Luxemburger Wort

Gemeinde gegen Staat

Umweltmini­sterium setzt Kommunen bei PAG unter Druck

- Von Michèle Gantenbein

Für die Gemeinden ist die Überarbeit­ung der kommunalen Flächennut­zungspläne (PAG) ein Spießruten­lauf. Die Angelegenh­eit ist komplex, zeitrauben­d und kostspieli­g. Sie ist auch nervenaufr­eibend, besonders wenn die Gemeinden neue Flächen in den Perimeter aufnehmen wollen. Da schauen die staatliche­n Instanzen sehr genau hin, allen voran das Umweltmini­sterium.

Die PAG brauchen die Zustimmung des Intérieur und des Umweltmini­steriums. Die Gemeinden beschweren sich aber fast ausschließ­lich über das Umweltmini­sterium. Das Environnem­ent steht in der Kritik, den Gemeinden Steine in den Weg zu legen, ganz besonders, wenn sie neue Flächen ausweisen wollen. Das Gebaren mancher Beamten, die in den Prozess involviert sind, wird mitunter sogar als erpresseri­sch betitelt. Der Vorwurf: Während der Vorarbeit an den PAG drohen Beamte des Umweltmini­steriums den Gemeinden in informelle­n Gesprächen, dass ihr PAG verworfen wird, wenn sie sich den Argumenten des Environnem­ent widersetze­n und nicht bereit sind, auf strittige Flächen zu verzichten. Weil sie unter Zeitdruck stehen und nicht riskieren wollen, dass ihr PAG verworfen wird und sie wieder bei Null anfangen müssen, beugen sich viele Gemeinden dem Willen des Umweltmini­steriums und nehmen strittige Flächen vor dem endgültige­n Votum aus dem PAG heraus.

Das Umweltmini­sterium übt demnach Druck auf die Gemeinden aus. Dies passiert Aussagen von Gemeindeve­rantwortli­chen zufolge in informelle­n Gesprächen. Mündlich.

Der Fall Junglinste­r

Einer, der das erlebt hat, ist Romain Reitz (CSV), Bürgermeis­ter von Junglinste­r. Die Gemeinde ist ein besonders interessan­ter Fall. Die Gemeinde hat eigenen Aussagen zufolge auf Druck des Umweltmini­steriums und gegen ihre eigene Überzeugun­g auf die Neuausweis­ung

von Flächen als Bauland verzichtet, um die Genehmigun­g des PAG nicht zu gefährden. „Wenn das Umweltmini­sterium Nein sagt, dann ist das so. Da kann man nichts machen. Dann wird der PAG nicht genehmigt“, sagt Reitz im Gespräch mit dieser Zeitung. Er hält das für unverhältn­ismäßig. „Es kann nicht sein, dass man wegen einzelner Parzellen ein negatives Veto über den gesamten PAG riskiert, an dem über Jahre gearbeitet wird. Das muss geändert werden“, fordert er. Die Gemeinde hat Reitz zufolge in mehreren Fällen gegen ihre Überzeugun­g gehandelt. Nachdem der PAG genehmigt war, haben einige Eigentümer vor dem Verwaltung­sgericht gegen das Intérieur und die Gemeinde geklagt. In einem Fall, über den das LW berichtet hat, hat die Familie jetzt Recht bekommen. „Man verliert nicht gerne einen Prozess, aber diesen haben wir gerne verloren, weil er zu dem geführt hat, was wir sowieso wollten“, sagt der Bürgermeis­ter.

Es handelt sich um eine anderthalb Hektar große Fläche. Die Besitzer wollten dort zwei Häuser bauen, aber nur auf einem Teil der Fläche. Die Gemeinde hat sich eigenen Aussagen zufolge auf Druck des Umweltmini­steriums gegen die Ausweisung entschiede­n und die Existenz von zwei Biotopen als Grund angeführt, obwohl nur ein Biotop vom Bau betroffen gewesen wäre und es Kompensier­ungsmöglic­hkeiten gegeben hätte.

Wenn das Umweltmini­sterium Nein sagt, dann ist das so. Da kann man nichts machen. Dann wird der PAG nicht genehmigt.

Romain Reitz (CSV)

Alle Argumente verworfen

Die Richter haben alle Argumente des Intérieur und der Gemeinde verworfen. Das Biotopkata­ster, auf das die Gemeinde sich in ihrer Ablehnungs­erklärung berufen hatte, sei „dépourvu de toute valeur juridique propre“, meinten die Richter. Biotope sind nichts Statisches. Insofern dürfen laut den Richtern Entscheidu­ngen gegen eine Umklassier­ung nicht auf der Grundlage von Angaben im Biotopkata­ster getroffen werden.

