„Wäre lieber früher in die Berge gezogen“
Matthieu Osch vermisst während des Lockdown den Schnee und hat noch große Ziele für seine sportliche Karriere
Seit gut zwei Wochen absolviert Skifahrer Matthieu Osch die Grundausbildung bei der Luxemburger Armee. Und auch, wenn die Wintersportsaison vor dem Lockdown größtenteils vorbei war, wurde der 21-Jährige an der Ausübung seiner Sportart gehindert. In der Serie „Mein Sport und Ich“erzählt Osch, der sich auf Slalom und Riesenslalom spezialisiert hat und in Innsbruck (A) lebt, wie viel ihm der Skisport bedeutet und was bei ihm in der Jugend anders war als bei den meisten anderen Athleten.
Matthieu Osch, was fehlt Ihnen an Ihrem Sport am meisten?
Gefehlt hat mir natürlich das spezifische Skitraining im Schnee. Ich konnte weder nach Österreich, noch in ein anderes Land in den Alpen fahren. Immerhin konnte ich aber zu Hause das Krafttraining ausüben. Außerdem durften wir in Luxemburg ja draußen Sport treiben, so habe ich mich fit halten können.
Hat die Corona-pandemie das Ausüben des Skisports überhaupt beeinflusst?
Ja, sogar sehr stark. Normalerweise dauert eine Saison bis Ende April, diesmal musste ich bereits Mitte März aufhören. Es haben also eineinhalb Monate gefehlt.
Luxemburg aus sehr limitiert. Aber als ich schließlich in den Bergen lebte, machte ich schnell große Fortschritte. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Ansonsten gibt es nichts, was ich bereue. Ich hatte eine Menge schöne Erlebnisse.
Warum ist Ski Alpin für Sie der beste Sport der Welt?
Da gibt es viele Gründe. Ich mag einfach die Natur und finde schneebedeckte Berge faszinierend. Außerdem erreicht man eine gewisse Schnelligkeit beim Skifahren, so dass in den Kurven ein besonders tolles Gefühl entsteht. Zudem habe ich durch das Skifahren schon mehrere Kontinente bereist, viele Länder gesehen und eine Menge Leute kennengelernt.
Welchen Einfluss hat dieser Sport auf Ihren Charakter?
Der Skisport ist eigentlich mein Leben, weil sich dieses komplett darum dreht und ich alles danach richte. Ich denke permanent ans Skifahren. Um es ganz deutlich zu sagen: Läuft es sportlich bei mir nicht gut, dann gilt das auch für das Leben abseits des Sports. Weil es das ist, was ich die ganze Zeit tue. Deshalb hat der Sport einen ganz großen Einfluss auf mich. Es gibt auch andere wichtige Dinge wie Familie und Freunde, aber Skifahren ist das, was mich schon seit langer Zeit begeistert.
In Luxemburg zu leben und Skisport auszuüben, ist schwer. Glauben Sie, dass die Unterstützung Ihrer Eltern deshalb bei Ihnen noch wichtiger war als bei Athleten aus anderen Sportarten?
Absolut. Ohne meine Eltern wäre all das nicht möglich gewesen und ich wäre nicht dort, wo ich jetzt bin. Als ich noch keinen Führerschein hatte, haben mich mein Vater oder meine Mutter zu den Rennen gefahren. Mein Vater hat mich allgemein bei vielen Wettkämpfen und auch den Olympischen Winterspielen begleitet. Früher habe ich Volleyball gespielt, war deswegen auch im Sportlycée. Das war alles viel einfacher, ich konnte mit dem Bus und Zug zum Training oder nach Hause fahren. Beim Skisport ist das nicht möglich, allein schon wegen des ganzen Materials. Und man fährt nicht einfach ins Nachbardorf,
sondern sechs oder sieben Stunden bis in die Alpen. Logistisch ist es ein extremer Aufwand, das geht nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Es gibt demnach auch einen großen finanziellen Aufwand. Meine Eltern haben viel in mich investiert, weil sie an mich glauben und es sie glücklich macht, wenn ich Freude an etwas habe.
Sie stehen permanent auf Skiern. Verbringen Sie Ihren Urlaub ebenfalls in Skigebieten oder gewinnen Sie dann lieber etwas Abstand?
Im Winter habe ich ohnehin keinen Urlaub, weil die Saison von September bis April dauert. Da denke ich nicht an Ferien, aber das stört mich auch nicht. Viele Leute träumen davon, in den Bergen zu leben und permanent Skifahren zu können. Ich habe diesen Traum verwirklicht. Aber natürlich freue ich mich im Sommer auch mal darauf, zum Strand oder irgendwo hinfahren zu können, wo es warm ist, einfach um Abwechslung zu haben.
Im Ski Alpin geht es mit Vollgas den Berg hinab. Haben Sie keine Angst vor Stürzen und schweren Verletzungen?
Ich übe ja die technischen Disziplinen aus, da erreicht man kein solch hohes Tempo wie bei den Abfahrtsrennen. Ein Risiko besteht immer. Aber deshalb arbeiten wir Wintersportler im Sommer sehr viel an unserer Physis, um Verletzungen vorzubeugen. Wenn man das Gefühl hat, fit zu sein, denkt man auch nicht wirklich an das Risiko. Wenn man solche Gedanken hat, kann man keine 100 Prozent geben. Ich hatte bisher auch das Glück, nur kleinere Verletzungen erlitten zu haben, und keine Kreuzbandrisse, Beinbrüche oder etwas in der Art. Das trägt womöglich auch dazu bei, dass ich gar nicht daran denke, was alles passieren könnte.
Welche sportlichen Ziele haben Sie?
Kurzfristig will ich mich für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking qualifizieren und dort das bestmögliche Resultat herausholen. Für die Zeit danach habe ich mir noch keine Ziele gesetzt, weil ich nicht zu weit in die Zukunft schauen und meine Entwicklung abwarten will.
Was wollen Sie einmal tun, wenn Sie den Skisport nicht mehr ausüben können?
Das ist eine Frage, die ich mir schon öfter gestellt habe. Einen konkreten Plan habe ich nicht. Vielleicht studiere ich dann, doch bereits jetzt mache ich ein Fernstudium. Ich bin der Armee beigetreten, um abgesichert zu sein. Das ist im Ernstfall einer schweren Verletzung ein wirklich großer Vorteil ist. Aber meine Zukunft nach dem aktiven Skisport ist noch offen.
Beim Skisport fährt man zum Training nicht einfach ins Nachbardorf, sondern sechs oder sieben Stunden bis in die Alpen.