Der Extrem-hindernisläufer
Gilles Feith wurde als Branchenfremder Chef von Luxair – Der Mann liebt es, Hürden zu überwinden
Nach 15 Jahren an der Spitze hat Adrien Ney seinen Ruhestand angetreten und den Chefposten bei Luxair an den Staatsbeamten Gilles Feith (44) übergeben. Ein Seiteneinsteiger just in der Zeit der größten Krise der Luftfahrt? Fünf Jahre leitete Feith das Centre des technologies de l’information de l’etat (CTIE) und verantwortete zuletzt die nationale Corona-krisenzelle, wo er sich um die Logistik kümmerte. Vielleicht prädestiniert ihn auch sein Hobby für den Job: Feith liebt Extremhindernislauf.
Gilles Feith, wie war Ihre erste Arbeitswoche?
Die erste Woche war ein einziges großes Factfinding, und ich muss sagen, ich bin positiv überrascht über die vielen guten Mitarbeiter, denen ich begegnet bin. Es ist sehr viel Elan im Unternehmen. Größte Sorgenkinder sind momentan die Airline und Luxairtours. Jetzt müssen wir es gemeinsam fertigbringen, dass die Leute wieder fliegen. Ich selbst habe die Chance genutzt, mit meinen Kindern übers Wochenende nach Hamburg zu fliegen, nachdem wir zuvor in der Covidzeit nicht viel gemeinsam unternehmen konnten. Wir befinden uns in einer sehr turbulenten Zeit. Jeden Tag haben wir Besprechungen, um zu sehen, wie wir diese Krise zusammen meistern.
Sie selbst haben beruflich keine Erfahrung in der Luftfahrt. Was prädestiniert Sie für diesen Job?
In einem Unternehmen braucht man unterschiedliche Profile. Es kann, so denke ich, auch von Vorteil sein, wenn man mit einem gewissen Abstand die Analysen macht, die in der aktuellen Lage gemacht werden müssen. Wie gesagt, ich war in Hamburg, und der Flughafen dort war gespenstisch leer. Die Luftfahrtbranche ist in ihrer schwersten Krise. Was prädestiniert mich? Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, ich arbeite, um Lösungen für komplexe Situationen zu finden. Seit dem
29. Mai haben wir den Flugverkehr aufgenommen, und ich bin froh sagen zu können, dass alle Flüge bislang profitabel sind und wir dabei kein Geld verlieren. Am Freitag hatten wir auch mehr als 3 000 Buchungen, eine Zahl, wie wir sie sonst nur zur „Vakanzefoire“kannten. Die Leute wollen also fliegen.
Sie gelten als „harter Hund“. Hat der Staat als Hauptaktionär Sie als „Aufräumer“bestellt?
(Lacht.) Ich kenne den Ausdruck „harter Hund“nicht. Aber ich bin ein relativ anspruchsvoller Mensch, bin aber ebenso einer, der wirklich gerne mit anderen zusammenarbeitet. Natürlich werde ich auch ungeduldig, wenn ich keine Fortschritte sehe. Die aktuelle Situation in der Branche gibt uns die Chance, uns als kleine Airline anzupassen, schneller als die großen das können. Das sind Dinge, da muss man entschlossen und ambitioniert reagieren, wobei auch jeder mitmachen muss, denn sonst funktioniert es nicht.
Die Luftfahrt verändert sich – inwieweit wird sie sich in Zukunft noch mehr verändern?
Den Trend, den ich zurzeit in der Luftfahrtbranche sehe und den ich gar nicht gut finde, ist, dass sich viele Firmen jetzt ihres Personals entledigen, um sich damit die Rentabilität zu retten. Das ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Luftfahrt und alle Unternehmen müssen mit dem „Humankapital“arbeiten.
Das heißt, bei Luxair sind keine Entlassungen zu befürchten?
