Respekt für das Benevolat
In den sozialen Netzwerken zirkulierte vor einiger Zeit eine Zeichnung, auf der drei unterschiedlich lange Warteschlangen zu sehen waren. Die längste war jene der Menschen, die alles und jeden kritisieren. Die zweite, bereits weitaus kürzer, waren jene, die zwar ebenfalls alles schlechtreden, die jedoch gleichfalls Lösungsvorschläge parat haben. Die dritte, eigentlich war es nur noch eine einzige Person, war jene der Menschen, die tatsächlich gewillt sind, mitanzupacken.
Dieser Comicstrip verdeutlicht aufs Beste eines der großen Probleme des Benevolats. Nicht nur, dass die Zahl der freiwilligen Helfer in Clubs und Vereinigungen wegen der immer größer werdenden Ansprüche im beruflichen wie privaten Umfeld auf teils dramatische Werte sinkt. Die wenigen Menschen, die sich noch engagieren, verlieren vor einem solchen Hintergrund schneller als gewünscht die nötige Motivation. Niemand kann es ihnen verübeln. Je weiter vorne an der Front sie stehen, umso lauter werden die Stimmen der Nörgler und Besserwisser, umso unfairer teilweise auch die Angriffe. Doch ein Ende des Benevolats würde unweigerlich den Beginn eines anderen Systems einläuten: jenes der hauptberuflichen – sprich bezahlten – Administratoren. Ein solches würde viele Vereine, in erster Linie natürlich die kleineren, vor teils unüberwindbare Schwierigkeiten stellen. Ein großes Vereinssterben wäre die Folge. Mit allen Folgen. Eine solch düster anmutende Prognose ist weit weniger illusorisch, als man vielleicht denken könnte. Sie ist eng verbunden mit dem Benevolat beziehungsweise dessen Problemen. Eine Lösung gibt es. Sie ist ebenso einfach wie kompliziert: Es bedarf bei jedem Einzelnen eines Umdenkens gegenüber dem Engagement Dritter. Nicht erst morgen. Sondern bereits heute.
Die aktuelle Krise hat viele Menschen an ihre Grenzen getrieben – die körperlichen wie die geistigen. Teils auch darüber hinaus. Die Angriffe, denen sich der Präsident des nationalen Basketballverbandes FLBB, Henri Pleimling, beispielsweise ausgesetzt sah, als er Verantwortung übernommen hatte und frühzeitig entschied, die Meisterschaft mit allen Konsequenzen zu beenden, sprengten diese. Es ist von untergeordneter Bedeutung, dass Pleimling bereits zuvor angekündigt hatte, kein weiteres Mandat anzustreben. Wichtig ist ebenfalls nicht, dass es sich um einen Dachverband handelt, der über 6 000 Mitglieder zählt.
Oder dass die Entscheidung womöglich zu früh getroffen wurde. Es ist hingegen ein passendes Beispiel von mangelndem Respekt gegenüber einer Person, die ihre Freizeit unentgeltlich in den Dienst anderer Menschen stellte. Eines, das riskiert Signalwirkung zu haben.
Experten aus den unterschiedlichsten Wissensbereichen haben darauf hingewiesen, dass die momentane Pandemie neben vielen schlechten, ja dramatischen Seiten, mindestens eine gute hat: die Entschleunigung der Gesellschaft. An diesem Punkt muss angesetzt werden. Er hat nämlich Lösungspotenzial. Jedem bietet sich jetzt die Möglichkeit, regelmäßig in sich zu gehen und sich zu überlegen, ob er so behandelt werden möchte, wie er andere behandelt.
Das Ende des Benevolats
wird ein Vereinssterben
auslösen.
Kontakt: laurent.schuessler@wort.lu