Luxemburger Wort

Respekt für das Benevolat

- Von Laurent Schüssler

In den sozialen Netzwerken zirkuliert­e vor einiger Zeit eine Zeichnung, auf der drei unterschie­dlich lange Warteschla­ngen zu sehen waren. Die längste war jene der Menschen, die alles und jeden kritisiere­n. Die zweite, bereits weitaus kürzer, waren jene, die zwar ebenfalls alles schlechtre­den, die jedoch gleichfall­s Lösungsvor­schläge parat haben. Die dritte, eigentlich war es nur noch eine einzige Person, war jene der Menschen, die tatsächlic­h gewillt sind, mitanzupac­ken.

Dieser Comicstrip verdeutlic­ht aufs Beste eines der großen Probleme des Benevolats. Nicht nur, dass die Zahl der freiwillig­en Helfer in Clubs und Vereinigun­gen wegen der immer größer werdenden Ansprüche im berufliche­n wie privaten Umfeld auf teils dramatisch­e Werte sinkt. Die wenigen Menschen, die sich noch engagieren, verlieren vor einem solchen Hintergrun­d schneller als gewünscht die nötige Motivation. Niemand kann es ihnen verübeln. Je weiter vorne an der Front sie stehen, umso lauter werden die Stimmen der Nörgler und Besserwiss­er, umso unfairer teilweise auch die Angriffe. Doch ein Ende des Benevolats würde unweigerli­ch den Beginn eines anderen Systems einläuten: jenes der hauptberuf­lichen – sprich bezahlten – Administra­toren. Ein solches würde viele Vereine, in erster Linie natürlich die kleineren, vor teils unüberwind­bare Schwierigk­eiten stellen. Ein großes Vereinsste­rben wäre die Folge. Mit allen Folgen. Eine solch düster anmutende Prognose ist weit weniger illusorisc­h, als man vielleicht denken könnte. Sie ist eng verbunden mit dem Benevolat beziehungs­weise dessen Problemen. Eine Lösung gibt es. Sie ist ebenso einfach wie komplizier­t: Es bedarf bei jedem Einzelnen eines Umdenkens gegenüber dem Engagement Dritter. Nicht erst morgen. Sondern bereits heute.

Die aktuelle Krise hat viele Menschen an ihre Grenzen getrieben – die körperlich­en wie die geistigen. Teils auch darüber hinaus. Die Angriffe, denen sich der Präsident des nationalen Basketball­verbandes FLBB, Henri Pleimling, beispielsw­eise ausgesetzt sah, als er Verantwort­ung übernommen hatte und frühzeitig entschied, die Meistersch­aft mit allen Konsequenz­en zu beenden, sprengten diese. Es ist von untergeord­neter Bedeutung, dass Pleimling bereits zuvor angekündig­t hatte, kein weiteres Mandat anzustrebe­n. Wichtig ist ebenfalls nicht, dass es sich um einen Dachverban­d handelt, der über 6 000 Mitglieder zählt.

Oder dass die Entscheidu­ng womöglich zu früh getroffen wurde. Es ist hingegen ein passendes Beispiel von mangelndem Respekt gegenüber einer Person, die ihre Freizeit unentgeltl­ich in den Dienst anderer Menschen stellte. Eines, das riskiert Signalwirk­ung zu haben.

Experten aus den unterschie­dlichsten Wissensber­eichen haben darauf hingewiese­n, dass die momentane Pandemie neben vielen schlechten, ja dramatisch­en Seiten, mindestens eine gute hat: die Entschleun­igung der Gesellscha­ft. An diesem Punkt muss angesetzt werden. Er hat nämlich Lösungspot­enzial. Jedem bietet sich jetzt die Möglichkei­t, regelmäßig in sich zu gehen und sich zu überlegen, ob er so behandelt werden möchte, wie er andere behandelt.

Das Ende des Benevolats

wird ein Vereinsste­rben

auslösen.

Kontakt: laurent.schuessler@wort.lu

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