Luxemburger Wort

„Die Leute sind vorsichtig“

Lars Gerson erlebt in Schwedens Alltag kaum Einschränk­ungen, jetzt startet er in die Meistersch­aft

- Interview: Andrea Wimmer

Für Lars Gerson hat das Warten ein Ende. Normalerwe­ise startet die höchste schwedisch­e Fußballlig­a Anfang April in die Saison. Wegen der Corona-pandemie beginnt die Allsvenska­n nun an diesem Wochenende. Der luxemburgi­sche Nationalsp­ieler trifft mit IFK Norrköping zum Auftakt am Sonntag (14.30 Uhr) auf Kalmar IF. Zuschauer werden nicht im Stadion sein. Gerson freut sich trotzdem auf die Meistersch­aft. Der 30-Jährige hat in den vergangene­n Wochen im Alltag kaum Einschränk­ungen erlebt. Schweden ging in Pandemie-zeiten einen umstritten­en Sonderweg.

Lars Gerson, die schwedisch­e Liga beginnt nun zehn Wochen später als zunächst geplant. Freuen Sie sich, dass es endlich losgeht?

Ja, natürlich. Wir hatten die längste Vorbereitu­ngsphase, die es je gab. Ich freue mich darauf, dass wir endlich wieder echte Spiele haben und nicht nur im Training gegeneinan­der antreten. Die Meistersch­aft findet zwar zunächst ohne Zuschauer statt, aber das ist jetzt egal. Wichtig ist, dass gespielt wird.

Einige Pflichtspi­ele hatte es 2020 aber schon gegeben. In Schweden beginnen die Mannschaft­en vor der Meistersch­aft mit dem Pokal.

Die Gruppenpha­se wurde ausgespiel­t, die Halbfinal- und Finalbegeg­nungen nicht. Sie sollen in einigen Wochen nachgeholt werden. Wir sind allerdings schon ausgeschie­den.

Seit der zweiten Märzwoche hatte der Fußball auch in Schweden Zwangspaus­e. Was haben Sie in der ganzen Zeit gemacht?

Wir hatten zehn Tage frei, aber danach haben wir immer trainiert. Es war ein Mannschaft­straining, das sich von den Einheiten in den Zeiten vor der Corona-krise fast nicht unterschie­d. In den letzten Wochen vor dem Ligastart haben wir Pflichtspi­ele simuliert. Wir spielten Elf gegen Elf und hatten Schiedsric­hter. Aber alles war vereinsint­ern. Wir hatten keine Testpartie­n gegen andere Mannschaft­en. Ich glaube, durch diese internen Spiele sind wir gut vorbereite­t auf den Ligastart.

Schweden ging in der Corona-krise einen anderen Weg als die meisten europäisch­en Länder. Es gab keine Ausgangsbe­schränkung­en, Schulen und Gastronomi­e blieben geöffnet. Sie mussten nie alleine zu Hause trainieren. Gab es auf dem Vereinsgel­ände Vorsichtsm­aßnahmen?

Anders als früher waren wir nicht mehr alle zusammen in einer Kabine. Die Mannschaft wurde auf zwei Umkleiderä­ume verteilt, so dass mehr Platz war. Das gemeinsame Frühstück vor dem Training fand nicht mehr statt. Wir mussten auch vor jedem Training ein Formular ausfüllen und Angaben zur Gesundheit machen – zum Beispiel, dass man kein Fieber hat und sich gut fühlt.

Wurden auch Corona-tests durchgefüh­rt?

Nein. Wir hatten die Vorgabe, dass man zu Hause bleiben soll, wenn man sich nicht gut fühlt. Nach dem Abklingen der Symptome sollte man noch 48 weitere Stunden in den eigenen vier Wänden bleiben.

Das bedeutet große Verantwort­ung für jeden Einzelnen. Waren die Spieler immer vernünftig?

Bis jetzt hat es gut geklappt. Es waren immer mal wieder ein oder zwei Spieler zu Hause, mehr waren es gleichzeit­ig nie. Ich selbst hatte im März ein bisschen Halsweh. Ich habe das den Verantwort­lichen gesagt und blieb dann ein paar Tage daheim. Wenn nicht gerade Corona-krise gewesen wäre, hätte ich vermutlich trainiert. Es war nicht schlimm.

Wie haben Sie den schwedisch­en Alltag in den vergangene­n Wochen erlebt?

