Etwas leiser, bitte
Der aktuelle Motorradboom hat unangenehme Begleiterscheinungen
Luxemburg. Die zahlreichen Leserbriefe, die die Redaktion des „Luxemburger Wort“in den vergangenen Wochen erreichten, dokumentieren die zunehmende Entrüstung von Bürgern über den Motorradlärm.
Ob es nun die gewachsene Popularität der Bikes, die ungewohnte Ruhe, die durch die Corona-ausgangssperren erzwungen wurde oder aber die aktuelle Diskussion um Wochenend-fahrverbote und Streckensperrungen in Deutschland sind, welche die Kontroverse nun wieder hochkochen lassen, bleibt vorerst offen. Fakt ist, dass sich insbesondere in den touristischen Hochburgen mit ihren besonders reizvollen Strecken rund um Clerf, Vianden, Esch/sauer, Remich oder noch im Müllerthal immer mehr Einwohner über den Krach beschweren. So mancher wundert sich dabei, dass er zwar sonntags hinter dem Haus den Rasen aus Lärmschutzgründen nicht mähen darf, zur gleichen Zeit aber eine Chopper so aufdrehen darf, dass die Fensterscheiben erzittern.
Reden nicht mehr möglich
„Gerade dann, wenn hier in Ellingen schönes Wetter ist und man sich am Wochenende draußen im Garten aufhalten will, geht das Gedröhne los. Man kann sich dann nicht mal mehr unterhalten“, so Jean-paul Beck. Mit seinem Leserbrief löste er eine Welle weiterer Briefe aus. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Brief solche Reaktionen auslösen würde. Ich wurde andauernd auf das Thema angesprochen, das vielen unter den Nägeln zu brennen scheint“, so Beck, der aber auch klarstellt, dass er nicht alle Motorradfahrer unter Generalverdacht stellen will. Und dass es neben den Motorrädern eben auch getunte Sportwagen und Quads sind, die Krach machen.
Doch bevor man lautstark nach Verboten und Kontrollen ruft, muss man die komplexe gesetzliche Lage verstehen. Laut Artikel 25 des Code de la route darf ein Motorrad mit mehr als 175 Kubikzentimeter Hubraum maximal 80 Dezibel an Lärm produzieren. Für vor dem 1. März 1999 angemeldete Fahrzeuge gelten 83 Dezibel, zudem wurden die Auflagen 2016 per Eu-direktive noch einmal verschärft.
Ein laut europäischer Direktive homologierter, also offiziell zugelassener Sportauspuff, der die Leistung steigern soll und auch den Lärmpegel, bringt es je nach Fahrweise allerdings auf bis zu 95 Dezibel. Das ist nahe an der Schmerzgrenze, aber immer noch nicht illegal. Zudem verfügen manche Motorräder über eine Klappensteuerung: Auf dem Prüfstand wird das Gerät leiser, auf der Piste heißt es dann aber bei geöffneten Klappen volles Rohr. Komplett illegal ist das Entfernen des sogenannten Db-killers, also des Schalldämpfers an den Sportauspuffanlagen. Das weiß auch die Polizei.
„Das sind nur zwei oder drei Schrauben, das Teil ist sehr schnell befestigt und dann ist das Motorrad wieder legal. Das Gleiche gilt für das Anbringen und Abnehmen von illegalen Sportauspuffanlagen vor der technischen Kontrolle. Das sind alles altbekannte Tricks. Aber nur ein kleiner Teil der Motorradfahrer ist so unterwegs“, so André Schaack, Chefkommissar der Verkehrspolizei. Auch Schaack spricht von einem Lärmproblem, verweist allerdings auf die konkreten Probleme, mit denen die Polizeibeamten bei Kontrollen vor Ort konfrontiert sind. So muss der Lärmpegel offiziell mit einem speziellen Mikrofon sieben Meter hinter dem Motorrad gemessen werden, dies bei drei Viertel der maximalen Motordrehzahl.