Nein, auch wenn wir jetzt eine Krise haben, wäre es heute zu früh zu sagen, man müsste nun Leute entlassen. Wir sind in einer Krise und müssen schauen, was das Geschäftsmodell von morgen ist. Führt man morgen das Geschäftsmodell von gestern weiter, dann braucht man sicherlich weniger Menschen. Eine andere Möglichkeit ist, Neues hinzuzunehmen und Neues abzudecken. Das ist schwieriger, auch mit mehr Risiko verbunden, aber sichert Flotte und Arbeitsplätze. Darum müssen Kunden auch verstehen: Wenn wir neue Destinationen anfliegen wie jetzt im Sommer Salzburg und Innsbruck, muss das nicht notwendigerweise heißen, dass die ewig angeflogen werden. Wir als Airline schauen, was funktioniert und wofür ein Bedarf besteht. Was die Luftfahrt von morgen betrifft, so ändern sich wahrscheinlich Geschäftsreisen, aber langfristig werden auch Geschäftsreisen wieder einen Aufschwung erleben.
Beim Tourismus geht der
Trend weg vom Massentourismus, und darauf müssen wir reagieren, um den Kunden zufriedenzustellen.
Die Kurzstrecke steht derzeit auch wegen des ökologischen Fußabdrucks in der Kritik. Wie sehen Sie das? Oder wird es irgendwann längere Strecken mit anderen Luxair-maschinen geben?
Man kann Flüge nach Frankfurt oder Paris als Kurzstrecke sehen, doch zumeist sind diese Flüge „Zubringerdienste“zu ferneren Zielen. Das sollte nicht in Frage gestellt werden. Ich bin nicht dagegen, wenn jemand irgendwohin will und er dafür eine gute Zugverbindung dorthin nutzt. Aber kaum jemand fliegt mit uns zum Charles-de-gaulle, um einen Paris-bummel
zu machen, sondern sie steigen dort um und fliegen weiter. Und wer nach Paris will, der nutzt die exzellente Zugverbindung, die es von Luxemburg aus dorthin gibt.
Haben kleine Regionalairlines wie Luxair aber überhaupt eine Zukunft?
Unter der Covid-epidemie leiden mittelfristig jedenfalls Langstreckenflüge mehr als Kurzstreckenflüge. Das einzige Rezept angesichts der aktuellen Situation ist Flexibilität und sich den Gegebenheiten schnell anpassen zu können. Und das versuchen wir als Luxair. Was geschieht, wenn eine zweite Pandemiewelle kommt? Was geschieht bei neuen Reglementationen? Da ist Luxair wie das Luxemburger Wirtschaftsmodell selbst: wir versuchen, einen Platz in einer Nische auszufüllen und etwas zu tun, was andere so nicht tun.
Welche Ziele haben Sie sich bei Luxair gesetzt?
Ich will erreichen, dass Luxair als eines der Flaggschiffe unserer Wirtschaft zuverlässig bleibt. Wir haben 3 000 Mitarbeiter, und die sollen einen stabilen Arbeitgeber haben und wissen, wir arbeiten alle für ein gemeinsames Ziel. Für mich ist auch wichtig, dass ein Unternehmen ökonomisch, ökologisch und sozial Verantwortung trägt. Nicht jeder Kunde sucht den billigsten Preis. Gesucht wird eine gute Flugverbindung, eine anständige Dienstleistung, keine bösen Überraschungen, sondern Klarheit, und aktuell auch, dass alles getan wird, um die Gesundheit der Passagiere beim Reisen zu schützen.
Ich finde es falsch, wenn jetzt Firmen Mitarbeiter entlassen, um die Rentabilität zu retten.
Könnte nicht ein Ziel sein, die Airline-sparte profitabel zu machen?
Was ist die Airline-sparte? Ob ein Geschäftsreisender mit uns fliegt, ein Student oder jemand, der über Luxairtours gebucht hat, ist letztendlich egal. Wir sind eine Gruppe, und das Unternehmen kann man nur als Ganzes, als „one Luxair“sehen (bestehend aus Luxaircargo, Luxair Luxembourg Airlines, Luxairtours und Luxairservices, d. Red.). Das heißt, wir müssen langfristig als Ganzes profitabel bleiben.
Wie lange wird es bei Luxair noch Kurzarbeit geben?
Solange wir nicht voll operationell sind, werden wir auch weiterhin diese Möglichkeit nutzen. Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass wir so viel wie möglich fliegen können und dass wir keine Verluste einfliegen. Viele Mitarbeiter aus dem Passagierhandling sind in Kurzarbeit, aber einige, etwa 50, arbeiten derzeit im Frachthandling.