Ein ungeklärter Mord
Vor zwei Jahren wird in Merl ein Mann getötet – Der Täter ist noch immer frei
Luxemburg. Ein Mensch liegt tot zwischen Tür und Angel in einer der letzten intakten Holzhütten einer ehemaligen Schrebergartenanlage in Merl. Er ist schon länger tot, stark verwest und aufgedunsen von der erdrückenden Hitzewelle, die der Mai 2018 mit sich brachte. Eines ist schnell klar: Der Mann ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Viel mehr ist aber auch zwei Jahre später nicht gewusst. Ein Täter wurde bislang nicht gefasst.
Gefunden wird der Tote am 30. Mai 2018, einem Mittwochabend, von Manuel*, der diesen Tag sicher sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Manuel durchquert von seinem Grundstück an der Rue de Merl aus eine Pferdeweide, um zu dem verlassenen Gelände zu gelangen. Mit einem Korb in der Hand will er Erdbeeren sammeln. Denn die gedeihen dort prächtig und in großen Mengen. Außerdem, betont er, interessiert sich außer ihm ohnehin niemand für die Früchte.
Leichenfund beim Erdbeersammeln
Bis auf einen Trampelpfad ist das Gelände zu diesem Zeitpunkt bis in Brusthöhe zugewachsen. Was einst eine blühende und gepflegte Schrebergartenanlage war, liegt nun brach. Das Gelände sei verkauft worden, ein Promotor habe große Pläne für das versteckt liegende Areal zwischen der Rue de Merl, der Rue de la Barrière und der Route de Longwy, heißt es damals. So genau weiß es zu diesem Zeitpunkt aber scheinbar niemand.
Inzwischen hat die Stadt Luxemburg damit begonnen, hier ein neues Wohnviertel zu errichten. Im September 2019 rollen die Bagger an, laut Plan sollen die neue
Rue Annette Schwall und die Rue Jeanne Rouff Ende 2020 fertig sein. Dann sollen hier sowohl Ein- wie auch Mehrfamilienhäuser entstehen.
Von dem guten Dutzend Holzhütten der Gartenkolonie, die hier noch vor zwei Jahren standen, sind heute nur noch wenige Holzsplitter, Plastikteile und Glasscherben übrig. Die Baumgruppe, in deren Schatten Manuel damals den Leichnam findet, steht jedoch noch.
Als Manuel sich am Abend des 30. Mai 2018 der Hütte nähert, leuchtet das von der Witterung gebleichte Holz hell in der Abendsonne. Er bemerkt zunächst, dass die Tür zur Hütte offen steht. Dann bemerkt er etwas am Boden liegen. Was er sieht, lässt ihm den
Atem stocken, erzählt er damals, einen Tag später, dem LW. Er erkennt Beine, einen Arm und ihm ist sofort klar, hier liegt ein Mensch, der ist tot und das nicht erst seit Kurzem. Manuel eilt nach Hause, verständigt die Polizei.
Die riegelt das Gelände hermetisch ab. Mordkommission, Spurensicherer, Staatsanwaltschaft und Untersuchungsrichter übernehmen das Terrain bis spät in die Nacht im Scheinwerferlicht. Früh morgens sind sie erneut zur Stelle. Gegen Mittag brechen sie ihre Zelte ab.
Autopsie mit eindeutigem Ergebnis
Während die Ermittler in der Nachbarschaft von Haus zu Haus ziehen, wird eine Gruppe Gemeindearbeiter angefordert. Bei 30 Grad Hitze und in der prallen Sonne mähen sie in Tyvek-anzügen das ganze Gelände ab. So wird sichergestellt, dass keine Beweisstücke im hohen Gras und Gestrüpp unbemerkt bleiben. Noch am selben Tag wird eine Autopsie durchgeführt. Erst sieben Monate später, im Dezember 2018, bestätigt die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage hin dem LW, dass das Opfer tatsächlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Fragen zur Identität des Toten bleiben unbeantwortet. Es wird nur bestätigt, dass das Opfer identifiziert werden konnte.
Eigentlich suchte Manuel* nach Erdbeeren. Gefunden hat er aber eine Leiche.
Obdachloser blieb weitgehend unbeachtet
Anwohner erzählen von einem Obdachlosen, der wiederholt in den Sommermonaten auf der Anlage Quartier bezogen habe. Nur wenige scheinen den Mann überhaupt bemerkt zu haben. Und die, die ihn gesehen haben, taten das zumeist aus der Ferne. Manuel lebt längst nicht mehr in Merl. Auch andere Zeitzeugen sind weggezogen.
Dabei gibt es sicher Menschen, die den Obdachlosen gesehen haben. Es gab zum Tatzeitpunkt nämlich nur zwei Zugänge zum Areal: einen hinter einem kleinen Parkplatz in der Nähe der Kinderkrippe in der Rue de la Barrière und einen in der Route de Longwy gleich gegenüber der Polizeistation. Einem der Anwohner zufolge sei der Mann stets von dort aus zu den Hütten gegangen – und habe eine Abkürzung über die Pferdekoppel benutzt.
Doch eigentlich ist nicht einmal bekannt, ob es sich bei dem Toten tatsächlich um den Obdachlosen handelt. Bei der Staatsanwaltschaft wollte man sich dazu bislang nicht äußern. Die Stellungnahme zwei Jahre nach dem Leichenfund beschränkt sich auf einen Satz: „Die Ermittlungen sind nicht abgeschlossen und es wird aktiv an dem Dossier gearbeitet.“
In anderen Worten: Auch mehr als zwei Jahre nach der Tat ist der Täter immer noch frei und unbehelligt.
* Name von der Redaktion geändert