Der Einsatz geeigneter Messgeräte sowie der Messvorgang sind sehr komplex und bei Kontrollen praktisch nicht durchzuführen. André Schaack, Verkehrspolizei
Ich brauche keinen Lärm, aber ich genieße den Sound. Guy Breden, Präsident Motoclub VDL
Unrealistische Messmethoden
„Der Einsatz geeigneter Messgeräte und der vorgeschriebene Messvorgang sind sehr komplex und bei Kontrollen praktisch nicht durchzuführen, insbesondere wo diese Messungen später vor Gericht Bestand haben müssen“so Schaack. „Deshalb beschränken wir uns darauf, besonders laute Zweiräder durch geschultes Personal, meist selbst Motorradfahrer, aus dem Verkehr zu ziehen und auf Nicht-konformitäten hin zu überprüfen. Im schlimmsten Fall muss das Motorrad noch einmal zur technischen Kontrolle.“
Allerdings ist es auch dann noch möglich, dass der Auspuff in der Zwischenzeit wieder gewechselt wird. Wird eine Illegalität festgestellt, werden 75 Euro Geldstrafe fällig. In Deutschland sind die Konsequenzen wesentlich unangenehmer, dort wird das Motorrad in diesem Fall beschlagnahmt.
Schaack verweist aber auch darauf, dass der Lärm zwar sowohl von Sportwagen als auch von Quads und Motorrädern stammt, insbesondere die hochfrequenten Geräusche im oberen Drehzahlbereich aber dafür sorgen, dass die Zweiräder als besonders nervtötend empfunden werden. „Wer dann in einer Region wie dem Müllerthal wohnt, und ich lebe selber dort, kann schon ganz schön genervt werden,“so Schaack.
Niemand braucht Lärm
„Ja, der Lärm nervt und kann Menschen krank machen, die diesem den ganzen Tag über ausgesetzt sind“, sagt auch Guy Breden, überzeugter Biker und Präsident des Motoclubs der Stadt Luxemburg. „Zum Motorradfahren brauche ich keinen Lärm, aber natürlich genieße ich einen satten Sound.“
Breden zeigt allerdings wenig Verständnis für die kürzlich angekündigten Fahrverbote ausgewählter Passstraßen in Tirol, dies für Motorräder ab einem Geräuschpegel von 95 Dezibel. „Der Kollege mit der BMW darf dann drüber, ich mit der Ducati aber nicht. Wenn die Sportauspuffanlagen europaweit homologiert sind, müssen sie auch überall zugelassen werden. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.“Auch Breden spricht sich für deutliche Strafen gegenüber jenen Bikern aus, die illegal unterwegs sind und nur auf
Krach aus sind. „Das sind meist Einzelgänger, die um jeden Preis auffallen wollen, aber keine Fahrer, die wie wir im Team unterwegs sind oder lange Touren fahren. Für uns zählt vor allem die soziale Erfahrung. Da stört der Lärm nur.“Breden spricht sich zudem für vernünftiges Fahren innerhalb von Ortschaften und für Kontrollen aus.
„Wenn die Regeln strenger werden, werden aber auch die Hersteller nachziehen und leisere Maschinen produzieren, davon bin ich überzeugt.“Nur mit Fahrverboten kann Breden gar nichts anfangen. Motorradfahrer sind mittlerweile zu einem Touristikfaktor geworden, auch weil die Fahrerschaft sich verändert hat. Viele gut situierte ältere Menschen sind heute auf den Zweirädern unterwegs. Nicht umsonst macht auch visit.luxemburg international Werbung für die schöne Landschaft und die perfekten, gut erhaltenen Straßen mit ihren schönen Schwüngen.
Die Zahl der ausländischen Motorradfahrer in Luxemburg, die ohnehin bereits sehr hoch ist, riskiert allerdings zu explodieren, wenn Deutschland seine Pläne umsetzt. Der Bundesrat hat dort am 15. Mai einer Vorlage zugestimmt, die den Gemeinden an Sonn- und Feiertagen ein Durchfahrtsverbot auf einzelnen Strecken ermöglichen könnte.
Zudem sollen europaweit maximal 80 Dezibel zugelassen werden, unabhängig von Geschwindigkeit und Drehzahl. Dazu bedarf es aber erst noch des grünen Lichts aus Brüssel. Sperrungen einzelner Strecken standen auch in Luxemburg bereits zur Debatte, dies aber vor allem aus Sicherheitsgründen. Laut Chefkommissar Schaack habe man diese Überlegungen aber wieder verworfen: „Wir hielten es am Ende für keine so gute Idee, eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern pauschal zu bestrafen.“