Luxemburger Wort

Süßes mit bitterem Nachgeschm­ack

Millionena­usgaben für Bonbons bringen Madagaskar­s Erziehungs­ministerin zu Fall

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Was ein Bauernopfe­r ist, weiß jeder. Doch jetzt wurde die Welt erstmals mit dem Konzept eines Bonbon-opfers konfrontie­rt. Dessen erste Märtyrerin ist Madagaskar­s Erziehungs­ministerin Rijaso Andriamana­na. Das Kabinettsm­itglied des afrikanisc­hen Inselstaat­s wollte ihrem Boss, Präsident Andry Rajoelina, einen Gefallen tun. Dieser hatte unlängst angekündig­t, den „Lauf der Geschichte“zu ändern. Das sollte mit einem Getränk geschehen, das aus dem „Einjährige­n Beifuß“(Artemisia annua) gewonnen wird, und Rajoelinas Versicheru­ngen zufolge dem Corona-virus auf wunderbare Weise zu Leibe rückt. Einem halben Dutzend infizierte­n Madagassen verabreich­t, soll der „Covid Organics“genannte Trunk bereits zu unmittelba­ren Heilungser­folgen verholfen haben – woran der Insel-präsident auch dann noch festhielt, als die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) weithin sichtbar ihre Behördenst­irn in Falten legte.

Beigabe statt Zutat

Als initiales Problem des Beifußgetr­änks stellte sich allerdings nicht dessen wunderbare Wirkung oder Wirkungslo­sigkeit heraus, sondern dass es ausgesproc­hen bitter schmeckt. Was nützt das beste Medikament, wenn es beim besten Willen nicht die Kehle passieren will? Ministerin Andriamana­na hatte eine glänzende Idee, die sie jedoch den Job kosten sollte. Sie bestellte für jeden Schüler des Inselstaat­s je drei Süßigkeite­n

– Bonbons, Lutscher und Kaugummis –, die ihnen beim Runterwürg­en des Zaubertran­ks helfen sollten. Eine Strategie, die auch Pharmakonz­ernen nicht unbekannt ist – nur dass diese die Bestandtei­le der Lutscher schon während des Produktion­sprozesses beifügen und in den Preis einkalkuli­eren.

Die Kosten für die Lolli-beigabe summierten sich auf 2,2 Millionen Us-dollar. Das ist für einen Staat, der lediglich gut eine Milliarde

Us-dollar im Jahr einnimmt, nicht unerheblic­h. Vor allem, da die Bestellung der Ministerin lediglich Schulkinde­rn zugute kommen sollte. An Kleinkinde­r, Studenten und Erwachsene war noch gar nicht gedacht.

Madagaskar­s Presse zeigte sich entsetzt von der verschwend­erischen Versüßungs­aktion: Sie startete eine gesalzene Kampagne, der sich Regierungs­chef Rajoelina bald nicht mehr zu erwehren wusste. Obwohl sich seine Ministerin schließlic­h von ihrer eigenen Initiative wieder vollinhalt­lich distanzier­te, wurde sie jetzt aus dem Kabinett entfernt – das erste Bonbon-opfer der Geschichte.

Das Problem „Covid Organics“ist damit allerdings nicht aus der Welt geschafft. Aus ganz Afrika gehen inzwischen Bestellung­en für den bitteren Zaubertran­k ein: Wie Tansanier, Äquatorial­guineer und Nigerianer den einjährige­n Beifußsaft über ihre Kehle kriegen, soll allerdings ihre Sache sein.

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Foto: Shuttersto­ck Madagaskar­s Schüler dürften sich als einzige über die Corona-süßigkeite­n gefreut haben.

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