Unterschutzstellung lohnt sich
Das Unesco-weltnaturerbe Wattenmeer ist Heimat von 10 000 Arten
Das größte Wattenmeer der Welt ist einzigartig: Der Küstenstreifen, der sich vom niederländischen Den Helder über die deutsche Nordseeküste hinweg bis in die dänische Ho Bugt hinein erstreckt, wurde aus gutem Grund zum Weltnaturerbe der Menschheit erklärt. Nirgendwo sonst findet sich eine derart große zusammenhängende Wattenlandschaft wie hier, erstreckt sich das Weltnaturerbegebiet doch über 500 Kilometer Küstenlinie hinweg und nimmt eine Fläche von atemberaubenden 11 500 Quadratkilometern ein.
An keinem anderen Ort auf dem Planeten sind in einem derart dynamischen Lebensraum mehr Pflanzen- und Tierarten zu Hause. Immerhin 10 000 verschiedene Spezies leben hier. Darunter befinden sich mikroskopisch kleine Algen, aber auch Würmer wie der nur wenige Zentimeter lange Wattwurm, Muscheln wie die Herz- und Miesmuscheln, Krebse, Fische, Vögel, ja sogar Meeressäuger wie Schweinswale, Kegelrobben und Seehunde. „Das Wattenmeer ist eines der wichtigsten Rastgebiete für Zugvögel weltweit“, würdigt die Unesco das Weltnaturerbegebiet. Immerhin 10 bis 12 Millionen rasten hier Jahr für Jahr. „Die Produktivität an Biomasse ist eine der höchsten in der Welt“, heißt es weiter in der Begründung für die Aufnahme in der Weltnaturerbeliste.
Bedeutend für Biodiversität
In einem einzigen Quadratmeter Watt können immerhin bis zu 1 000 Herzmuscheln vorkommen, 40 000 Schlickkrebse, 100 000 Wattschnecken sowie 200 000 Polydora-ringelwürmer. „Das Wattenmeer ist ein Ort voller Extreme und von besonderer Bedeutung für die weltweite Biodiversität“, urteilt die Unesco-kommission.
Die langjährigen Bemühungen Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande zum Schutz dieser einzigartigen Natur haben sich ausgezahlt: Bedrohte Arten, wie Seehunde oder Löffler, haben sich durch intensive Schutzmaßnahmen in ihrem Bestand erholen können, andere wie Kegelrobben, Seeadler und Störe, die schon komplett verschwunden waren, kehren nach und nach wieder zurück. Es bleibt aber noch einiges zu tun, denn viele Arten sind nach wie vor bedroht und im Rückgang begriffen. Umweltgifte und der Düngemitteleintrag der Landwirtschaft, die über die großen Flüsse in das Wattenmeer gelangen, Überfischung, Lärmverschmutzung unter anderem durch die Schifffahrt, Plastikmüll und nicht zuletzt der Klimawandel setzen dem Watt und seinen Bewohnern schwer zu.
Ohne die Vielzahl der Tiere und Pflanzen wäre das Wattenmeer nicht das, was es heute ist. In jedem Quadratmeter Watt befinden sich mehrere Dutzend Wattwürmern, die den Boden auf ihrer Nahrungssuche beständig durcharbeiten. Ein einziger Wurm kann auf diese Weise pro Jahr etwa 25 Kilogramm Sand auflockern. Alle Wattwürmer zusammen schaffen es, die Oberfläche des gesamten Watts praktisch einmal im Jahr komplett durchzusieben.
Muscheln, wie etwa die Miesmuscheln, filtrieren auf der Suche nach Nahrung das Wasser und verbessern so die Wasserqualität für alle. Eine einzige Miesmuschel bringt es dabei auf etwa einen Liter pro Stunde. Zusammen mit den Herzmuscheln, die ebenfalls im Wattenmeer heimisch sind, filtern die Miesmuscheln allein im Sommerhalbjahr das gesamte Wasservolumen des Wattenmeeres innerhalb nur einer einzigen Woche komplett durch.
Aber auch ohne die Pflanzen des Wattenmeeres geht es nicht. Sie sind nicht nur eine wichtige Nahrungsgrundlage für die Tiere, sondern helfen auch dabei, die feinen Sedimente des Watts an Ort und Stelle festzuhalten und vor dem Davonspülen zu bewahren.
Die Lebewesen des Wattenmeeres werden jeden Tag vor große Herausforderungen gestellt, denn das Watt ist einer der härtesten Lebensräume der Welt. Den Wasserbewohnern läuft zwei Mal täglich bei Ebbe das Wasser weg, wohingegen die Landbewohner zwei Mal am Tag überflutet werden. Während sich die Fische bei
Ein einziger Wattwurm kann pro Jahr 25 Kilogramm Sand durcharbeiten.
Das Watt ist einer der härtesten Lebensräume der Welt.
Ebbe in tieferes Wasser zurückziehen können, so gelingt dies vielen kleineren und langsameren Arten, wie Schnecken, Würmern und Muscheln, nicht so einfach. Viele von ihnen vergraben sich im Untergrund und harren dort bis zur nächsten Flut aus, gut geschützt vor den Sonnenstrahlen. Tiere, die bei Ebbe in den sogenannten Gezeitentümpeln zurückbleiben, haben mit dem durch die Verdunstung ansteigenden Salzgehalt sowie den zunehmenden Wassertemperaturen zu kämpfen.
Wie die Ringelgänse
Aber auch die Landbewohner haben es im Watt nicht leicht. Ihnen setzt vor allem das Salzwasser zu. Pflanzen wie der Stranddreizack oder die Strandaster transportieren das zu viel aufgenommene Salz in die ältesten Blätter und werfen diese dann ganz einfach ab. Der Strandflieder verfügt über spezielle Drüsen, mit denen er das Salz aktiv ausscheiden kann. Derartige Salzdrüsen gibt es übrigens auch bei Tieren. Ringelgänse, die über diese speziellen Drüsen verfügen, sind die einzigen Gänse weltweit, die aus diesem Grund zum Trinken kein Süßwasser benötigen.