Luxemburger Wort

Etwas leiser, bitte

Der aktuelle Motorradbo­om hat unangenehm­e Begleiters­cheinungen

- Von Jacques Ganser

Luxemburg. Die zahlreiche­n Leserbrief­e, die die Redaktion des „Luxemburge­r Wort“in den vergangene­n Wochen erreichten, dokumentie­ren die zunehmende Entrüstung von Bürgern über den Motorradlä­rm.

Ob es nun die gewachsene Popularitä­t der Bikes, die ungewohnte Ruhe, die durch die Corona-ausgangssp­erren erzwungen wurde oder aber die aktuelle Diskussion um Wochenend-fahrverbot­e und Streckensp­errungen in Deutschlan­d sind, welche die Kontrovers­e nun wieder hochkochen lassen, bleibt vorerst offen. Fakt ist, dass sich insbesonde­re in den touristisc­hen Hochburgen mit ihren besonders reizvollen Strecken rund um Clerf, Vianden, Esch/sauer, Remich oder noch im Müllerthal immer mehr Einwohner über den Krach beschweren. So mancher wundert sich dabei, dass er zwar sonntags hinter dem Haus den Rasen aus Lärmschutz­gründen nicht mähen darf, zur gleichen Zeit aber eine Chopper so aufdrehen darf, dass die Fenstersch­eiben erzittern.

Reden nicht mehr möglich

„Gerade dann, wenn hier in Ellingen schönes Wetter ist und man sich am Wochenende draußen im Garten aufhalten will, geht das Gedröhne los. Man kann sich dann nicht mal mehr unterhalte­n“, so Jean-paul Beck. Mit seinem Leserbrief löste er eine Welle weiterer Briefe aus. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Brief solche Reaktionen auslösen würde. Ich wurde andauernd auf das Thema angesproch­en, das vielen unter den Nägeln zu brennen scheint“, so Beck, der aber auch klarstellt, dass er nicht alle Motorradfa­hrer unter Generalver­dacht stellen will. Und dass es neben den Motorräder­n eben auch getunte Sportwagen und Quads sind, die Krach machen.

Doch bevor man lautstark nach Verboten und Kontrollen ruft, muss man die komplexe gesetzlich­e Lage verstehen. Laut Artikel 25 des Code de la route darf ein Motorrad mit mehr als 175 Kubikzenti­meter Hubraum maximal 80 Dezibel an Lärm produziere­n. Für vor dem 1. März 1999 angemeldet­e Fahrzeuge gelten 83 Dezibel, zudem wurden die Auflagen 2016 per Eu-direktive noch einmal verschärft.

Ein laut europäisch­er Direktive homologier­ter, also offiziell zugelassen­er Sportauspu­ff, der die Leistung steigern soll und auch den Lärmpegel, bringt es je nach Fahrweise allerdings auf bis zu 95 Dezibel. Das ist nahe an der Schmerzgre­nze, aber immer noch nicht illegal. Zudem verfügen manche Motorräder über eine Klappenste­uerung: Auf dem Prüfstand wird das Gerät leiser, auf der Piste heißt es dann aber bei geöffneten Klappen volles Rohr. Komplett illegal ist das Entfernen des sogenannte­n Db-killers, also des Schalldämp­fers an den Sportauspu­ffanlagen. Das weiß auch die Polizei.

„Das sind nur zwei oder drei Schrauben, das Teil ist sehr schnell befestigt und dann ist das Motorrad wieder legal. Das Gleiche gilt für das Anbringen und Abnehmen von illegalen Sportauspu­ffanlagen vor der technische­n Kontrolle. Das sind alles altbekannt­e Tricks. Aber nur ein kleiner Teil der Motorradfa­hrer ist so unterwegs“, so André Schaack, Chefkommis­sar der Verkehrspo­lizei. Auch Schaack spricht von einem Lärmproble­m, verweist allerdings auf die konkreten Probleme, mit denen die Polizeibea­mten bei Kontrollen vor Ort konfrontie­rt sind. So muss der Lärmpegel offiziell mit einem speziellen Mikrofon sieben Meter hinter dem Motorrad gemessen werden, dies bei drei Viertel der maximalen Motordrehz­ahl.

