Auf die Plätze, fertig, los
Das Rennen um die Nachfolge von Mario Centeno an der Spitze der Eurogruppe beginnt – Pierre Gramegna wird als Kandidat gehandelt
Mario Centeno wird kein zweites Mandat an der Spitze der Eurogruppe anstreben, des Gremiums der Finanzminister des Euroraums. Der portugiesische Finanzminister hat gestern verkündet, dass er sein Amt in Lissabon am 15. Juni beenden wird und dadurch auch sein Mandat an der Spitze der Eurogruppe nicht verlängern kann. Um die Eurogruppe zu leiten, sollte man auch selbst Mitglied sein.
Damit ist das Rennen um seine Nachfolge in Brüssel definitiv eröffnet. Centeno wird am Donnerstag den Ablauf dieses Rennens erklären und Bewerbungen offiziell ermöglichen. Inoffiziell sind aber bereits zwei Kandidaten im Gespräch: die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño und der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna (DP).
Für Calviño spricht so einiges: Die Spanierin gilt als gemäßigte Stimme der linken Regierung in Madrid. Sie ist kein Mitglied der sozialdemokratischen Partei in Spanien und wurde von Premier Pedro Sanchez wegen ihrer Fachkenntnis nominiert. Die parteilose Technokratin gilt außerdem als ausgezeichnete Brüsselversteherin – die Ökonomin und Juristin leitete von 2014 bis 2018 die Generaldirektion für Haushaltsplanung in der Europäischen Kommission. Da der Finne Tuomas Saarenheimo die „Euro Work Group“derzeit leitet, das mächtige und etwas unbekannte Vorbereitungsgremium für die Arbeiten der Eurogruppe, scheint der Weg für eine Südeuropäerin an der Spitze der Eurogruppe frei zu sein – unter Centeno leitete ein Niederländer die Arbeiten der „Euro Working Group“.
Doch gibt es auch Argumente für Gramegna. Der Luxemburger gehört zu den dienstältesten Finanzministern des Euroraums. Obendrein pflegt der Dp-politiker in Brüssel sein Image als Vermittler: Er ist kein Vertreter einer harten Linie, was die Haushaltsdisziplin angeht, sondern zeigte
Mario Centeno ist seit Ende 2017 Präsident der Eurogruppe in Brüssel. sich stets solidaritätsbereit mit Europas Süden. Gleichzeitig stammt er aus einem Land, das immer zu den guten Schülern gehört, zumindest was Haushaltsfragen angeht.
Gramegnas zweite Chance
Gramegna hatte bereits Ende 2017 erfolglos versucht, Präsident der Eurogruppe zu werden. Drei Elemente wurden ihm damals zum Verhängnis: Zum einen gab es mit Jean-claude Juncker bereits einen Präsidenten aus Luxemburg in der Brüsseler Machtmaschinerie. Zweitens stand das Großherzogtum damals kurz vor Wahlen, bei denen ungewiss war, ob der Dppolitiker danach noch in Regierungsverantwortung sein würde. Und Gramegnas liberale Parteienfamilie fehlte damals die Macht und die Einigkeit, sich durchzusetzen.
Ob die Eu-liberalen diesmal geschlossen auftreten werden, bleibt ungewiss, doch die anderen zwei Probleme hat Gramegna definitiv nicht mehr. Das Finanzministerium
wollte eine mögliche Kandidatur von Pierre Gramegna noch nicht kommentieren. Doch das schließt kaum etwas aus – 2017 hielt sich Gramegna ähnlich bedeckt: Gerne sondieren die Kandidaten ihre Chancen, bevor sie den Hut in den Ring werfen.
Auf den nächsten Chef der Eurogruppe kommen große Herausforderungen zu: Unter Centeno verlor das Gremium deutlich an Einfluss und war nicht dazu fähig, politisch relevante Entscheidungen zu treffen. Die weitgehend krisenlose Zeit der vergangenen drei Jahren wurde nicht genutzt, um notwendige Reformen in die Wege zu leiten.
Und die Corona-krise hat gezeigt, dass auch finanzpolitische Entscheidungen zunehmend im Kreis der Eu-staaten – und nicht lediglich der Eurostaaten – getroffen werden. „Die Eurogruppe ist noch reparierbar“, sagt der Eu-experte Lucas Guttenberg vom Jacques Delors Centre in Berlin, „aber dafür braucht es einen guten Präsidenten“.