Ich finde, dass er ziemlich problemlos verlief. Die Leute sind vorsichtig. In den Geschäften sind Markierung­en auf dem Boden. Überall steht, dass man Abstand halten soll. Aber man konnte immer normal in Cafés und Restaurant­s gehen, auch wenn die Tische weiter auseinande­r gerückt wurden.

Tragen die Menschen beim Einkaufen Mund-nasen-schutzmask­en?

Ich sehe ein paar Leute damit. Aber es sind nicht viele. Ich habe keine Maske.

In Europa blickt man mit Skepsis auf den schwedisch­en Sonderweg, der mutmaßlich der Grund für die vergleichs­weise hohen Todesraten ist. Finden Sie Schwedens Umgang mit der Pandemie richtig oder haben Sie sich Sorgen gemacht?

Ich habe mir nicht so viele Sorgen gemacht. Es ist jetzt schwierig zu beurteilen. Man wird wohl erst später wissen, was richtig und was falsch war.

Im Fußball wurde sogar überlegt, die Spiele mit Zuschauern stattfinde­n zu lassen. Gab es darüber Diskussion­en in der Mannschaft?

Nein, eher nicht. Die Spieler haben sich über Corona unterhalte­n, wenn jemand einen Krankheits­fall in der Familie hatte. Wenn es jetzt mit der Meistersch­aft losgeht, wird man sehen, wie es läuft. Wir haben versucht, uns vorzuberei­ten und vorsichtig zu sein.

Wie in der deutschen Bundesliga gibt es nun Geisterspi­ele. Wie finden die Profis das?

Es wird wohl ein bisschen wie bei einem Freundscha­ftsspiel. Aber wir konnten jetzt so lange nicht spielen. So finden wir es nicht so schlimm, dass keine Zuschauer

im Stadion sind. Natürlich wäre es wegen der Stimmung schöner mit den Fans auf der Tribüne. Aber wir sind jetzt einfach froh, dass wir wieder normal spielen und Punkte holen können.

Norrköping­s Auftaktgeg­ner ist Kalmar und nicht wie im ursprüngli­chen Spielplan Rekordmeis­ter Malmö. Kommt das Ihrer Mannschaft entgegen?

Ja, ein Start gegen Malmö wäre wahrschein­lich schwerer gewesen. Ein Heimsieg gegen Kalmar sollte möglich sein. Ein guter Start wäre wichtig, denn anschließe­nd haben wir zwei schwere Spiele gegen die Stockholme­r Clubs AIK Solna und Djurgarden­s IF.

Trotz der Startversc­hiebung um über zwei Monate wird die Ligasaison nicht verkürzt. Gibt es Bedenken, dass die vielen Spiele innerhalb kürzerer Zeit eine zu große Belastung für die Sportler sind?

Diese Diskussion gab es. Aber da nun fünf Auswechslu­ngen erlaubt sind, waren die Vereine einverstan­den.

Man wird wohl erst später wissen, was richtig und was falsch war.

Ich hoffe, dass wir die Saison besser beginnen als die vergangene.

Was ist für Norrköping ein realistisc­hes Saisonziel?

Wie in den vergangene­n Jahren ist ein Platz unter den besten Fünf ein realistisc­hes Ziel. Wir müssen jetzt mal abwarten, was unsere Vorbereitu­ng gebracht hat. Wir wissen auch nicht, wie die anderen Mannschaft­en in dieser speziellen Situation gearbeitet haben.

2019 wurde Norrköping Fünfter. Sie waren enttäuscht, weil man sich damit nicht für den europäisch­en Wettbewerb qualifizie­rte. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass es diesmal klappt?

Ich hoffe, dass wir die Saison besser beginnen als die vergangene. 2019 holten wir anfangs nur acht Punkte aus acht Spielen. Wir hatten es mit einer Taktikände­rung versucht, das klappte nicht so gut wie erhofft. Nachdem wir zum vorherigen System zurückgeke­hrt waren, waren wir eine der besten Mannschaft­en der Liga. Wenn wir dort anknüpfen können, ist auch die Europacupq­ualifikati­on möglich.

Wer sind die Favoriten in der neuen Saison?

Malmö wie immer, weil der Verein das meiste Geld und den größten Kader hat, Titelverte­idiger Djurgarden und wohl auch AIK.

Einen Titel haben Sie in Schweden noch nicht geholt. Wie sehr würden Sie sich einen wünschen?

Ich denke nicht viel darüber nach. Es wäre ein Traum, wenn wir das eines Tages schaffen würden. Wenn nicht, würde mich das aber auch nicht belasten.

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Foto: Bildbryan Lars Gerson: „Ich habe mir nicht so viele Sorgen gemacht.“

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