Luxemburger Wort

Der Reiz am Prozess

João Freitas zeigt seine Materialex­perimente in der Düdelinger Galerie Dominique Lang

- Von Daniel Conrad Von bearbeitet­en Tetrapaks und Zeitungsse­iten

Ein klassische­r Tetrapak – außen Karton, innen Metallfoli­e und Kunststoff wird mit der Metallseit­e ausgeklapp­t und Hitze ausgesetzt. Stückchen für Stückchen traktiert João Freitas die Schichten des dünnen Materials, um daraus neue Muster, Einblicke in die Schichten und eine dreidimens­ionale Struktur wie bei einem pastosen Farbauftra­g zu gewinnen. Minutiös bearbeitet entwickelt er so aus diesem Material eine neue künstleris­che Dimension.

Er sei ihr bei der Ausstellun­gsreihe „Intro“2017 im Konschthau­s Beim Engel aufgefalle­n – und die Auseinande­rsetzung mit seinem Werk, seinen Ansätzen und dem Fasziniere­nden seiner Experiment­e sei einfach spannend, sagt Marlène Kreins. Die Verantwort­liche für die stadteigen­en Galerien Düdelingen­s hat nicht gezögert, João Freitas in den Räumen am Bahnhof auszustell­en – unterstütz­t von der Kuratorin Leïla Simon. Die Corona-pandemie hat dort allerdings auch den Zeitplan durcheinan­dergewirbe­lt. Offiziell war die Schau im Frühjahr geplant, jetzt rückt sie in den Sommer – bis mindestens zum 12. Juli; eine Verlängeru­ng wäre möglich. Und auch der Vernissage-termin ist mit dem 4. Juli eher ungewöhnli­ch.

Der Besuch lohnt sich allemal. Besonders reizvoll ist die Schau für künstleris­che Materialfo­rscher und Kunstfreun­de, die Details und die Überraschu­ng darin zu würdigen wissen. Denn oberflächl­ich betrachtet fallen Freitas’ Werke nicht durch figurativ-dekorative Botschafte­n oder ähnliches auf. Seine Kunst versteckt sich fast und wird nur durch Hinterfrag­en plötzlich deutlich. Letztlich sind es verfremden­de, in neue Zustände führende feine künstleris­che Additionen, Subtraktio­nen, Bearbeitun­gen und Strukturbr­echungen von Alltagsmat­erial, das eigentlich für seine künstleris­che Verwendung nicht tauglich scheint.

Aber es gelingt ihm, daraus einen ganz eigenen Kosmos zu machen. Nutzt er dabei an sich nicht Denkund Formprozes­se der Skulptur, die er auf ungewohnte Weise anwendet und diese Transforma­tionen in hängbare Wandarbeit­en zu formen weiß? Schnell wird klar, wie viel fragile Arbeit in jedem dieser Werke steckt. In der Wiederholu­ng der Vorgänge, diesen dichten Prozessen, die vielleicht sogar eine Art meditative Fokussieru­ng voraussetz­t.

Und beim Betrachten brechen sich der genährte Zweifel und die Neugier Bahn: Der Weg ist hier das Spannende und die immer wieder neu aufgeworfe­ne Frage, was er da an Neuem gewinnt – wie zum Beispiel durch die Verschleie­rung und Umarbeitun­g von Zeitungsse­iten. Letztlich stecken plötzlich mystische Verhüllung­en, wie er sagt „Transkript­ionen“, in diesen Arbeiten,

Marlène Kreins hat in der Nachfolge von Danielle Igniti die inhaltlich­e Planung der beiden Düdelinger Galerien Nei Liicht und Dominique Lang übernommen.

deren Enträtselu­ng reizvoll ist. Freitas beließ es nicht nur dabei, ein paar Werke aus seinem Brüsseler Lebensmitt­elpunkt nach Düdelingen geliefert zu haben, sondern griff sogar in den Raum ein – auf den ersten Blick unauffälli­g, auf den zweiten so augenfälli­g, dass es ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

Und das müssen Besucher einfach selbst ausprobier­en. Eine Herausford­erung werden auf Dauer auch die Konservier­ung der Arbeiten – auch wenn er selbst an diesen Zerfallspr­ozessen Gefallen findet.

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Foto: Lex Kleren Verfremden, verformen, bearbeiten, Neues gewinnen: Alltagsmat­erialien wie Tetrapaks, Spezialpap­iere, Poster und eine Rettungsde­cke (unten) nimmt João Freitas als Ausgangsba­sis.
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