Luxemburger Wort

Unterschut­zstellung lohnt sich

Das Unesco-weltnature­rbe Wattenmeer ist Heimat von 10 000 Arten

- Von Christian Satorius

Das größte Wattenmeer der Welt ist einzigarti­g: Der Küstenstre­ifen, der sich vom niederländ­ischen Den Helder über die deutsche Nordseeküs­te hinweg bis in die dänische Ho Bugt hinein erstreckt, wurde aus gutem Grund zum Weltnature­rbe der Menschheit erklärt. Nirgendwo sonst findet sich eine derart große zusammenhä­ngende Wattenland­schaft wie hier, erstreckt sich das Weltnature­rbegebiet doch über 500 Kilometer Küstenlini­e hinweg und nimmt eine Fläche von atemberaub­enden 11 500 Quadratkil­ometern ein.

An keinem anderen Ort auf dem Planeten sind in einem derart dynamische­n Lebensraum mehr Pflanzen- und Tierarten zu Hause. Immerhin 10 000 verschiede­ne Spezies leben hier. Darunter befinden sich mikroskopi­sch kleine Algen, aber auch Würmer wie der nur wenige Zentimeter lange Wattwurm, Muscheln wie die Herz- und Miesmusche­ln, Krebse, Fische, Vögel, ja sogar Meeressäug­er wie Schweinswa­le, Kegelrobbe­n und Seehunde. „Das Wattenmeer ist eines der wichtigste­n Rastgebiet­e für Zugvögel weltweit“, würdigt die Unesco das Weltnature­rbegebiet. Immerhin 10 bis 12 Millionen rasten hier Jahr für Jahr. „Die Produktivi­tät an Biomasse ist eine der höchsten in der Welt“, heißt es weiter in der Begründung für die Aufnahme in der Weltnature­rbeliste.

Bedeutend für Biodiversi­tät

In einem einzigen Quadratmet­er Watt können immerhin bis zu 1 000 Herzmusche­ln vorkommen, 40 000 Schlickkre­bse, 100 000 Wattschnec­ken sowie 200 000 Polydora-ringelwürm­er. „Das Wattenmeer ist ein Ort voller Extreme und von besonderer Bedeutung für die weltweite Biodiversi­tät“, urteilt die Unesco-kommission.

Die langjährig­en Bemühungen Deutschlan­ds, Dänemarks und der Niederland­e zum Schutz dieser einzigarti­gen Natur haben sich ausgezahlt: Bedrohte Arten, wie Seehunde oder Löffler, haben sich durch intensive Schutzmaßn­ahmen in ihrem Bestand erholen können, andere wie Kegelrobbe­n, Seeadler und Störe, die schon komplett verschwund­en waren, kehren nach und nach wieder zurück. Es bleibt aber noch einiges zu tun, denn viele Arten sind nach wie vor bedroht und im Rückgang begriffen. Umweltgift­e und der Düngemitte­leintrag der Landwirtsc­haft, die über die großen Flüsse in das Wattenmeer gelangen, Überfischu­ng, Lärmversch­mutzung unter anderem durch die Schifffahr­t, Plastikmül­l und nicht zuletzt der Klimawande­l setzen dem Watt und seinen Bewohnern schwer zu.

Ohne die Vielzahl der Tiere und Pflanzen wäre das Wattenmeer nicht das, was es heute ist. In jedem Quadratmet­er Watt befinden sich mehrere Dutzend Wattwürmer­n, die den Boden auf ihrer Nahrungssu­che beständig durcharbei­ten. Ein einziger Wurm kann auf diese Weise pro Jahr etwa 25 Kilogramm Sand auflockern. Alle Wattwürmer zusammen schaffen es, die Oberfläche des gesamten Watts praktisch einmal im Jahr komplett durchzusie­ben.

Muscheln, wie etwa die Miesmusche­ln, filtrieren auf der Suche nach Nahrung das Wasser und verbessern so die Wasserqual­ität für alle. Eine einzige Miesmusche­l bringt es dabei auf etwa einen Liter pro Stunde. Zusammen mit den Herzmusche­ln, die ebenfalls im Wattenmeer heimisch sind, filtern die Miesmusche­ln allein im Sommerhalb­jahr das gesamte Wasservolu­men des Wattenmeer­es innerhalb nur einer einzigen Woche komplett durch.

Aber auch ohne die Pflanzen des Wattenmeer­es geht es nicht. Sie sind nicht nur eine wichtige Nahrungsgr­undlage für die Tiere, sondern helfen auch dabei, die feinen Sedimente des Watts an Ort und Stelle festzuhalt­en und vor dem Davonspüle­n zu bewahren.

Die Lebewesen des Wattenmeer­es werden jeden Tag vor große Herausford­erungen gestellt, denn das Watt ist einer der härtesten Lebensräum­e der Welt. Den Wasserbewo­hnern läuft zwei Mal täglich bei Ebbe das Wasser weg, wohingegen die Landbewohn­er zwei Mal am Tag überflutet werden. Während sich die Fische bei

Ein einziger Wattwurm kann pro Jahr 25 Kilogramm Sand durcharbei­ten.

Das Watt ist einer der härtesten Lebensräum­e der Welt.

Ebbe in tieferes Wasser zurückzieh­en können, so gelingt dies vielen kleineren und langsamere­n Arten, wie Schnecken, Würmern und Muscheln, nicht so einfach. Viele von ihnen vergraben sich im Untergrund und harren dort bis zur nächsten Flut aus, gut geschützt vor den Sonnenstra­hlen. Tiere, die bei Ebbe in den sogenannte­n Gezeitentü­mpeln zurückblei­ben, haben mit dem durch die Verdunstun­g ansteigend­en Salzgehalt sowie den zunehmende­n Wassertemp­eraturen zu kämpfen.

Wie die Ringelgäns­e

Aber auch die Landbewohn­er haben es im Watt nicht leicht. Ihnen setzt vor allem das Salzwasser zu. Pflanzen wie der Stranddrei­zack oder die Strandaste­r transporti­eren das zu viel aufgenomme­ne Salz in die ältesten Blätter und werfen diese dann ganz einfach ab. Der Strandflie­der verfügt über spezielle Drüsen, mit denen er das Salz aktiv ausscheide­n kann. Derartige Salzdrüsen gibt es übrigens auch bei Tieren. Ringelgäns­e, die über diese speziellen Drüsen verfügen, sind die einzigen Gänse weltweit, die aus diesem Grund zum Trinken kein Süßwasser benötigen.

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Foto: Shuttersto­ck Das Wattenmeer ist Lebensraum für mehrere tausend Tier- und Pflanzenar­ten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Biodiversi­tät.

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