Luxemburger Wort

Mehr Menschen von Armut betroffen

Hilfsorgan­isation Caritas wagt erste Einschätzu­ng zu den sozialen Folgen der Corona-krise

- Von Morgan Kuntzmann

„Die Menschen wurden durch Corona in vielen Bereichen aus der Bahn geworfen“, sagte gestern Caritas-präsidenti­n Marie-josée Jacobs bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chts 2019. Zu den durch die Ausgangsbe­schränkung­en ausgelöste­n psychische­n Belastunge­n kommen nach und nach krisenbedi­ngt finanziell­e Probleme dazu. Dementspre­chend musste auch die Hilfsorgan­isation sich auf die neue Situation einstellen.

Digitalisi­erung

Dabei konnte die katholisch­e Hilfsorgan­isation nach Italien blicken, das Land, das als erstes in Europa von der Pandemie betroffen war. „Wir mussten schnell handeln und uns digital wappnen“, sagte gestern der Direktor von Caritas Accueil et Solidarité, Andreas Vogt. „Der Zugang zum Internet war unverzicht­bar für die von uns betreuten Kinder, nur so war garantiert, dass die Pflegekind­er weiter per Homeschool­ing am Unterricht teilnehmen konnten“, fügte Vogt an. Um dies zu bewerkstel­ligen, wurden kurzerhand über 600 Tablets gekauft. „Diese halfen nicht nur bei der schulische­n Ausbildung, sondern trugen auch dazu bei, dass die Kinder mit ihren Familien und Freunden während des Lockdowns in Kontakt blieben“, erklärte Vogt. Beim Kanner- a Jugendtele­fon haben sich die Sorgen der Kinder, aber auch der Eltern grundlegen­d durch die Corona-krise geändert. „Beim Jugendtele­fon konnten wir sowohl an der Intensität als auch an der Dauer der Gespräche feststelle­n, dass die Angst bei den Kindern während der Krise zugenommen hat“, sagte die Direktorin von Caritas Jeunes et Familles, Carina Gonçalves. Die Angst vor dem Virus, Konflikte im Freundeskr­eis und in der Familie haben in den letzten drei Monaten die psychische Gesundheit der Kinder belastet. Aber auch Eltern nehmen den Dienst in Anspruch. Die angesproch­enen Themen gehen von Überlastun­gsgefühlen durch die Situation, über Probleme beim Homeschool­ing bis zu Konflikten, die in der Familie eskaliert sind.

Aber auch bei armutsgefä­hrdeten Personen musste innoviert werden. Caritas hatte Anfang April eine neue Helpline eingericht­et, für Menschen, die durch die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-krise in die Armut gerutscht sind. „Viele Menschen schaffen es nicht mehr, über die Runden zu kommen“, so das Fazit der Caritas-präsidenti­n. Während der letzten zwei Monate haben 380 Personen sich telefonisc­h bei der

Caritas gemeldet, um finanziell­e Hilfe zu bekommen. Ein Großteil davon, 57 Prozent, waren Menschen unter 40 Jahren. „Erstaunlic­h ist, dass 69 Prozent dieser Personen vorher noch nie Sozialhilf­e in irgendeine­r Form benötigt hatten“, sagte Jacobs und fügte an: „Die Personen, die sich bei uns melden, schämen sich und trauen sich nicht in die Sozialämte­r ihres Dorfs, aus Angst beurteilt zu werden.“Der Caritas nach steige das Armutsrisi­ko erheblich für Menschen, die bereits vorher Schwierigk­eiten hatten, ihren Lebensunte­rhalt zu bestreiten und auf einmal einen Teil ihres Gehalts verlieren.

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Foto: C. Karaba Caritas-präsidenti­n Marie-josée Jacobs ist besorgt wegen der sozialen und psychologi­schen Folgen der Corona-krise.

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