Der Reiz am Prozess
João Freitas zeigt seine Materialexperimente in der Düdelinger Galerie Dominique Lang
Ein klassischer Tetrapak – außen Karton, innen Metallfolie und Kunststoff wird mit der Metallseite ausgeklappt und Hitze ausgesetzt. Stückchen für Stückchen traktiert João Freitas die Schichten des dünnen Materials, um daraus neue Muster, Einblicke in die Schichten und eine dreidimensionale Struktur wie bei einem pastosen Farbauftrag zu gewinnen. Minutiös bearbeitet entwickelt er so aus diesem Material eine neue künstlerische Dimension.
Er sei ihr bei der Ausstellungsreihe „Intro“2017 im Konschthaus Beim Engel aufgefallen – und die Auseinandersetzung mit seinem Werk, seinen Ansätzen und dem Faszinierenden seiner Experimente sei einfach spannend, sagt Marlène Kreins. Die Verantwortliche für die stadteigenen Galerien Düdelingens hat nicht gezögert, João Freitas in den Räumen am Bahnhof auszustellen – unterstützt von der Kuratorin Leïla Simon. Die Corona-pandemie hat dort allerdings auch den Zeitplan durcheinandergewirbelt. Offiziell war die Schau im Frühjahr geplant, jetzt rückt sie in den Sommer – bis mindestens zum 12. Juli; eine Verlängerung wäre möglich. Und auch der Vernissage-termin ist mit dem 4. Juli eher ungewöhnlich.
Der Besuch lohnt sich allemal. Besonders reizvoll ist die Schau für künstlerische Materialforscher und Kunstfreunde, die Details und die Überraschung darin zu würdigen wissen. Denn oberflächlich betrachtet fallen Freitas’ Werke nicht durch figurativ-dekorative Botschaften oder ähnliches auf. Seine Kunst versteckt sich fast und wird nur durch Hinterfragen plötzlich deutlich. Letztlich sind es verfremdende, in neue Zustände führende feine künstlerische Additionen, Subtraktionen, Bearbeitungen und Strukturbrechungen von Alltagsmaterial, das eigentlich für seine künstlerische Verwendung nicht tauglich scheint.
Aber es gelingt ihm, daraus einen ganz eigenen Kosmos zu machen. Nutzt er dabei an sich nicht Denkund Formprozesse der Skulptur, die er auf ungewohnte Weise anwendet und diese Transformationen in hängbare Wandarbeiten zu formen weiß? Schnell wird klar, wie viel fragile Arbeit in jedem dieser Werke steckt. In der Wiederholung der Vorgänge, diesen dichten Prozessen, die vielleicht sogar eine Art meditative Fokussierung voraussetzt.
Und beim Betrachten brechen sich der genährte Zweifel und die Neugier Bahn: Der Weg ist hier das Spannende und die immer wieder neu aufgeworfene Frage, was er da an Neuem gewinnt – wie zum Beispiel durch die Verschleierung und Umarbeitung von Zeitungsseiten. Letztlich stecken plötzlich mystische Verhüllungen, wie er sagt „Transkriptionen“, in diesen Arbeiten,
Marlène Kreins hat in der Nachfolge von Danielle Igniti die inhaltliche Planung der beiden Düdelinger Galerien Nei Liicht und Dominique Lang übernommen.
deren Enträtselung reizvoll ist. Freitas beließ es nicht nur dabei, ein paar Werke aus seinem Brüsseler Lebensmittelpunkt nach Düdelingen geliefert zu haben, sondern griff sogar in den Raum ein – auf den ersten Blick unauffällig, auf den zweiten so augenfällig, dass es ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Und das müssen Besucher einfach selbst ausprobieren. Eine Herausforderung werden auf Dauer auch die Konservierung der Arbeiten – auch wenn er selbst an diesen Zerfallsprozessen Gefallen findet.