Gemeinde gegen Staat
Umweltministerium setzt Kommunen bei PAG unter Druck
Für die Gemeinden ist die Überarbeitung der kommunalen Flächennutzungspläne (PAG) ein Spießrutenlauf. Die Angelegenheit ist komplex, zeitraubend und kostspielig. Sie ist auch nervenaufreibend, besonders wenn die Gemeinden neue Flächen in den Perimeter aufnehmen wollen. Da schauen die staatlichen Instanzen sehr genau hin, allen voran das Umweltministerium.
Die PAG brauchen die Zustimmung des Intérieur und des Umweltministeriums. Die Gemeinden beschweren sich aber fast ausschließlich über das Umweltministerium. Das Environnement steht in der Kritik, den Gemeinden Steine in den Weg zu legen, ganz besonders, wenn sie neue Flächen ausweisen wollen. Das Gebaren mancher Beamten, die in den Prozess involviert sind, wird mitunter sogar als erpresserisch betitelt. Der Vorwurf: Während der Vorarbeit an den PAG drohen Beamte des Umweltministeriums den Gemeinden in informellen Gesprächen, dass ihr PAG verworfen wird, wenn sie sich den Argumenten des Environnement widersetzen und nicht bereit sind, auf strittige Flächen zu verzichten. Weil sie unter Zeitdruck stehen und nicht riskieren wollen, dass ihr PAG verworfen wird und sie wieder bei Null anfangen müssen, beugen sich viele Gemeinden dem Willen des Umweltministeriums und nehmen strittige Flächen vor dem endgültigen Votum aus dem PAG heraus.
Das Umweltministerium übt demnach Druck auf die Gemeinden aus. Dies passiert Aussagen von Gemeindeverantwortlichen zufolge in informellen Gesprächen. Mündlich.
Der Fall Junglinster
Einer, der das erlebt hat, ist Romain Reitz (CSV), Bürgermeister von Junglinster. Die Gemeinde ist ein besonders interessanter Fall. Die Gemeinde hat eigenen Aussagen zufolge auf Druck des Umweltministeriums und gegen ihre eigene Überzeugung auf die Neuausweisung
von Flächen als Bauland verzichtet, um die Genehmigung des PAG nicht zu gefährden. „Wenn das Umweltministerium Nein sagt, dann ist das so. Da kann man nichts machen. Dann wird der PAG nicht genehmigt“, sagt Reitz im Gespräch mit dieser Zeitung. Er hält das für unverhältnismäßig. „Es kann nicht sein, dass man wegen einzelner Parzellen ein negatives Veto über den gesamten PAG riskiert, an dem über Jahre gearbeitet wird. Das muss geändert werden“, fordert er. Die Gemeinde hat Reitz zufolge in mehreren Fällen gegen ihre Überzeugung gehandelt. Nachdem der PAG genehmigt war, haben einige Eigentümer vor dem Verwaltungsgericht gegen das Intérieur und die Gemeinde geklagt. In einem Fall, über den das LW berichtet hat, hat die Familie jetzt Recht bekommen. „Man verliert nicht gerne einen Prozess, aber diesen haben wir gerne verloren, weil er zu dem geführt hat, was wir sowieso wollten“, sagt der Bürgermeister.
Es handelt sich um eine anderthalb Hektar große Fläche. Die Besitzer wollten dort zwei Häuser bauen, aber nur auf einem Teil der Fläche. Die Gemeinde hat sich eigenen Aussagen zufolge auf Druck des Umweltministeriums gegen die Ausweisung entschieden und die Existenz von zwei Biotopen als Grund angeführt, obwohl nur ein Biotop vom Bau betroffen gewesen wäre und es Kompensierungsmöglichkeiten gegeben hätte.
Wenn das Umweltministerium Nein sagt, dann ist das so. Da kann man nichts machen. Dann wird der PAG nicht genehmigt.
