Vom Homeoffice zurück ins Büro
An der Heimarbeit wollen viele Unternehmen auch nach der Corona-krise festhalten
Noch nie stand das Homeoffice so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wie heute – in der Corona-krise haben weltweit Millionen von Arbeitnehmern erstmals vom heimischen Schreibtisch aus gearbeitet. So auch in Luxemburg: Das nationale Statistikamt Statec geht davon aus, dass mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer hierzulande zumindest teilweise während der Krise im Homeoffice gearbeitet haben; noch vor Kurzem waren es lediglich 20 Prozent. Wie die Statistik zeigt, war die Maßnahme für Unternehmen durchaus ein Erfolg. Nach Angaben des Statec hat sich die Mehrheit der Beschäftigten hierzulande mit der Situation gut arrangiert – unlängst veröffentlichte Zahlen belegen, dass die Erfahrung im Homeoffice von der Mehrheit der Arbeitnehmer (55 Prozent) als „positiv“bewertet wird. Für 30 Prozent wird die Erfahrung als „neutral“eingestuft.
Das bestätigt auch die Europäische Investitionsbank-gruppe (EIB), die knapp 4 000 Mitarbeiter beschäftigt: „Am 13. März wurde die Arbeit fast aller Beschäftigten ins Homeoffice verlegt – ohne dass unsere Aktivitäten dadurch unterbrochen werden mussten“, erklärt Dominique Courbin, „HR Operations“-direktor. „Ein voller Erfolg, auch wenn wie überall die Umstellung anfangs mit etwas Stress verbunden war.“Ähnliches berichtet die Spuerkeess, die mehr als 1 800 Mitarbeiter beschäftigt: „Eine sehr große Mehrheit unserer Angestellten konnten ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen“, sagt Generalsekretär Marco Rasqué. „Die Vorteile für die Mitarbeiter sind die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, die Zeitersparnis – die Fahrt ins Büro fällt ja weg – und eine bessere Organisation der Arbeitszeit.“
Mit der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen wird derzeit in vielen Unternehmen die Rückkehr ins Büro organisiert. Bei der Eib-gruppe sitzen ab Mitte Juni wieder etwa zehn Prozent des Personals im üblichen Büro; geplant ist eine schrittweise Rückkehr der Mitarbeiter. Das Beratungsunternehmen KPMG Luxembourg, das im Großherzogtum mehr als 1 800 Mitarbeiter zählt, hat seit dem 25. Mai auch einige Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück ins Büro geholt – dennoch „arbeitet die Mehrheit unserer Angestellten aus Sicherheitsgründen weiterhin von zu Hause aus“, wie Troy Bishop, „Head of Marketing and Communications“bei KPMG Luxembourg, erklärt. Bei der Spuerkeess arbeiten derzeit noch etwa 700 Angestellte von zu Hause aus.
Damit stellt sich die Frage: Bleibt die Möglichkeit, Arbeit ins Homeoffice zu verlegen, für die Mitarbeiter auch nach der Corona-krise bestehen? Dass sich viele Angestellte Homeoffice auch künftig vorstellen könnten, zeigt sich an den verschiedenen Petitionen, die noch während des Lockdowns bei der Chamber eingegangen sind – bei einigen konnten schon die 4 500 Unterschriften gesammelt werden, die für eine öffentliche Debatte erforderlich sind.
