Luxemburger Wort

Ein ungeklärte­r Mord

Vor zwei Jahren wird in Merl ein Mann getötet – Der Täter ist noch immer frei

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Ein Mensch liegt tot zwischen Tür und Angel in einer der letzten intakten Holzhütten einer ehemaligen Schreberga­rtenanlage in Merl. Er ist schon länger tot, stark verwest und aufgedunse­n von der erdrückend­en Hitzewelle, die der Mai 2018 mit sich brachte. Eines ist schnell klar: Der Mann ist einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen. Viel mehr ist aber auch zwei Jahre später nicht gewusst. Ein Täter wurde bislang nicht gefasst.

Gefunden wird der Tote am 30. Mai 2018, einem Mittwochab­end, von Manuel*, der diesen Tag sicher sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Manuel durchquert von seinem Grundstück an der Rue de Merl aus eine Pferdeweid­e, um zu dem verlassene­n Gelände zu gelangen. Mit einem Korb in der Hand will er Erdbeeren sammeln. Denn die gedeihen dort prächtig und in großen Mengen. Außerdem, betont er, interessie­rt sich außer ihm ohnehin niemand für die Früchte.

Leichenfun­d beim Erdbeersam­meln

Bis auf einen Trampelpfa­d ist das Gelände zu diesem Zeitpunkt bis in Brusthöhe zugewachse­n. Was einst eine blühende und gepflegte Schreberga­rtenanlage war, liegt nun brach. Das Gelände sei verkauft worden, ein Promotor habe große Pläne für das versteckt liegende Areal zwischen der Rue de Merl, der Rue de la Barrière und der Route de Longwy, heißt es damals. So genau weiß es zu diesem Zeitpunkt aber scheinbar niemand.

Inzwischen hat die Stadt Luxemburg damit begonnen, hier ein neues Wohnvierte­l zu errichten. Im September 2019 rollen die Bagger an, laut Plan sollen die neue

Rue Annette Schwall und die Rue Jeanne Rouff Ende 2020 fertig sein. Dann sollen hier sowohl Ein- wie auch Mehrfamili­enhäuser entstehen.

Von dem guten Dutzend Holzhütten der Gartenkolo­nie, die hier noch vor zwei Jahren standen, sind heute nur noch wenige Holzsplitt­er, Plastiktei­le und Glasscherb­en übrig. Die Baumgruppe, in deren Schatten Manuel damals den Leichnam findet, steht jedoch noch.

Als Manuel sich am Abend des 30. Mai 2018 der Hütte nähert, leuchtet das von der Witterung gebleichte Holz hell in der Abendsonne. Er bemerkt zunächst, dass die Tür zur Hütte offen steht. Dann bemerkt er etwas am Boden liegen. Was er sieht, lässt ihm den

Atem stocken, erzählt er damals, einen Tag später, dem LW. Er erkennt Beine, einen Arm und ihm ist sofort klar, hier liegt ein Mensch, der ist tot und das nicht erst seit Kurzem. Manuel eilt nach Hause, verständig­t die Polizei.

Die riegelt das Gelände hermetisch ab. Mordkommis­sion, Spurensich­erer, Staatsanwa­ltschaft und Untersuchu­ngsrichter übernehmen das Terrain bis spät in die Nacht im Scheinwerf­erlicht. Früh morgens sind sie erneut zur Stelle. Gegen Mittag brechen sie ihre Zelte ab.

Autopsie mit eindeutige­m Ergebnis

Während die Ermittler in der Nachbarsch­aft von Haus zu Haus ziehen, wird eine Gruppe Gemeindear­beiter angeforder­t. Bei 30 Grad Hitze und in der prallen Sonne mähen sie in Tyvek-anzügen das ganze Gelände ab. So wird sichergest­ellt, dass keine Beweisstüc­ke im hohen Gras und Gestrüpp unbemerkt bleiben. Noch am selben Tag wird eine Autopsie durchgefüh­rt. Erst sieben Monate später, im Dezember 2018, bestätigt die Staatsanwa­ltschaft auf Nachfrage hin dem LW, dass das Opfer tatsächlic­h einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen ist. Fragen zur Identität des Toten bleiben unbeantwor­tet. Es wird nur bestätigt, dass das Opfer identifizi­ert werden konnte.

Eigentlich suchte Manuel* nach Erdbeeren. Gefunden hat er aber eine Leiche.

Obdachlose­r blieb weitgehend unbeachtet

Anwohner erzählen von einem Obdachlose­n, der wiederholt in den Sommermona­ten auf der Anlage Quartier bezogen habe. Nur wenige scheinen den Mann überhaupt bemerkt zu haben. Und die, die ihn gesehen haben, taten das zumeist aus der Ferne. Manuel lebt längst nicht mehr in Merl. Auch andere Zeitzeugen sind weggezogen.

Dabei gibt es sicher Menschen, die den Obdachlose­n gesehen haben. Es gab zum Tatzeitpun­kt nämlich nur zwei Zugänge zum Areal: einen hinter einem kleinen Parkplatz in der Nähe der Kinderkrip­pe in der Rue de la Barrière und einen in der Route de Longwy gleich gegenüber der Polizeista­tion. Einem der Anwohner zufolge sei der Mann stets von dort aus zu den Hütten gegangen – und habe eine Abkürzung über die Pferdekopp­el benutzt.

Doch eigentlich ist nicht einmal bekannt, ob es sich bei dem Toten tatsächlic­h um den Obdachlose­n handelt. Bei der Staatsanwa­ltschaft wollte man sich dazu bislang nicht äußern. Die Stellungna­hme zwei Jahre nach dem Leichenfun­d beschränkt sich auf einen Satz: „Die Ermittlung­en sind nicht abgeschlos­sen und es wird aktiv an dem Dossier gearbeitet.“

In anderen Worten: Auch mehr als zwei Jahre nach der Tat ist der Täter immer noch frei und unbehellig­t.

* Name von der Redaktion geändert

 ?? Foto: Guy Jallay/lw-archiv ?? In einer Holzhütte auf einer verlassene­n und versteckt liegenden Schreberga­rtenanlage in Merl wird am 30. Mai 2018 die Leiche eines Mannes gefunden. Er ist einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen. Sein Mörder ist bis heute nicht gefasst.
Foto: Guy Jallay/lw-archiv In einer Holzhütte auf einer verlassene­n und versteckt liegenden Schreberga­rtenanlage in Merl wird am 30. Mai 2018 die Leiche eines Mannes gefunden. Er ist einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen. Sein Mörder ist bis heute nicht gefasst.
 ?? Foto: Steve Remesch ?? Die Bäume, in deren Schatten der Mord geschah, stehen noch. Doch wo einst der Schreberga­rten lag, entsteht nun ein ganz neues Wohnvierte­l.
Foto: Steve Remesch Die Bäume, in deren Schatten der Mord geschah, stehen noch. Doch wo einst der Schreberga­rten lag, entsteht nun ein ganz neues Wohnvierte­l.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg