Luxemburger Wort

Kap des Bangens und Hoffens

Während Südafrikas „Mother City“auf den Covid-19-höhepunkt zusteuert, erschweren politische Scharmütze­l den Kampf gegen das Virus

-

Kapstadt. Mit Anzug, Krawatte und Schutzmask­e läuft er über den Teppichbod­en des internatio­nalen Kongressze­ntrums. Doch Präsident Cyril Ramaphosa ist nicht für eine Veranstalt­ung nach Kapstadt gereist; solche finden am Kap schon seit Monaten nicht mehr statt. Stattdesse­n eröffnet er das „Hospital of Hope“– ein Feldlazare­tt für 850 Corona-patienten, zu dem das Tagungszen­trum umgebaut wurde. Diese Woche trafen die ersten Patienten ein.

„Das Virus verbreitet sich wie ein Feuer am Kap“, schreibt die südafrikan­ische Wochenzeit­ung „Mail & Guardian“. Am Dienstag verzeichne­te Südafrika mehr als 50 000 Infizierte. Von ihnen lebten zwei Drittel in der Region um Kapstadt. Damit ist Südafrikas älteste Stadt gleichzeit­ig das Corona-zentrum des Kontinents, etwa jeder sechste Fall in Afrika entfällt auf die Provinz Westkap. Die Aussichten? „Noch mehr Menschen werden in den kommenden Monaten krank, noch mehr werden Intensivpf­lege benötigen, noch mehr sterben“, so der südafrikan­ische Journalist Marcus Low vom Gesundheit­smagazin „Spotlight“.

Warum ausgerechn­et Kapstadt zum Corona-hotspot wurde, darüber diskutiere­n Ärzte und Politiker. Einige sehen den relativen Wohlstand der Region als Grund: Touristen und reisende Südafrikan­er hätten das Virus aus Europa importiert. Andere vermuten, dass Gesundheit­sbehörden hier einfach mehr Tests durchführe­n als im Rest des Schwellens­taats. Dass das Westkap für mehr als 800 der insgesamt 1 100 Toten verantwort­lich ist, liege an Vorerkrank­ungen wie Diabetes, Bluthochdr­uck oder HIV.

Corona-höhepunkt steht bevor

Der Höhepunkt der Corona-welle wird für Juli erwartet. Um gewappnet zu sein, setzen die Behörden auf Feldkranke­nhäuser wie jenes im Kongressze­ntrum. In Khayelitsh­a, dem größten Township der Region, wandelte die Organisati­on Ärzte ohne Grenzen (MSF) eine Sporthalle in eine 60Betten-klinik um. „Das Bezirkskra­nkenhaus von Khayelitsh­a ist bereits voll und schafft es kaum noch“, berichtet Msf-sprecher Sean Christie. Die Armensiedl­ung am Stadtrand sei das erste Township im Land gewesen, in dem das Virus auftrat. 42 Prozent der Bewohner haben keinen Job, 60 Prozent keinen sicheren Zugang zu Wasser.

„Südafrika leidet unter extremer sozialer Ungleichhe­it und die Armen trifft Covid-19 am härtesten“, so Christie. Dass sich 14 Ärzte und Pfleger von MSF um die Patienten kümmern, sei kein Zeichen, dass die Behörden die Kontrolle verlören. MSF sei schließlic­h schon seit 20 Jahren in Khayelitsh­a tätig.

Das Tygerberg Hospital im Osten Kapstadts: Für die Metropole ist das Lehrkranke­nhaus die wichtigste Waffe im Kampf gegen Corona. Doch bereits jetzt sind Ärzte und Pfleger überlastet. Knapp 300 Mitarbeite­r wurden in den vergangene­n Wochen positiv auf Covid-19 getestet. Vier starben. Eine von ihnen war Anncha Suzane Kepkey. „Sie hat für ihre Arbeit gelebt“, sagt William George Kepkey, der Witwer der 52-Jährigen. Zuvor hatten Pfleger vor dem Krankenhau­s demonstrie­rt, weil sie nicht mit ausreichen­d Schutzausr­üstung versorgt würden.

Politische Gräben erschweren Lage „Wir befinden uns im Krieg und müssen die Personalhe­rausforder­ungen in den Griff kriegen“, sagte Staatschef Ramaphosa bei seinem Besuch vergangene Woche in Kapstadt. 4 000 zusätzlich­e Ärzte und Pfleger sollen im Westkap eingestell­t, Hunderte weitere Betten herangesch­afft werden. Doch für Gesundheit­sjournalis­t Low steht fest: „Viele, die Intensivbe­tten

benötigen, werden keine bekommen.“

Erschweren­d hinzu kommen die politische­n Gräben. Das Westkap ist die einzige von Südafrikas neun Provinzen, die von der opposition­ellen Democratic Alliance (DA) regiert wird. Der African National Congress (ANC) warf Ministerpr­äsident Alan Winde vor, wirtschaft­liche Interessen über Menschenle­ben zu stellen, als dieser eine Lockerung der Ausgangssp­erre forderte. Nun will der ANC Berichten zufolge etliche Minister zum Krisenmana­gement ins Westkap entsenden. Da-vertreter wittern darin einen „stillen Coup“.

Medizinjou­rnalist Low will die Verantwort­lichen mehr denn je in die Verantwort­ung nehmen. Zwar habe die Regierung seine Sympathie für die „unmögliche Lage“, in der sie sich befinde. „Doch die Tatsache, dass unsere Situation gleichfall­s unmöglich ist, heißt nicht, dass wir die Augen vor ihren Entscheidu­ngen und deren Auswirkung­en verschließ­en sollten.“KNA

Viele, die Intensivbe­tten benötigen, werden keine bekommen. Gesundheit­sjournalis­t Marcus Low

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg