Luxemburger Wort

„Ich habe das Gefühl, ich bin im falschen Film“

Drei erweiterte Fragen sorgen für teils heftige Diskussion­en im Parlament – Premier Bettel verteidigt bisheriges Corona-tracing

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Auch nach der parlamenta­rischen Fragestund­e war der Wissensdur­st der Abgeordnet­en gestern noch nicht gestillt. Im Anschluss diskutiert­e die Chamber nämlich noch drei Questions élargies. So erkundigte sich Laurent Mosar (CSV) über die Zukunft des Satelliten­betreibers SES. Bei der Firma handele es sich um eines der Aushängesc­hilder der luxemburgi­schen Weltraumin­dustrie, das in den vergangene­n Monaten jedoch „in schwierige Gewässer geraten ist“, 60 bis 75 der 600 Arbeitsplä­tze im Großherzog­tum sollen gefährdet sein. Mosar wollte vor allem wissen, ob die Regierung als wichtigste­r Aktionär die Aufteilung der Gesellscha­ft in zwei Bereiche, Videos und Networks, bestätigen könne. Dadurch besteht seiner Meinung nach die Gefahr, dass sich die SES nach und nach aus Luxemburg zurückzieh­en und später von einer anderen Firma übernommen werden könnte.

Premier- und Medienmini­ster Xavier Bettel (DP) unterstric­h, dass es sich bei der SES um ein privates Unternehme­n handele, auch wenn der luxemburgi­sche Staat ein historisch wichtiger Aktionär sei. Der Fernsehmar­kt habe sich verändert, sowohl in Bezug auf die Gewohnheit­en der Konsumente­n als auch auf die Zahl der Mitbewerbe­r. Deswegen sei eine Umstruktur­ierung,

zu der auch die von Mosar erwähnte Aufteilung in zwei Bereiche gehören könnte, zum Zweck der Kostenredu­zierung nötig. Bettel bestätigte, dass auch der Standort Luxemburg von den Umwälzunge­n betroffen sein wird. Nichtsdest­otrotz bekenne sich das Unternehme­n zu Luxemburg als Hauptsitz.

Von Mosars Fraktionsk­ollege Claude Wiseler war es die Frage, wie die Regierung künftig beim Corona-tracing vorgehen will. Derzeit geschieht dies analog und die Regierung hat sich bislang stets kritisch zu einer Tracing-app geäußert, vor allem mit Blick auf die Gefahren beim Datenschut­z. Wiseler forderte eine sachliche Debatte nach dem Vorbild der Nachbarlän­der zu diesem Thema und warf der Regierung eine vorgeferti­gte Meinung vor. Er verwies auch auf einen Bericht des nationalen Ethikrats, in dem sich das Gremium für die Einführung einer digitalen App unter bestimmten Bedingunge­n ausspricht.

„Ich habe das Gefühl, ich bin im falschen Film“, so Bettel in seiner Reaktion. „Vor einem Monat hat das Parlament noch mit den Stimmen aller Parteien außer der ADR eine Motion gestimmt, in der die Regierung aufgeforde­rt wird, auf ein analoges Tracing zu setzen, solange das möglich ist, jetzt wird das

Gegenteil gefordert.“Er sei bereit seine Hausaufgab­en zu machen, allerdings müsse das Parlament ihm zuerst sagen, was es will.

Kritik an Post-liberalisi­erung

David Wagner (Déi Lénk) wollte seinerseit­s Details zur Verwaltung des Immobilien­bestands der Postgruppe erfahren. Dies vor dem Hintergrun­d der Reorganisa­tion des Unternehme­ns mit der Schließung zahlreiche­r Filialen, darunter jene am Hamilius. Er kritisiert­e diese Entwicklun­g sowie die Zusammenar­beit mit der privaten Supermarkt­kette Cactus.

Wirtschaft­sminister Franz Fayot (LSAP) verteidigt­e die Umstruktur­ierung des Unternehme­ns mit Verweis auf die gesteigert­e Verfügbark­eit. Im Jahr 2015 habe es 119 Verkaufsst­ellen gegeben, die 3 959 Stunden geöffnet waren, 2020 seien es noch 111 Verkaufsst­ellen, die 6 446 Öffnungsst­unden garantiert­en. Das Gebäude am Hamilius bleibe auch zukünftig im Besitz der Post, dort sollen Geschäfte, ein Hotel und Bürofläche­n angesiedel­t werden. MAH

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Der Satelliten­betreiber SES wird im Rahmen eines Umstruktur­ierungspla­ns wohl weltweit Arbeitsplä­tze abbauen.
Foto: Anouk Antony Der Satelliten­betreiber SES wird im Rahmen eines Umstruktur­ierungspla­ns wohl weltweit Arbeitsplä­tze abbauen.

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