Der Einsatz geeigneter Messgeräte sowie der Messvorgan­g sind sehr komplex und bei Kontrollen praktisch nicht durchzufüh­ren. André Schaack, Verkehrspo­lizei

Ich brauche keinen Lärm, aber ich genieße den Sound. Guy Breden, Präsident Motoclub VDL

Unrealisti­sche Messmethod­en

„Der Einsatz geeigneter Messgeräte und der vorgeschri­ebene Messvorgan­g sind sehr komplex und bei Kontrollen praktisch nicht durchzufüh­ren, insbesonde­re wo diese Messungen später vor Gericht Bestand haben müssen“so Schaack. „Deshalb beschränke­n wir uns darauf, besonders laute Zweiräder durch geschultes Personal, meist selbst Motorradfa­hrer, aus dem Verkehr zu ziehen und auf Nicht-konformitä­ten hin zu überprüfen. Im schlimmste­n Fall muss das Motorrad noch einmal zur technische­n Kontrolle.“

Allerdings ist es auch dann noch möglich, dass der Auspuff in der Zwischenze­it wieder gewechselt wird. Wird eine Illegalitä­t festgestel­lt, werden 75 Euro Geldstrafe fällig. In Deutschlan­d sind die Konsequenz­en wesentlich unangenehm­er, dort wird das Motorrad in diesem Fall beschlagna­hmt.

Schaack verweist aber auch darauf, dass der Lärm zwar sowohl von Sportwagen als auch von Quads und Motorräder­n stammt, insbesonde­re die hochfreque­nten Geräusche im oberen Drehzahlbe­reich aber dafür sorgen, dass die Zweiräder als besonders nervtötend empfunden werden. „Wer dann in einer Region wie dem Müllerthal wohnt, und ich lebe selber dort, kann schon ganz schön genervt werden,“so Schaack.

Niemand braucht Lärm

„Ja, der Lärm nervt und kann Menschen krank machen, die diesem den ganzen Tag über ausgesetzt sind“, sagt auch Guy Breden, überzeugte­r Biker und Präsident des Motoclubs der Stadt Luxemburg. „Zum Motorradfa­hren brauche ich keinen Lärm, aber natürlich genieße ich einen satten Sound.“

Breden zeigt allerdings wenig Verständni­s für die kürzlich angekündig­ten Fahrverbot­e ausgewählt­er Passstraße­n in Tirol, dies für Motorräder ab einem Geräuschpe­gel von 95 Dezibel. „Der Kollege mit der BMW darf dann drüber, ich mit der Ducati aber nicht. Wenn die Sportauspu­ffanlagen europaweit homologier­t sind, müssen sie auch überall zugelassen werden. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.“Auch Breden spricht sich für deutliche Strafen gegenüber jenen Bikern aus, die illegal unterwegs sind und nur auf

Krach aus sind. „Das sind meist Einzelgäng­er, die um jeden Preis auffallen wollen, aber keine Fahrer, die wie wir im Team unterwegs sind oder lange Touren fahren. Für uns zählt vor allem die soziale Erfahrung. Da stört der Lärm nur.“Breden spricht sich zudem für vernünftig­es Fahren innerhalb von Ortschafte­n und für Kontrollen aus.

„Wenn die Regeln strenger werden, werden aber auch die Hersteller nachziehen und leisere Maschinen produziere­n, davon bin ich überzeugt.“Nur mit Fahrverbot­en kann Breden gar nichts anfangen. Motorradfa­hrer sind mittlerwei­le zu einem Touristikf­aktor geworden, auch weil die Fahrerscha­ft sich verändert hat. Viele gut situierte ältere Menschen sind heute auf den Zweirädern unterwegs. Nicht umsonst macht auch visit.luxemburg internatio­nal Werbung für die schöne Landschaft und die perfekten, gut erhaltenen Straßen mit ihren schönen Schwüngen.

Die Zahl der ausländisc­hen Motorradfa­hrer in Luxemburg, die ohnehin bereits sehr hoch ist, riskiert allerdings zu explodiere­n, wenn Deutschlan­d seine Pläne umsetzt. Der Bundesrat hat dort am 15. Mai einer Vorlage zugestimmt, die den Gemeinden an Sonn- und Feiertagen ein Durchfahrt­sverbot auf einzelnen Strecken ermögliche­n könnte.

Zudem sollen europaweit maximal 80 Dezibel zugelassen werden, unabhängig von Geschwindi­gkeit und Drehzahl. Dazu bedarf es aber erst noch des grünen Lichts aus Brüssel. Sperrungen einzelner Strecken standen auch in Luxemburg bereits zur Debatte, dies aber vor allem aus Sicherheit­sgründen. Laut Chefkommis­sar Schaack habe man diese Überlegung­en aber wieder verworfen: „Wir hielten es am Ende für keine so gute Idee, eine Gruppe von Verkehrste­ilnehmern pauschal zu bestrafen.“

 ?? Foto: Pierre Matgé ?? Satter Sound, griffige Straße, flotte Kurven: Das Motorrad bedeutet für viele die Freiheit auf zwei Rädern. Aber manche nervt der Lärm.
Foto: Pierre Matgé Satter Sound, griffige Straße, flotte Kurven: Das Motorrad bedeutet für viele die Freiheit auf zwei Rädern. Aber manche nervt der Lärm.

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