„Niemand wird gezwungen“
Bei der Europäischen Investitionsbank ist Homeoffice bereits seit 2009 eine Option für jene Mitarbeiter, deren Aufgaben mit Homeoffice vereinbar
Viele Mitarbeiter haben sich mit der Situation im Homeoffice gut arrangiert, wie Zahlen des Statistikamtes Statec zeigen. sind, so Courbin. „Für Mitarbeiter, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, liegt die derzeit zugelassene Arbeitszeit im Homeoffice bei maximal zwei Tagen pro Woche.“Auch bei KPMG Luxembourg war Homeoffice schon vor Corona Teil der Unternehmenskultur, wie Bishop berichtet: „Alle unsere Mitarbeiter können davon profitieren.“
Dennoch war das längst nicht der Fall in allen Unternehmen. Beispiel Spuerkeess: Dort war es vor der Corona-krise nicht möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. „Wir untersuchen jedoch alle Arbeitsmodelle, die mit dem Bankgeschäft vereinbar sind“, erklärt Rasqué. So auch bei BGL BNP Paribas: „Schon vor der Krise war Homeoffice bei uns ein Projekt, das wir bis spätestens 2021 umsetzen wollten“, erklärt Fabienne Dasnoy, „Head of Corporate Culture & HR Social Responsibility“. Bei der Bank wurde zunächst der Fokus auf andere Lösungen gesetzt, um auf die Mobilitätsprobleme der Mitarbeiter zu antworten, wie Dasnoy betont – beispielsweise durch die Verwendung von Büroräumen an den Landesgrenzen.
Die Corona-krise führt jedenfalls dazu, dass Homeoffice schneller als geplant Teil der Arbeitsorganisation von vielen Unternehmen wird. Bei der Bank BGL BNP Paribas, die insgesamt 2 350 Mitarbeiter beschäftigt, hat „Anfang März niemand von zu Hause aus gearbeitet. Ende Mai waren es 1 075.“Die Bank will nun das ursprünglich für 2021 geplante Projekt „Homeoffice“in diesem Monat starten; ein ganzes Team soll sich mit der Umsetzung beschäftigen. Konkret steht aber schon fest: „Homeoffice wird eine Option für unsere Mitarbeiter sein; niemand wird gezwungen, von zu Hause aus zu arbeiten“, stellt Fabienne Dasnoy klar. Um eine gute Balance zwischen Unternehmenskultur, Arbeitsorganisation und zwischenmenschlichen Aspekte zu finden, dürften die Mitarbeiter der Bank künftig die Möglichkeit haben, einen Tag pro Woche vom heimischen Schreibtisch aus zu arbeiten.
Auch bei der Spuerkeess wurde nun eine Arbeitsgruppe damit beauftragt, alle Aspekte rund um die Arbeit in den eigenen vier Wänden zu analysieren, wie Marco Rasqué erklärt. Bei der Eibgruppe wird derzeit eine Umfrage durchgeführt, um Lehren aus der Krise zu ziehen. „Es besteht keinen Zweifel daran, dass die Erfahrung der drei vergangenen Monate in künftigen Überlegungen rund ums Homeoffice zählen wird“, sagt Dominique Courbin.
Mögliches Gesetz
Ob und inwieweit Homeoffice in einem Unternehmen gestattet ist, wird grundsätzlich im Arbeitsvertrag oder in einem Kollektivvertrag festgelegt. Dennoch beschäftigt das Thema auch zunehmend die Regierung; erst vor einigen Tagen hatte Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) im Interview mit dem Radiosender „100,7“die Möglichkeit eines Gesetzes für Arbeit im Homeoffice in Betracht gezogen.
Ende Mai hatte auch Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) angekündigt, eine Umfrage bei den rund 16 000 Mitarbeitern der Gemeinden starten zu wollen, um sich über ihre Erfahrung im Homeoffice zu informieren. „Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, kann ein Vorteil sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber darstellen“, wird die Ministerin in einer offiziellen Mitteilung zitiert. Derzeit wird die Umfrage noch fertiggestellt, bevor der Online-fragebogen an die Mitarbeiter gesandt wird, so Ministeriumssprecherin Nathalie
Schmit. „Es geht darum, Rückmeldungen zu sammeln, um diese Erfahrungsberichte in die künftigen Diskussionen rund ums Homeoffice einzubeziehen.“Auch für Beamte des Staatsdienstes wird derzeit an einem neuen, größeren Pilotprojekt über Homeoffice gearbeitet, wie der Minister für den Öffentlichen Dienst Marc Hansen (DP) bei einer öffentlichen Anhörung neuerdings sagte. „Telearbeit war schon eine Priorität vor der Krise“, so der Minister – und wird es auch nach der Krise bleiben.
Die Corona-krise führt dazu, dass Homeoffice schneller als geplant Teil der Arbeitsorganisation wird.