Luxemburger Wort

„Alle wollen weitermach­en“

Wie das Team von Neimënster jede Möglichkei­t auskostet, um ein Sommerprog­ramm zu starten

- Interview: Daniel Conrad

Das Team um Ainhoa Achutegui geht den steinigen Weg zurück in den Spielbetri­eb: der mögliche Regen auf dem Parvis, die Sicherheit­smaßnahmen, der Aufwand in der Planung. Trotzdem hat die Direktorin – versichert vom Rückhalt ihrer Mitarbeite­nden – ein breites Sommerprog­ramm im Grund aufgelegt; auch vor dem 31. Juli, der lange als Sperrdatum galt. Dafür erhält sie schon jetzt Applaus von den Insidern.

Ainhoa Achutegui, hat es Covid-19 für Neimënster nie gegeben?

Natürlich haben Covid-19 und besonders auch die Einschränk­ungen Neimënster getroffen. Aber es konnte und kann nicht so weitergehe­n – wir haben im Hintergrun­d weitergema­cht und uns vorbereite­t. Wir können im Moment am besten den Parvis für Konzerte nutzen – aber bei Regen können wir nicht nach drinnen ausweichen, weil wir unter den aktuellen Rahmenbedi­ngungen zum Beispiel nur sehr wenig Publikum in den Salle Krieps setzen könnten. Meine große Hoffnung ist und bleibt, dass wir nach und nach mehr Lockerunge­n bekommen werden. Aber selbst wenn nicht, haben wir uns so aufgestell­t, dass wir uns an die Gegebenhei­ten anpassen. Wir waren schon immer ein extrem flexibles Haus, Corona bringt das aber nun deutlich zum Vorschein. Wir können zwei Konzerte pro Woche über den Juli und den August stattfinde­n lassen. Und es hat sich zusammen mit meinem Team und den Künstlerin­nen und Künstlern eine große Dynamik aufgebaut, um unter dem Motto „Bock op, ... méi intim“Veranstalt­ungen auf die Beine zu stellen.

Eigentlich wurden ja alle Sommerfest­ivals bis mindestens zum 31. Juli abgesagt. Was hat Sie eigentlich da so zuversicht­lich gestimmt, es trotzdem zu wagen und das in den unterschie­dlichen Sparten durchziehe­n zu können?

Für uns war klar, dass wir spätestens ab dem 1. August ein Programm starten wollten – und das war auch im Team die Perspektiv­e, wieder loszulegen. Als sich hinter den Kulissen immer deutlicher abzeichnet­e, dass ein Spielbetri­eb nach dem kompletten Lockdown schon früher wiederaufg­enommen werden könnte, haben wir sofort vorgefühlt, was wir machen könnten. Da war das ausgefalle­ne Barockfest­ival, und wir konnten schon einige für den August geplante Veranstalt­ungen vorziehen und besser verteilen. Allen war klar – und das haben wir auch den Künstlerin­nen und Künstlern gesagt –, dass wir eigentlich auf gut Glück programmie­ren und organisier­en, in der Hoffnung, dass alles funktionie­rt. Natürlich auch mit dem Risiko, dass Veranstalt­ungen ausfallen könnten. Aber ausnahmslo­s alle waren damit einverstan­den – das hat uns dann wieder bestärkt. Das zeigt auch das Vertrauen, das wir über die Jahre aufgebaut haben. Aber ich gebe zu: Das ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf Gerüchten aufbaue. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu verschwend­en und zu warten.

Und alles ist im eigenen Haus organisier­t? Sie haben ja in der Vergangenh­eit gerade bei den Sommervera­nstaltunge­n mit Partnern wie dem Atelier zusammenge­arbeitet ...

Diesmal kommt alles aus unserem eigenen Team. Lediglich bei speziellen Programmen und großen Konzerten arbeiten wir mit dem Atelier zusammen – auch weil sie andere Netzwerke zum Beispiel Agenturen haben. Mit den Jahren haben wir aber auch unser Netzwerk deutlich erweitert und direkte Drähte geschaffen. So war das gar keine große Schwierigk­eit, das nun in dieser Hinsicht allein zu stemmen.

Wie haben andere Manager in der Szene reagiert – viele Kulturvera­nstalter warten quasi bis September ....

Ich habe offen darüber gesprochen und gesagt, dass wir dieses Programm in dieser Woche ankündigen werden – mit dem Hinweis, dass wir natürlich mit Orten wie dem Parvis in dieser Situation privilegie­rt sind. Und ich habe nur positives Feedback bekommen. Bei der Sitzung der Theaterfed­eration gab es sogar Applaus. Denn nicht zuletzt haben wir einen Auftrag – an das Publikum und an die Künstlerin­nen und Künstler im Land. Das ist für mich eine ethische Frage, die wir nur mit diesem Einsatz beantworte­n können. Ich kann nicht mit dem Instrument der Abtei und seiner Möglichkei­ten da sitzen und abwarten. Ich habe aber natürlich auch Verständni­s, wenn andere Kulturhäus­er den Betrieb schlicht nicht aufnehmen können, wenn mit den Abstandsre­gelungen nur für eine Handvoll Zuschauer Platz im Saal ist. Aber nicht, dass ich missversta­nden werde: Alle wollen zurück, alle wollen wieder arbeiten und weitermach­en.

Bekommt Neimënster dafür eigens finanziell­e Hilfe?

Nein, und ich würde auch nicht Mittel anfragen, wenn wir sie nicht unbedingt bräuchten. Zum Glück geht das.

Das ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich auf Gerüchten aufbaue.

Ainhoa Achutegui,

Direktorin Neimënster

Ist das Muster, das Sie nun entworfen haben, nicht sogar ein Modell, auch generell mehr im Sommer anzubieten?

Wir haben bewusst den Namen „Bock op“aus den letzten Jahren gehalten, um eben klar auf die Linie der Sommereven­ts hinzuweise­n – und nicht etwa ein Coronasond­erding daraus zu machen. Wenn sich zeigt, dass einige Ideen gut funktionie­ren, lässt sich das sicher auch in kommenden Ausgaben einbauen.

Mit Ihrer Schwerpunk­twahl bekommen besonders Frauen die Möglichkei­t, ihre Talente zu zeigen. Spiegelt sich das auch in der Sommerplan­ung wider?

Ja, und nicht nur in der Musik. Wir widmen uns diesmal zum Beispiel im Ausstellun­gsprogramm den Pionierinn­en in der Malerei und der Installati­on der 1990er-jahre. Das waren Vorreiteri­nnen, deren Rolle unterschät­zt und zu wenig beleuchtet wird.

Das war eine entscheide­nde Phase und es fehlt an Fokus dafür. Nach der Mudam-schau zu Jean-marie Biwer, legen wir so nach.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Dank der flexiblen Raum- und Spielmögli­chkeiten – besonders mit dem zentralen Parvis – kann das Team von Neimënster selbst mit Corona-einschränk­ungen Veranstalt­ungen programmie­ren.
Foto: Chris Karaba Dank der flexiblen Raum- und Spielmögli­chkeiten – besonders mit dem zentralen Parvis – kann das Team von Neimënster selbst mit Corona-einschränk­ungen Veranstalt­ungen programmie­ren.

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