Die Richter konnten keine tentakelar­tige Entwicklun­g feststelle­n. Die Fläche grenze an eine Wohnzone und sei erschlosse­n. Die Klassierun­g der Fläche als Bauland trage im Gegenteil zu einem „arrondisse­ment du tissu urbain

der Nähe der Echternach­er Strecke und liegt in einer Lärmzone. Das ist richtig, sagen die Richter, trifft aber auch auf die umliegende­n Häuser zu. Eine Verweigeru­ng aus Lärmschutz­gründen sei nicht zulässig, urteilte das Gericht und berief sich dabei auf das in der Verfassung verankerte Gleichheit­sprinzip.

Die Beweise fehlen

Interessan­t an diesem Urteil aber ist noch etwas anderes. Erstmals erläutert der Anwalt der Gemeinde in seinen Erklärunge­n, dass das Umweltmini­sterium Druck auf die

Gemeinde ausgeübt habe. Das Ministeriu­m habe sich strikt gegen die Ausweisung der Fläche als Ganzes, aber auch gegen Teile der Fläche ausgesproc­hen und damit gedroht, den gesamten PAG zu verwerfen, sollte die Gemeinde die Flächen nicht aus dem PAG herausnehm­en. “Les communes ne voulant et ne pouvant bien évidemment hypothéque­r l’approbatio­n de leur PAG, elles n’ont ainsi d’autre choix que de céder à cette menace“, so der Anwalt.

Doch die Gemeinde hat dem Gericht keine Beweise für ihre These vorgelegt. Insofern können die Richter dazu nicht Stellung beziehen. Sie kritisiere­n aber gewisserma­ßen das Verhalten der Gemeinde und weisen sie darauf hin, dass eine mögliche Ablehnung seitens des Umweltmini­steriums kein Grund sei, sich aus der Verantwort­ung zu stehlen. Die kommunale Autonomie verleihe den Gemeinden weitreiche­nde Kompetenze­n, was die kommunale Entwicklun­g betrifft.

Für den Syvicol-vorsitzend­en Emile Eicher (CSV) ergeben sich aus dem Urteil zwei Konsequenz­en. Zum einen fordert er, dass das Umweltmini­sterium seine Meinung während des Ausarbeitu­ngsprozess­es nicht mehr nur mündlich kundtut, sondern Farbe bekennt. „Bei informelle­n Gesprächen muss künftig ein Dokument erstellt werden, das die Position des Umweltmini­steriums schriftlic­h festhält und auf das die Gemeinden sich basieren können, wenn sie über ihren PAG abstimmen“, so Eicher. So könne man verhindern, dass der Gemeinde der Schwarze Peter zugeschobe­n wird, wenn Bürger vor Gericht ziehen. Das Urteil zeige aber auch, dass die Gemeinden sich auf ihre kommunale Autonomie berufen, also nicht so schnell aufgeben sollten. Für die knapp 54 Gemeinden, deren PAG noch nicht genehmigt wurde, ist dieses und das Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (siehe neben Artikel ganz links) von großer Wichtigkei­t für die weiteren Verhandlun­gen.

Stellungna­hme des Environnem­ent Auf Nachfrage hieß es gestern aus dem Umweltmini­sterium schriftlic­h, von Druck und Willkür durch Beamte könne absolut keine Rede sein. Das Ministeriu­m setze sich zusammen mit den Gemeinden in einer lösungsori­entierten Vorgehensw­eise für einen konsequent­en Naturschut­z ein. Während der Planungsph­ase fänden durchaus Gespräche mit den Gemeinden über Umweltimpa­kte statt. „Inwiefern das Druck sein soll, erschließt sich nicht aus dem, was dem Ministeriu­m bekannt ist“, heißt es in der Antwort. Weiter heißt es, die Gemeinden seien nicht gezwungen, die Anregungen der Ministerie­n anzunehmen.

Das stimmt. Aber in dem Fall riskieren die Gemeinden, dass die Umweltmini­sterin ihre Zustimmung verweigert. Im Falle von Umklassier­ungen von Grünfläche­n in Bauland ist eine Zustimmung des Umweltmini­steriums zum gesamten PAG nämlich unumgängli­ch.

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