Schweden schließt die Akte
Mord an Olof Palme: Hauptverdächtiger tot – Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein
Der Mord an Schwedens damaligem Ministerpräsidenten Olof Palme wird auch 34 Jahre nach den tödlichen Schüssen nicht vollständig aufgeklärt werden. Allerdings erklärte der zuständige Staatsanwalt Krister Petersson, dass man als Täter den in Schweden als „Skandiamannen“bekannten Stig Engström identifiziert habe. „Weil Stig Engström verstorben ist, kann ich keine Anklage erheben und kein Verhör führen. Deshalb habe ich beschlossen, die Ermittlungen einzustellen“, erklärte Petersson.
Engström sei als großer Palmekritiker bekannt gewesen und bewegte sich in Kreisen, die den sozialdemokratischen Regierungschef verachteten. Er arbeitete zur Zeit der Tat als Grafiker in dem nur 50 Meter vom Tatort entfernten Gebäude der Skandia-versicherung. Eine Waffe, die Engström an die Tat binden könnte, hat die Polizei trotz umfangreicher Nachforschungen nicht gefunden. Petersson betonte, dass er nicht von einer Konspiration ausgehe. Es spreche dagegen viel dafür, dass Engström ein Einzeltäter war. Engström meldete sich selbst bereits Stunden nach dem Attentat bei der Polizei als Zeuge und wurde auch mehrfach verhört, ohne dass ein Verdacht auf ihn fiel. „Wenn wir vor 34 Jahren aktiv gewesen wären, wäre Engström festgenommen worden“, erklärte der Staatsanwalt. Olof Palmes Sohn, Mårten Palme, hält die Ermittlungen jetzt für abgeschlossen. „Ich glaube, dass Engström der Täter ist“, sagte er und betonte, dass er nun mit dem Mord an seinem Vater abschließen könne.
Es war der 28. Februar 1986, 23.21 Uhr. Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme hatte gerade mit seiner Frau Lisbeth im Kino „Grand“am Svavägen im Zentrum
Stockholms den Film „Die Brüder Mozart“gesehen. Die beiden verabschiedeten sich von ihrem Sohn und dessen Freundin und machten sich ohne Polizeischutz zu Fuß auf den Weg zurück nach Hause. Ein paar hundert Meter vom Kino entfernt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, fielen dann die fatalen Schüsse. Der erste tötete Palme direkt, der zweite hatte offenbar seiner Frau gegolten, verfehlte aber sein Ziel. Später gibt Lisbeth Palme zu Protokoll, dass sie einen einzelnen Mann, hinkend und mit stechendem Blick, gesehen habe.
Mehr als 34 Jahre sind seitdem vergangen. Trotz einer zeitweise 120-köpfigen Untersuchungskommission, trotz zehntausend Verhören sowie zwei Prozessen konnte die Polizei keinen oder keine
Täter präsentieren. Auf der Strecke blieben zum Rücktritt gezwungene Minister und Fahndungsleiter. Nur eine Aufklärung des Verbrechens blieb aus. Bis heute.
Ob „eines der größten Verbrechen des Jahrhunderts in Europa“, wie die Zeitung „Aftonbladet“damals titelte, tatsächlich aufgeklärt ist und damit ein Schlussstrich unter die für viele Schweden so schmerzhafte Erinnerung gezogen werden kann, bleibt abzuwarten. Die vielen Fahndungspannen der vergangenen Jahrzehnte haben nachhaltig am Image der schwedischen Polizei gekratzt. Zu jedem Todestag von Schwedens bekanntestem Politiker wird der Fall wieder aufgerollt. Fernsehen und Zeitungen berichten dann erneut über die vielen Fahndungspannen der
Polizei, über den mittlerweile verstorbenen Christer Pettersson, der in erster Instanz sogar am Mord von Palme für schuldig befunden, aber vor dem Obersten Gerichtshof mangels Beweisen freigesprochen wurde, über Spuren, die zur Stockholmer Polizei, nach Südafrika, zu den Kurden, in den Iran, zum CIA oder nach Ex-jugoslawien führten, dann aber im Nichts versandeten.
Der letzte Ideologe
Olof Palme war Zeit seines Lebens ein international respektierter, in seinem Heimatland aber bis zuletzt höchst umstrittener Politiker. Er war Ministerpräsident Schwedens zwischen 1969 und 1976, und dann noch einmal von 1982 bis zu seinem Tod. Palme polarisierte, begeisterte die einen, empörte die anderen. Als letzter Ideologe wurde er bezeichnet, als einer, der offen für den demokratischen Sozialismus eintrat, der den dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus predigte. Palme verurteilte wie kaum ein anderer Politiker den Bombenangriff der USA auf Vietnam, verglich ihn mit den Gräueltaten der Nazis. Das machte ihn daheim in konservativen Kreisen zu einem Hassobjekt.
Die Schüsse am späten Abend des 28. Februars 1986 sind zu einem nationalen Trauma geworden. Ein brutaler Mord am Regierungschef auf offener Straße passte so gar nicht zusammen mit der Bullerbü-idylle, in der sich viele Schweden zu befinden glaubten. Mit der Präsentation eines Täters wird der Wunsch, endlich einen Schlussstrich unter einen der spektakulärsten Mordfälle der jüngeren europäischen Geschichte zu ziehen, aber nicht in Erfüllung gehen. Schon jetzt haben sich erste Zweifler an den Ermittlungen zu Wort gemeldet.