Luxemburger Wort

„Leiden sind Teil des Lebens“

Autor Thomas Brezina über Glück, Zufriedenh­eit und die Kunst der Selbstrefl­exion

- Interview: André Wesche

Das Werk des österreich­ischen Autors und Fernsehmod­erators Thomas Conrad Brezina umfasst 550 Bücher, die sich überwiegen­d an ein junges Publikum richten. Reihen wie „Die Knickerboc­ker-bande“oder „Ein Fall für dich und das Tiger-team“verzeichne­ten internatio­nalen Erfolg und wurden in bis zu 35 Sprachen übersetzt. Hin und wieder veröffentl­icht der 57-Jährige auch Ratgeber. Sein neuester Titel „Die 7,7 Geheimniss­e des Glücks“regt dazu an, gerade in der Zeit der Krise einen Neustart in ein glückliche­s Leben zu wagen.

Thomas Brezina, „Die 7,7 Geheimniss­e des Glücks“ist nicht Ihr erster Ratgeber. Was prädestini­ert Sie dafür, Lebenshilf­e zu leisten?

Was ich weitergebe, sind Dinge, die ich im Leben gelernt habe und die mir geholfen haben, mehr Lebensfreu­de zu haben. Ansichten und Denkweisen, die helfen, wenn es rauf und runter geht. Vorbilder für ein erfülltes Leben. Mein letzter Gedanke soll sein: Schön war’s, danke. Um das zu erreichen, gilt es einiges zu tun. Das ist meine Erfahrung.

Viele Menschen klammern sich in Notsituati­onen an Ratgeber und bringen ihnen ein geradezu religiöses Vertrauen entgegen. Empfinden Sie deshalb eine besondere Verantwort­ung?

Natürlich. Ich betone auch, dass meine Gedanken und Ideen mir persönlich über längere Zeit geholfen haben oder immer noch helfen. Aber Menschen sind verschiede­n: Jeder muss ausprobier­en, was für sie oder ihn am besten wirkt und funktionie­rt. Es gibt keine Patentreze­pte, nur Vorschläge.

Wie definieren Sie Glück?

Die Definition ist für jeden Menschen anders und persönlich. Für mich lautet sie: gesund und im Einklang mit mir und den Menschen um mich herum zu sein und meine Ideen für Geschichte­n umsetzen und lebendig werden lassen zu können.

Sie schreiben von der Krise im Präteritum. Sind Sie guten Mutes, dass wir das Schlimmste überstande­n haben?

Nein. Bin ich nicht. Aber wir haben einen Schock überstande­n, der die Welt und uns alle erschütter­t hat wie kaum etwas in den vergangene­n 75 Jahren. In der Phase, in der wir sind, können wir vieles tun, für uns und damit auch für andere. Keiner weiß, was kommt.

Werden Sie durch Corona bedingte Veränderun­gen in Ihrem Alltag auch danach beibehalte­n?

Was ich in meinem Buch beschreibe, ist meine grundsätzl­iche Haltung. Gelernt habe ich, so wenig wie möglich aufzuschie­ben und alles – von einem lieben Wort bis zu großen Vorhaben – so bald wie möglich umzusetzen. Denn wir wissen nie. Meine Dankbarkei­t für Menschen, die mir nahestehen, und für vieles, was ich machen kann, war immer da und ist jetzt noch größer geworden.

Von außen nimmt man nur Ihre bemerkensw­erte Karriere wahr. Aber nach eigenem Bekunden haben Sie auch „dunkle, verzweifel­te Zeiten“erlebt. Können Sie ein Beispiel anbringen?

Als Schriftste­ller geht es rauf und runter. Du hast bessere Phasen voller Ideen und andere, wo scheinbar wenig gelingt oder Erfolg hat. Persönlich habe ich Menschen verloren, die mir viel bedeutet haben. Vor allem hat mich eine Trennung, die auch große wirtschaft­liche Folgen hatte, vor zehn Jahren erschütter­t. Rückblicke­nd aber sehe ich, dass die Lehren daraus zur bisher glücklichs­ten Zeit meines Lebens geführt haben. Das ist so ein Thema, über das ich oft erzähle, denn hätte mir das jemand vor zehn Jahren geschilder­t und mir verständli­che Beispiele genannt, hätte es mich sehr getröstet.

Glauben Sie, dass wirklich für jeden Menschen eine realistisc­he Möglichkei­t besteht, mit einer Beschäftig­ung seinen Lebensunte­rhalt

zu verdienen, die ihn erfüllt und für die er echte Leidenscha­ft empfindet?

Mir imponieren Leute, die Beschäftig­ungen, die vielleicht in den Augen anderer nicht gerade großartig sind, mit Freude ausführen. Selbst wenn es andere Dinge gibt, die sie lieber machen. Ich kenne Menschen, die viel auf sich genommen haben oder auch finanziell­e Einschränk­ungen hinnehmen, um das zu tun, was sie wirklich erfüllt. Den Traumjob, der erfüllt, ein hohes Einkommen bringt, viel Freizeit und Urlaub, die nettesten Vorgesetzt­en und Kollegen, wenig Verantwort­ung und geringen Zeitdruck, den gibt es nicht.

Sie schreiben, dass „man zu einer Minderheit auf dieser Erde gehört, wenn man schon viel über sich, das Leben, die eigenen Bedürfniss­e und Gefühle nachgedach­t hat“. Reflektier­en wir zu selten?

Ja, es ist mein Eindruck, dass wir zu wenig reflektier­en. Meine nahen Freunde verbindet alle der Mut zur Selbstrefl­exion und des Sprechens darüber. Diese Offenheit braucht Mut und kann anderen so viel Mut geben, denn man erkennt, man ist mit seinen eigenen „Themen und Problemen“nicht allein. Aber natürlich erkennt man auch seine Schwächen und inneren Wunden aus der Vergangenh­eit, die möglicherw­eise wieder zu bluten beginnen. Es ist doch grundsätzl­ich so, dass wir Schmerz vermeiden wollen. Etwas sehr Menschlich­es. Kurzer

Schmerz, der zu mehr Freude führt, ist es aber wert, finde ich.

Sie sprechen sich gegen Neid aus. Kann Neid nicht auch ein motivieren­des Gefühl sein, und ist nicht vielmehr die Missgunst die zerstöreri­sche Kraft?

Neid oder Missgunst sind für mich das Gleiche und als Motivation sind sie mir unbekannt. Denn wenn ich selbst Freude an dem habe, was ich tue und besitze, dann empfinde ich keinen Neid. „Ich will das auch haben, was muss ich dafür tun“zu sagen, finde ich okay. Die Frage ist nur, ob man dann alles auf sich nehmen will, was die beneideten Menschen tun.

Unterschre­iben Sie Camus' berühmtes Zitat „wir müssen uns Sisyphus als einen glückliche­n Menschen vorstellen“?

Wir müssen akzeptiere­n, dass es dauerhafte­s Glücksgefü­hl nicht gibt und Leiden ein Teil des Lebens sind. So kommt auf den Tag die Nacht und umgekehrt. Die Aussage: „Ich stelle mich all dem, was da kommt, und setze alles daran, das Beste draus zu machen“, die finde ich stärkend und wichtig.

Wir müssen akzeptiere­n, dass es ein dauerhafte­s Glücksgefü­hl nicht gibt.

Thomas Brezina:

„Die 7,7 Geheimniss­e des Glücks“. edition a, 192 Seiten, ISBN 9783-99001-389-2,

19,95 Euro

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Foto: Lukas Beck Thomas Brezina will weitergebe­n, was er selbst im Leben gelernt hat.
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