Das Covid-puzzle-gesetz
Menschenrechtskommission stört sich besonders an Artikel 7
„Wir sind nicht zufrieden“, sagte der Vorsitzende der Commission consultative des droits de l’homme (CCDH), Gilbert Pregno, gestern bei einer Pressekonferenz zum geplanten Covid-gesetz. „Dem Gesetzestext fehlt es an Präzision. Er gibt keine Rechtssicherheit, viele Maßnahmen sind unverhältnismäßig.“Es sei ein Gesetz aus einzelnen Puzzlestücken. Damit meinte er die Verordnungen, die die Regierung während des Etat de crise erlassen hat.
Die Zwangshospitalisation (Artikel 7) sehen die Menschenrechtler ganz besonders kritisch. Sie ist vorgesehen, wenn eine Person infiziert ist, eine Gefahr für andere darstellt, aber nicht in Quarantäne gehen will. In dem Fall kann der Direktor der Santé den Staatsanwalt anweisen, die Person zwangsweise in ein Krankenhaus einzuweisen. „Diese Maßnahme kommt einem Freiheitsentzug gleich und bedeutet einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, sagte der Jurist der CCDH, Max Mousel.
Vertrauen statt Zwang
Auch wenn eine solche Maßnahme unter sehr limitierten Bedingungen aus Menschenrechtssicht möglich sei, gehe diese Maßnahme dann doch sehr weit, so Mousel. Besser wäre, wenn man auf das Vertrauen, das Verantwortungsbewusstsein und die Kollaboration der Bevölkerung setzen würde. Man müsse sich prinzipiell fragen, „ob diese Maßnahme überhaupt erwünscht ist und ob sie eine verhältnismäßige Antwort auf ein tatsächliches Problem ist“. Die CCDH fordert die Regierung auf, sich das genau zu überlegen und eine transparente und partizipative Debatte über die Frage zu führen. Sollte die Regierung an der Maßnahme festhalten, brauche sie – um menschenrechtskonform zu sein – einen klaren gesetzlichen Rahmen, „sie muss ein legitimes Ziel verfolgen, sie muss verhältnismäßig und auf das Nötigste beschränkt sein“, so Mousel. Wie die Maßnahme sich im Gesetzentwurf darstellt, ist sie für die CCDH inakzeptabel.
Luxemburg hat seit 1980 ein Gesetz, das die Zwangseinweisung von Menschen mit einer ansteckenden Krankheit in ein Krankenhaus erlaubt. „Unseren Informationen zufolge wurde während des Etat de crise auch darauf zurückgegriffen“, sagte Mousel. Allerdings findet sich darüber keine
Information im Gesetzentwurf. Die CCDH fordert die Regierung auf, Zahlen zu veröffentlichen, die zeigen, wie oft in den vergangenen 40 Jahren „und ganz besonders während des Etat de crise auf die Zwangshospitalisation auf Basis dieses Gesetzes zurückgegriffen wurde“, so der Jurist der CCDH.
Geschlossene Psychiatrie
Die CCDH fordert auch klarere Angaben zu den Strukturen, in die Menschen eingewiesen werden können. Eine Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie kommt für die CCDH unter keinen Umständen in Frage. Des Weiteren fehlen die Bedingungen, unter denen eine Zwangseinweisung verordnet beziehungsweise nicht nicht verordnet werden darf. Im Gesetzentwurf wird als einziger Grund der Begriff „danger pour la santé ou la sécurité d'autrui“angeführt. Das sei viel zu vage.
Darüber hinaus wird keine Altersgrenze angegeben. Theoretisch können also auch Kinder, Eltern von Kindern, Sterbende oder Opfer von häuslicher Gewalt, die in einem Heim leben, zwangseingewiesen werden, so die Kritik der CCDH. „Unserer Auffassung nach muss unbedingt die persönliche Situation jeder einzelnen Person berücksichtigt werden, um zu verhindern, dass die Zwangseinweisung den Betroffenen und deren Umfeld größeren Schaden zufügt als die Infektion selbst“, so Mousel.
Die Frage ist, ob die Maßnahme überhaupt erwünscht ist und ob sie eine verhältnismäßige Antwort auf ein tatsächliches Problem ist.
Max Mousel
Quarantänemaßnahmen
„Die Quarantänemaßnahmen schränken die Grundrechte der Bürger stark ein und können einen negativen Impakt auf andere Grundrechte haben, wie zum Beispiel das Recht auf ein normales Familienleben“, sagte Anamarija Tunjic, ebenfalls Juristin. Aus Menschenrechtssicht sind solche Maßnahmen möglich, „allerdings müssen vorab weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht gezogen werden“, so Tunjic. Werden die Maßnahmen dennoch ergriffen, müssen sie aus Sicht der Menschenrechtler begründet werden. Dazu finde man aber keine Informationen im Gesetzestext.
Um ungerechtfertigte Quarantänen zu verhindern, schlägt die CCDH vor, im Verdachtsfall Tests durchzuführen. Wichtig sei auch, beim Ausgehverbot Ausnahmen vorzusehen, zum Beispiel dringende Arztbesuche oder familiäre Notfälle wie häusliche Gewalt.