Schonung für die Ex
Die Große Koalition macht der früheren Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Berateraffäre keinen Vorwurf
Es war zu erwarten. Einerseits. Andererseits muss Ursula von der Leyen jetzt einen mindestens vergoldeten Rahmen auftreiben, in den sich 75 Aktenseiten spannen lassen. Das nämlich ist der einzige angemessene Platz für das etwas verspätete Abschiedsgeschenk, das die deutschen Regierungsparteien der früheren deutschen Verteidigungsministerin und jetzigen Eu-kommissionspräsidentin machen. Ihr – noch unveröffentlichter – Abschlussbericht zur Berateraffäre im Bundesverteidigungsministerium (BMVG) ist für von der Leyen die Rundum-exkulpation.
Rüge vom Rechnungshof
Dabei ist unstrittig, dass es die Affäre gegeben hat. Entdeckt und belegt hatte sie der Bundesrechnungshof. Er rügte rechtswidrige Vergaben von Aufträgen en masse. Daraufhin beschloss der Verteidigungsausschuss des Bundestags, seine Sonderrolle als Untersuchungsausschuss zu aktivieren und herauszufinden, wer für das System von Vetternwirtschaft und Rechtsverstößen die Verantwortung trägt.
Für CDU, SPD und CSU – die in der großen Koalition (Groko) vereinten Regierungsparteien – keinesfalls von der Leyen. Auf Seite 33 ab Zeile 1 004 sprechen die Grokoisten die Ex-ministerin frei, ledig und los. Sie habe „kaum eine Entscheidungsvorlage zu den untersuchten Vorgängen selbst gezeichnet“. Konkret: „Zwar wurde jedenfalls ihr Büro von den entscheidenden Vorgängen stets in
Kenntnis gesetzt, die Entscheidungen selbst wurden aber häufig auf Ebene der Staatssekretäre getroffen.“
Damit referieren die Regierungsparteien exakt, was die neue
Kommissionschefin Mitte Februar in Berlin bei ihrer fünfstündigen Einvernahme durch den Ausschuss zu Protokoll gegeben hatte. Zumindest bei der Groko verfing von der Leyens Strategie: Einräumen, was nicht zu leugnen ist – also jede Menge Fehler im von ihr geführten Ministerium. Aber jede Haftung oder gar Schuld anderen zuweisen. Im Von-der-leyendeutsch heißt das: „Es sind Vergabeverstöße eingetreten“– aber „weit unter meiner Ebene“.
Die Frage der Fehlerebene
In Wirklichkeit war das Fehlerniveau der damaligen Ministerin sehr nah: Als Schlüsselfigur der Affäre gilt die von von der Leyen persönlich vom Beratungsunternehmen Mckinsey ins Ministerium geholte Kurzzeit-staatssekretärin Katrin Suder. Pünktlich zu von der Leyens Vernehmung hatte das Polit-magazin „Der Spiegel“Suders dort rasch konstruiertes Beziehungsgeflecht öffentlich ausgebreitet. Die „Spiegel“darstellung legte nahe, dass Suder jede Menge ehemalige Mc-kinsey-kollegen ins Ministerium geholt und mit der Kompetenz versehen hatte, wiederum jede Menge Aufträge zugunsten von Mckinsey und mit dem Beratungskonzern verbundene Unternehmen zu vergeben. Außerdem berichtete das Magazin von engen privaten Beziehungen der Vonder-leyen-vertrauten zu etlichen der von ihr ins Ministerium Gelotsten oder mit Aufträgen Bedachten.
Die Regierungsparteien attestieren nun durchaus akute Vetternwirtschaft in der Ära von der Leyen. Aber sie schreiben, „dass das BMVG es nicht geschafft hat, klare Verantwortlichkeiten“dafür „herauszuarbeiten“. Als wäre es nicht die Aufgabe der Ministerin gewesen, die Kumpanei grundsätzlich zu verhindern – und, als sie geschah, zumindest die politische Verantwortung zu übernehmen.
Auch Suder schilderte sich vor dem Ausschuss als absolut fehlerfrei. So wie von der Leyen das Löschen ihrer vom Ausschuss als Beweismittel angeforderten Mobiltelefone als Petitesse abtat. Der Ausschuss sah das ganz anders – zumal die Opposition. Die will ihren Abschlussbericht gegen Monatsende fertig haben – und mit der Ex im Bendlerblock nicht so gnädig umgehen. Einen zweiten Goldrahmen braucht von der Leyen ganz sicher nicht.
CDU, CSU und SPD attestieren durchaus akute Vetternwirtschaft in der Ära von der Leyen.