann wirst du von 2 000 Zuschauern 60 Minuten lang ausgebuht. Nach dem Spiel geht es dann wieder nach Hause. Und am kommenden Tag musst du im Training wieder 100 Prozent geben. Du musst körperlich und mental bereit sein. Das kann man nicht lernen.
Schauen Sie während eines Spiels auf die Tribünen?
Nein, überhaupt nicht. Während eines Pokalendspiels bei den Junioren hatte ich mich mal mit einem Zuschauer verbal angelegt. Mein Vater hat mich darauf hingewiesen, dass mich dies nur aus dem Konzept bringt und ich der Verlierer sei. Ich schaue vor und nach dem Spiel in die Zuschauerränge. Wenn dich das Publikum ausbuht, soll man das als Motivation nehmen. Du musst als Spieler sehr stark im Kopf sein. Das wird im Laufe der Karriere immer besser. Dennoch bekommt man als Spieler Rufe aus dem Publikum mit. Diese Saison haben wir in Dansenberg gespielt. Ich wurde dort verbal angegriffen: Als Ausländer solle ich das Land verlassen. Wenn du solche Sachen ernst nimmst, hörst du mit dem Sport auf.
Wissen Sie vor einem Siebenmeter, wo Sie hinwerfen werden?
Nein. Ich habe natürlich meine Vorlieben. Vor dem Spiel beschäftige ich mich mit dem gegnerischen Torwart, zum Beispiel ob er sich viel Videomaterial von mir anschaut oder ob er sich bei Schüssen gerne groß macht. Kurz vor dem Wurf schaue ich mir dann nur noch an, wie er sich positioniert.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken: Was würden
Sie anders machen?
Wenn ich die Chance gehabt hätte, eher ins Ausland zu wechseln, hätte ich den Schritt gewagt – aber nur, wenn ich meine Schule abgeschlossen hätte. Jetzt bin ich glücklich, mein Studium beendet zu haben. Meine Eltern haben mir das immer eingetrichtert. Und ich habe gemerkt, dass dies auch sehr wichtig ist. Beim HB Düdelingen habe ich alles gegeben und konnte ohne Bedauern nach Saarlouis wechseln.
Wie wirkt sich der Leistungssport auf Ihren Charakter aus?
Sehr stark. In Düdelingen war ich zwei Jahre lang Kapitän. Diese Leaderrolle auf und neben dem Platz wollte ich eigentlich nie. Ich bin viel lieber der Außenseiter, wie das jetzt in Saarlouis der Fall war. Im sportlichen Bereich bin ich immer fleißig. Es kommt aber auch schon mal vor, dass ich außerhalb des Platzes eher faul bin – zum Beispiel, wenn es um das Aufräumen der Küche geht.
Sie werden Ihren Sport irgendwann nicht mehr auf diesem Niveau ausüben können. Haben Sie Angst davor?
Nein. Ich merke aber, dass ich mit zunehmendem Alter immer weiter in die Zukunft denke. In Luxemburg ist es üblich, folgendermaßen zu denken: Arbeit, Haus kaufen, Familie gründen. Ich sehe mich schon irgendwann einmal in dieser Situation. Aber ich werde den Handballsport nie ganz aufgeben. Vielleicht mache ich nach dem Karriereende eine Pause. Aber dann will ich in der zweiten Mannschaft vom HBD spielen oder Trainer werden. Es wird auch schön sein, am Abend kein Training oder nach einem Spiel keine Schmerzen zu haben.
Wie stark definieren Sie sich über den Sport?
Nicht sehr stark. Als Lehrer will ich vermeiden, dass die Kinder und Eltern wissen, wer ich bin. Das ist mir sonst zu oberflächlich. Ich will, dass die Leute mich als Tommy sehen und nicht als Handballer. Ich bin stolz auf meine Leistungen, aber ich will nicht immer darauf angesprochen werden.
Wenn das Publikum dich ausbuht, soll man das als Motivation nehmen.