Luxemburger Wort

„Wäre lieber früher in die Berge gezogen“

Matthieu Osch vermisst während des Lockdown den Schnee und hat noch große Ziele für seine sportliche Karriere

- Interview: Daniel Wampach

Seit gut zwei Wochen absolviert Skifahrer Matthieu Osch die Grundausbi­ldung bei der Luxemburge­r Armee. Und auch, wenn die Winterspor­tsaison vor dem Lockdown größtentei­ls vorbei war, wurde der 21-Jährige an der Ausübung seiner Sportart gehindert. In der Serie „Mein Sport und Ich“erzählt Osch, der sich auf Slalom und Riesenslal­om spezialisi­ert hat und in Innsbruck (A) lebt, wie viel ihm der Skisport bedeutet und was bei ihm in der Jugend anders war als bei den meisten anderen Athleten.

Matthieu Osch, was fehlt Ihnen an Ihrem Sport am meisten?

Gefehlt hat mir natürlich das spezifisch­e Skitrainin­g im Schnee. Ich konnte weder nach Österreich, noch in ein anderes Land in den Alpen fahren. Immerhin konnte ich aber zu Hause das Krafttrain­ing ausüben. Außerdem durften wir in Luxemburg ja draußen Sport treiben, so habe ich mich fit halten können.

Hat die Corona-pandemie das Ausüben des Skisports überhaupt beeinfluss­t?

Ja, sogar sehr stark. Normalerwe­ise dauert eine Saison bis Ende April, diesmal musste ich bereits Mitte März aufhören. Es haben also eineinhalb Monate gefehlt.

Luxemburg aus sehr limitiert. Aber als ich schließlic­h in den Bergen lebte, machte ich schnell große Fortschrit­te. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Ansonsten gibt es nichts, was ich bereue. Ich hatte eine Menge schöne Erlebnisse.

Warum ist Ski Alpin für Sie der beste Sport der Welt?

Da gibt es viele Gründe. Ich mag einfach die Natur und finde schneebede­ckte Berge fasziniere­nd. Außerdem erreicht man eine gewisse Schnelligk­eit beim Skifahren, so dass in den Kurven ein besonders tolles Gefühl entsteht. Zudem habe ich durch das Skifahren schon mehrere Kontinente bereist, viele Länder gesehen und eine Menge Leute kennengele­rnt.

Welchen Einfluss hat dieser Sport auf Ihren Charakter?

Der Skisport ist eigentlich mein Leben, weil sich dieses komplett darum dreht und ich alles danach richte. Ich denke permanent ans Skifahren. Um es ganz deutlich zu sagen: Läuft es sportlich bei mir nicht gut, dann gilt das auch für das Leben abseits des Sports. Weil es das ist, was ich die ganze Zeit tue. Deshalb hat der Sport einen ganz großen Einfluss auf mich. Es gibt auch andere wichtige Dinge wie Familie und Freunde, aber Skifahren ist das, was mich schon seit langer Zeit begeistert.

In Luxemburg zu leben und Skisport auszuüben, ist schwer. Glauben Sie, dass die Unterstütz­ung Ihrer Eltern deshalb bei Ihnen noch wichtiger war als bei Athleten aus anderen Sportarten?

Absolut. Ohne meine Eltern wäre all das nicht möglich gewesen und ich wäre nicht dort, wo ich jetzt bin. Als ich noch keinen Führersche­in hatte, haben mich mein Vater oder meine Mutter zu den Rennen gefahren. Mein Vater hat mich allgemein bei vielen Wettkämpfe­n und auch den Olympische­n Winterspie­len begleitet. Früher habe ich Volleyball gespielt, war deswegen auch im Sportlycée. Das war alles viel einfacher, ich konnte mit dem Bus und Zug zum Training oder nach Hause fahren. Beim Skisport ist das nicht möglich, allein schon wegen des ganzen Materials. Und man fährt nicht einfach ins Nachbardor­f,

sondern sechs oder sieben Stunden bis in die Alpen. Logistisch ist es ein extremer Aufwand, das geht nicht mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Es gibt demnach auch einen großen finanziell­en Aufwand. Meine Eltern haben viel in mich investiert, weil sie an mich glauben und es sie glücklich macht, wenn ich Freude an etwas habe.

Sie stehen permanent auf Skiern. Verbringen Sie Ihren Urlaub ebenfalls in Skigebiete­n oder gewinnen Sie dann lieber etwas Abstand?

Im Winter habe ich ohnehin keinen Urlaub, weil die Saison von September bis April dauert. Da denke ich nicht an Ferien, aber das stört mich auch nicht. Viele Leute träumen davon, in den Bergen zu leben und permanent Skifahren zu können. Ich habe diesen Traum verwirklic­ht. Aber natürlich freue ich mich im Sommer auch mal darauf, zum Strand oder irgendwo hinfahren zu können, wo es warm ist, einfach um Abwechslun­g zu haben.

Im Ski Alpin geht es mit Vollgas den Berg hinab. Haben Sie keine Angst vor Stürzen und schweren Verletzung­en?

Ich übe ja die technische­n Diszipline­n aus, da erreicht man kein solch hohes Tempo wie bei den Abfahrtsre­nnen. Ein Risiko besteht immer. Aber deshalb arbeiten wir Winterspor­tler im Sommer sehr viel an unserer Physis, um Verletzung­en vorzubeuge­n. Wenn man das Gefühl hat, fit zu sein, denkt man auch nicht wirklich an das Risiko. Wenn man solche Gedanken hat, kann man keine 100 Prozent geben. Ich hatte bisher auch das Glück, nur kleinere Verletzung­en erlitten zu haben, und keine Kreuzbandr­isse, Beinbrüche oder etwas in der Art. Das trägt womöglich auch dazu bei, dass ich gar nicht daran denke, was alles passieren könnte.

Welche sportliche­n Ziele haben Sie?

Kurzfristi­g will ich mich für die Olympische­n Winterspie­le 2022 in Peking qualifizie­ren und dort das bestmöglic­he Resultat heraushole­n. Für die Zeit danach habe ich mir noch keine Ziele gesetzt, weil ich nicht zu weit in die Zukunft schauen und meine Entwicklun­g abwarten will.

Was wollen Sie einmal tun, wenn Sie den Skisport nicht mehr ausüben können?

Das ist eine Frage, die ich mir schon öfter gestellt habe. Einen konkreten Plan habe ich nicht. Vielleicht studiere ich dann, doch bereits jetzt mache ich ein Fernstudiu­m. Ich bin der Armee beigetrete­n, um abgesicher­t zu sein. Das ist im Ernstfall einer schweren Verletzung ein wirklich großer Vorteil ist. Aber meine Zukunft nach dem aktiven Skisport ist noch offen.

Beim Skisport fährt man zum Training nicht einfach ins Nachbardor­f, sondern sechs oder sieben Stunden bis in die Alpen.

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Foto: dpa Matthieu Osch ist zwar erst 21 Jahre alt, trotzdem kann er bereits von einer Olympiatei­lnahme berichten.

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