Lasst den Protesten Taten folgen!
Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai brodelt es in Amerika. Trotz der Pandemie gehen die Menschen auf die Straße, um gegen Polizeigewalt, Rassismus und Ungleichheit zu protestieren.
Schon seit Langem sind die
USA nicht mehr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Traum vom Tellerwäscher, der zum Millionär aufsteigt, ist für die allermeisten der rund 330 Millionen Amerikaner nichts mehr als ein Mythos. Und für die 13 Prozent Menschen mit dunkler Hautfarbe erst recht. Der durch Sklaverei und Rassentrennung bedingte und tief in der Gesellschaft verwurzelte Rassismus führt dazu, dass Schwarze systematisch benachteiligt werden, in allen Bereichen des Lebens. Die damit einhergehende Perspektivlosigkeit wird von Generation zu Generation weitergereicht – ein wahrer Teufelskreis.
Jetzt mit der Reform der Polizei anzufangen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es ist aber auch kein leichter, was an der föderalen Struktur der USA liegt. Die Beamten müssen besser ausgebildet und entlastet und für Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden. Unabdingbar wäre zudem die Verschärfung der Waffengesetze, denn die weite Verbreitung von Feuerwaffen in der Bevölkerung verunsichert die Ordnungskräfte zutiefst.
All dies reicht jedoch nicht aus, um den Rassismus aus den Köpfen der Weißen verschwinden zu lassen. Hierzu braucht es eine Bewusstseinsbildung, dass Rassenungleichheit und Diskriminierung existieren und dass sie verwerflich sind. Solch ein Mentalitätswechsel dauert Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Und doch macht die Tatsache, dass erstmals viele Weiße an den Protestmärschen in den USA teilnehmen, Hoffnung.
Leider verlaufen Proteste nach einer Weile meist im Sand. Damit George Floyd nicht umsonst gestorben ist, braucht es charismatische Anführer, die sich an die Spitze der „Black Lives Matter“bewegung stellen und einen umfangreichen Forderungskatalog ausarbeiten, auf dessen Basis sie mit den politisch Verantwortlichen in den Dialog treten – und Druck machen. Nur dann haben die USA eine reelle Chance, ihr Land grundlegend zu verändern.
Rassismus und soziale Ungleichheit müssen ein Thema im Wahlkampf werden – mit konkreten Ideen der Kandidaten, wie sie einen Wandel herbeiführen wollen. Ein Präsident Joe Biden würde diesbezüglich keine Wunder vollbringen können – daran ist bereits Barack Obama gescheitert. Der Demokrat ist jedoch bereit zuzuhören und die Herausforderung anzugehen – und das ist zumindest ein Anfang.