Romain Reitz (CSV)
Alle Argumente verworfen
Die Richter haben alle Argumente des Intérieur und der Gemeinde verworfen. Das Biotopkataster, auf das die Gemeinde sich in ihrer Ablehnungserklärung berufen hatte, sei „dépourvu de toute valeur juridique propre“, meinten die Richter. Biotope sind nichts Statisches. Insofern dürfen laut den Richtern Entscheidungen gegen eine Umklassierung nicht auf der Grundlage von Angaben im Biotopkataster getroffen werden.
Die Richter konnten keine tentakelartige Entwicklung feststellen. Die Fläche grenze an eine Wohnzone und sei erschlossen. Die Klassierung der Fläche als Bauland trage im Gegenteil zu einem „arrondissement du tissu urbain
der Nähe der Echternacher Strecke und liegt in einer Lärmzone. Das ist richtig, sagen die Richter, trifft aber auch auf die umliegenden Häuser zu. Eine Verweigerung aus Lärmschutzgründen sei nicht zulässig, urteilte das Gericht und berief sich dabei auf das in der Verfassung verankerte Gleichheitsprinzip.
Die Beweise fehlen
Interessant an diesem Urteil aber ist noch etwas anderes. Erstmals erläutert der Anwalt der Gemeinde in seinen Erklärungen, dass das Umweltministerium Druck auf die
Gemeinde ausgeübt habe. Das Ministerium habe sich strikt gegen die Ausweisung der Fläche als Ganzes, aber auch gegen Teile der Fläche ausgesprochen und damit gedroht, den gesamten PAG zu verwerfen, sollte die Gemeinde die Flächen nicht aus dem PAG herausnehmen. “Les communes ne voulant et ne pouvant bien évidemment hypothéquer l’approbation de leur PAG, elles n’ont ainsi d’autre choix que de céder à cette menace“, so der Anwalt.
Doch die Gemeinde hat dem Gericht keine Beweise für ihre These vorgelegt. Insofern können die Richter dazu nicht Stellung beziehen. Sie kritisieren aber gewissermaßen das Verhalten der Gemeinde und weisen sie darauf hin, dass eine mögliche Ablehnung seitens des Umweltministeriums kein Grund sei, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die kommunale Autonomie verleihe den Gemeinden weitreichende Kompetenzen, was die kommunale Entwicklung betrifft.
Für den Syvicol-vorsitzenden Emile Eicher (CSV) ergeben sich aus dem Urteil zwei Konsequenzen. Zum einen fordert er, dass das Umweltministerium seine Meinung während des Ausarbeitungsprozesses nicht mehr nur mündlich kundtut, sondern Farbe bekennt. „Bei informellen Gesprächen muss künftig ein Dokument erstellt werden, das die Position des Umweltministeriums schriftlich festhält und auf das die Gemeinden sich basieren können, wenn sie über ihren PAG abstimmen“, so Eicher. So könne man verhindern, dass der Gemeinde der Schwarze Peter zugeschoben wird, wenn Bürger vor Gericht ziehen. Das Urteil zeige aber auch, dass die Gemeinden sich auf ihre kommunale Autonomie berufen, also nicht so schnell aufgeben sollten. Für die knapp 54 Gemeinden, deren PAG noch nicht genehmigt wurde, ist dieses und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (siehe neben Artikel ganz links) von großer Wichtigkeit für die weiteren Verhandlungen.
Stellungnahme des Environnement Auf Nachfrage hieß es gestern aus dem Umweltministerium schriftlich, von Druck und Willkür durch Beamte könne absolut keine Rede sein. Das Ministerium setze sich zusammen mit den Gemeinden in einer lösungsorientierten Vorgehensweise für einen konsequenten Naturschutz ein. Während der Planungsphase fänden durchaus Gespräche mit den Gemeinden über Umweltimpakte statt. „Inwiefern das Druck sein soll, erschließt sich nicht aus dem, was dem Ministerium bekannt ist“, heißt es in der Antwort. Weiter heißt es, die Gemeinden seien nicht gezwungen, die Anregungen der Ministerien anzunehmen.
Das stimmt. Aber in dem Fall riskieren die Gemeinden, dass die Umweltministerin ihre Zustimmung verweigert. Im Falle von Umklassierungen von Grünflächen in Bauland ist eine Zustimmung des Umweltministeriums zum gesamten PAG nämlich unumgänglich.