Symbol für Veränderungen: Abschied von George Floyd
Der Mann im Rollstuhl vor dem goldenen Sarg in der „Fountain of Praise“-kirche von Houston schaut sich den Leichnam lange an. Dann beugt er sein Haupt, faltet die Hände und spricht ein Gebet. „George Floyd wird die Zukunft der Vereinigten Staaten verändern“, sagt Greg Abbott nach dem bewegenden Abschied von dem in Houston aufgewachsenen Floyd, der am 25. Mai in Minneapolis unter dem Knie eines weißen Polizisten qualvoll erstickte. „Sein Tod war nicht umsonst.“
Der republikanische Gouverneur des „Law and Order“-staates Texas verkörpert den Beweis, dass zwei Wochen an Massenprotesten in den USA etwas bewegt haben. Der auf einem Video festgehaltene Tod des 46-jährigen hat die Nation wie kaum ein anderes Ereignis erschüttert.
Tag und Nacht gingen seitdem in Hunderten Städten überall in den USA junge und alte, schwarze und weiße, reiche und arme Amerikaner auf die Straße, um ein Ende des strukturellen Rassismus zu verlangen. Der Bundesstaat Minnesota erhob in beispielloser Geschwindigkeit Anklage gegen den Beamten, der die verzweifelten „Ich kann nicht atmen“-rufe Floyds ignorierte. Derek C. muss sich nun wegen Mordes vor Gericht verantworten und sitzt in Untersuchungshaft. Wie auch die drei Polizisten, die untätig zuschauten.
Die Stadt Minneapolis beschloss, ihre Polizei abzuschaffen und durch ein neues System der öffentlichen Sicherheit zu ersetzen. So weit geht Abbott in Texas nicht. Aber er verspricht, die Polizei zu reformieren und sich dabei nicht von Politikern, sondern der Familie, Opfern und anderen leiten zu lassen, „die unter Rassismus viel zu lang gelitten haben.“
Der konservative Republikaner traf die Angehörigen Floyds vor
Bürgerrechtler Al Sharpton führte den Trauerzug an.
dessen Beisetzung in Pearland. Abbott trug eine Krawatte mit den traditionellen Farben der Highschool, die für den Zweimeterriesen das Sprungbrett zum College war. George war der Erste in seiner Familie und einer der wenigen Kids aus der schwarzen Nachbarschaft, der das schaffte.
Floyd wollte die Welt berühren
Sein alter Schulfreund Jonathan Veal erinnerte sich an ein Gespräch am Ende der gemeinsamen Highschool-zeit, bei dem ihm der Basketballer von seinem Traum erzählte, mit seinem Leben „die Welt zu berühren.“Das hat er zweifelsohne erreicht. Wenn auch nicht so, wie er gehofft hatte. George Floyd ist für die Amerikaner zum Symbol für das geworden, was sich ändern muss.
Für den designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden, markiert Floyds Tod eine Zäsur. „Ich denke, was hier passiert ist, ist einer dieser großen Wendepunkte in der amerikanischen Geschichte“, sagt Biden
nach einem Treffen mit den Angehörigen Floyds.
Darauf deuten auch aktuelle Umfragen hin. Laut einer Erhebung für die Washington Post sagen mehr als zwei von drei Amerikanern (69 Prozent), der Tod Floyds stehe für ein weit verbreitetes Problem bei der Polizei. Vor sechs Jahren bei den Unruhen von Ferguson sahen das erst 43 Prozent der Befragten so. Überwältigende Unterstützung (74 Prozent) finden auch die Proteste.
Beim Trauergottesdienst für Floyd am Abend trugen mehrere Gäste und Teilnehmer Schutzmasken mit Floyds Worten „I can't breathe“(„Ich kann nicht atmen“), darunter mehrere Polizisten. Auf dem Mund-nasen-schutz von Sohn Quincy Mason Floyd war zudem ein Konterfei seines Vaters gedruckt. Der Bürgermeister von Houston, Sylvester Turner, kündigte bei der Trauerfeier ein Verbot von Würgegriffen und andere Reformen gegen Polizeigewalt angekündigt. Turner sagte unter dem Applaus der Trauergäste in der Kirche „The Fountain of Praise“, er werde nach seiner Rückkehr ins Rathaus eine entsprechende Anordnung unterschreiben.
Anschließend wurde eine emotionale Videobotschaft von Biden abgespielt. Zu viele Schwarze in den USA „wachen auf und wissen, dass sie ihr Leben verlieren können, indem sie einfach ihr Leben leben“, sagte Biden. „Kein Kind sollte die Frage fragen müssen, die zu viele schwarze Kinder seit Generationen fragen mussten: Warum. Warum ist Papa weg.“Biden rief zur Überwindung von Rassismus auf. Amerika habe keine andere Wahl, als es in Zukunft besser zu machen. „Wir können die Wunden dieser Nation heilen“, sagte Biden. Nach der Zeremonie wurde sollte Floyds Leichnam neben dem Grab seiner Mutter in der Nachbarstadt Pearland beigesetzt werden. mit dpa
Geste der Demut: Polizisten in San Francisco gehen vor den Demonstranten auf die Knie.
Kinder gehen am Sarg vorbei: Ihre Zukunft steht auf dem Spiel.