„Alle wollen weitermachen“
Wie das Team von Neimënster jede Möglichkeit auskostet, um ein Sommerprogramm zu starten
Das Team um Ainhoa Achutegui geht den steinigen Weg zurück in den Spielbetrieb: der mögliche Regen auf dem Parvis, die Sicherheitsmaßnahmen, der Aufwand in der Planung. Trotzdem hat die Direktorin – versichert vom Rückhalt ihrer Mitarbeitenden – ein breites Sommerprogramm im Grund aufgelegt; auch vor dem 31. Juli, der lange als Sperrdatum galt. Dafür erhält sie schon jetzt Applaus von den Insidern.
Ainhoa Achutegui, hat es Covid-19 für Neimënster nie gegeben?
Natürlich haben Covid-19 und besonders auch die Einschränkungen Neimënster getroffen. Aber es konnte und kann nicht so weitergehen – wir haben im Hintergrund weitergemacht und uns vorbereitet. Wir können im Moment am besten den Parvis für Konzerte nutzen – aber bei Regen können wir nicht nach drinnen ausweichen, weil wir unter den aktuellen Rahmenbedingungen zum Beispiel nur sehr wenig Publikum in den Salle Krieps setzen könnten. Meine große Hoffnung ist und bleibt, dass wir nach und nach mehr Lockerungen bekommen werden. Aber selbst wenn nicht, haben wir uns so aufgestellt, dass wir uns an die Gegebenheiten anpassen. Wir waren schon immer ein extrem flexibles Haus, Corona bringt das aber nun deutlich zum Vorschein. Wir können zwei Konzerte pro Woche über den Juli und den August stattfinden lassen. Und es hat sich zusammen mit meinem Team und den Künstlerinnen und Künstlern eine große Dynamik aufgebaut, um unter dem Motto „Bock op, ... méi intim“Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.
Eigentlich wurden ja alle Sommerfestivals bis mindestens zum 31. Juli abgesagt. Was hat Sie eigentlich da so zuversichtlich gestimmt, es trotzdem zu wagen und das in den unterschiedlichen Sparten durchziehen zu können?
Für uns war klar, dass wir spätestens ab dem 1. August ein Programm starten wollten – und das war auch im Team die Perspektive, wieder loszulegen. Als sich hinter den Kulissen immer deutlicher abzeichnete, dass ein Spielbetrieb nach dem kompletten Lockdown schon früher wiederaufgenommen werden könnte, haben wir sofort vorgefühlt, was wir machen könnten. Da war das ausgefallene Barockfestival, und wir konnten schon einige für den August geplante Veranstaltungen vorziehen und besser verteilen. Allen war klar – und das haben wir auch den Künstlerinnen und Künstlern gesagt –, dass wir eigentlich auf gut Glück programmieren und organisieren, in der Hoffnung, dass alles funktioniert. Natürlich auch mit dem Risiko, dass Veranstaltungen ausfallen könnten. Aber ausnahmslos alle waren damit einverstanden – das hat uns dann wieder bestärkt. Das zeigt auch das Vertrauen, das wir über die Jahre aufgebaut haben. Aber ich gebe zu: Das ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf Gerüchten aufbaue. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verschwenden und zu warten.
Und alles ist im eigenen Haus organisiert? Sie haben ja in der Vergangenheit gerade bei den Sommerveranstaltungen mit Partnern wie dem Atelier zusammengearbeitet ...
Diesmal kommt alles aus unserem eigenen Team. Lediglich bei speziellen Programmen und großen Konzerten arbeiten wir mit dem Atelier zusammen – auch weil sie andere Netzwerke zum Beispiel Agenturen haben. Mit den Jahren haben wir aber auch unser Netzwerk deutlich erweitert und direkte Drähte geschaffen. So war das gar keine große Schwierigkeit, das nun in dieser Hinsicht allein zu stemmen.
Wie haben andere Manager in der Szene reagiert – viele Kulturveranstalter warten quasi bis September ....
Ich habe offen darüber gesprochen und gesagt, dass wir dieses Programm in dieser Woche ankündigen werden – mit dem Hinweis, dass wir natürlich mit Orten wie dem Parvis in dieser Situation privilegiert sind. Und ich habe nur positives Feedback bekommen. Bei der Sitzung der Theaterfederation gab es sogar Applaus. Denn nicht zuletzt haben wir einen Auftrag – an das Publikum und an die Künstlerinnen und Künstler im Land. Das ist für mich eine ethische Frage, die wir nur mit diesem Einsatz beantworten können. Ich kann nicht mit dem Instrument der Abtei und seiner Möglichkeiten da sitzen und abwarten. Ich habe aber natürlich auch Verständnis, wenn andere Kulturhäuser den Betrieb schlicht nicht aufnehmen können, wenn mit den Abstandsregelungen nur für eine Handvoll Zuschauer Platz im Saal ist. Aber nicht, dass ich missverstanden werde: Alle wollen zurück, alle wollen wieder arbeiten und weitermachen.
Bekommt Neimënster dafür eigens finanzielle Hilfe?
Nein, und ich würde auch nicht Mittel anfragen, wenn wir sie nicht unbedingt bräuchten. Zum Glück geht das.
Das ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf Gerüchten aufbaue.
Ainhoa Achutegui,
Direktorin Neimënster
Ist das Muster, das Sie nun entworfen haben, nicht sogar ein Modell, auch generell mehr im Sommer anzubieten?
Wir haben bewusst den Namen „Bock op“aus den letzten Jahren gehalten, um eben klar auf die Linie der Sommerevents hinzuweisen – und nicht etwa ein Coronasonderding daraus zu machen. Wenn sich zeigt, dass einige Ideen gut funktionieren, lässt sich das sicher auch in kommenden Ausgaben einbauen.
Mit Ihrer Schwerpunktwahl bekommen besonders Frauen die Möglichkeit, ihre Talente zu zeigen. Spiegelt sich das auch in der Sommerplanung wider?
Ja, und nicht nur in der Musik. Wir widmen uns diesmal zum Beispiel im Ausstellungsprogramm den Pionierinnen in der Malerei und der Installation der 1990er-jahre. Das waren Vorreiterinnen, deren Rolle unterschätzt und zu wenig beleuchtet wird.
Das war eine entscheidende Phase und es fehlt an Fokus dafür. Nach der Mudam-schau zu Jean-marie Biwer, legen wir so nach.