Luxemburger Wort

Die Koffer rollen wieder

Luxemburge­r Politiker und Geschäftsl­eute diskutiere­n über die Zukunft des Tourismus

- Von Nathalie Roden Screenshot: European Parliament Liaison Office Luxembourg

Kann man in diesem Jahr überhaupt in Urlaub fahren – und falls ja: wohin? Vor dem Hintergrun­d der Corona-pandemie dürften diese Fragen derzeit vielen Menschen unter den Nägeln brennen – unabhängig davon, ob sie bereits eine Reise gebucht haben oder erst ganz am Anfang der Planungsph­ase stehen. Dazu passend, lud das Luxemburge­r Büro des Europäisch­en Parlaments gestern zur virtuellen Gesprächsr­unde mit dem Titel „Vakanz 2020?“ein.

Die Eu-abgeordnet­en Tilly Metz und Marc Angel sowie Tourismusm­inister Lex Delles tauschten sich im Rahmen der 8. Folge des „Eu-talk“mit Fernand Heinisch, dem Präsidente­n der Union Luxembourg­eoise des Agences de Voyages (ULAV), und François Koepp, dem Geschäftsf­ührer der Fédération Nationale des Hôteliers, Restaurate­urs et Cafetiers (Horesca), via Zoom über die Auswirkung­en der Covid-19-pandemie auf den heimischen sowie den Eu-weiten Tourismus aus.

Fernand Heinisch brach dann auch gleich zu Beginn eine Lanze für den internatio­nalen Tourismus: Er selbst habe gerade erst eine Flugreise auf eine spanische Insel gebucht. Der Unternehme­r ist grundsätzl­ich positiv gestimmt, dass der Tourismus wieder anlaufen wird, wenn die Eu-grenzen Mitte Juli alle wieder geöffnet werden. Wenn nicht, müsse man sich jedoch auf große wirtschaft­liche Probleme und eine neue Welle von Wirtschaft­sflüchtlin­gen einstellen. Tilly Metz spricht von Eu-weit 6,4 Millionen Arbeitnehm­ern, die riskieren ihre Arbeit zu verlieren.

Sie und auch die weiteren Talkteilne­hmer schrecken im kommenden Sommer nicht vor Reisen ins Ausland zurück. Auch wenn sie diese mehrheitli­ch mit dem Auto unternehme­n wollen und neben den direkten Nachbarlän­dern Luxemburg zum Ausflugszi­el Nummer eins auserkoren haben. Tilly Metz freut sich sogar auf einen Besuch bei Bekannten in Italien.

Eu-kompetenze­n stärken

Hinderlich in Sachen Auslandsre­isen seien derzeit aber die vielen Unklarheit­en und Fehlinform­ationen bezüglich Einreise- und Sicherheit­sbestimmun­gen in den einzelnen Eu-staaten. Auch Luxemburg sei hiervon betroffen. So kursierte in der niederländ­ischen Presse vergangene Woche die Falschmeld­ung, dass der hiesige Tourismuss­ektor weiter geschlosse­n bleibe. Daraufhin blieben die Touristen aus.

Die große Verunsiche­rung bekommen auch Heinischs Mitarbeite­r im Reisebüro zu spüren: „Wir sind alle extrem müde, weil wir die Kunden so viel beraten und beruhigen müssen.“Zudem müssten sie die entspreche­nden Informatio­nen selbst zusammentr­agen. Die Luxair etwa fliege derzeit noch nicht nach Italien, weil die dort landenden Maschinen nur zu 50 Prozent ausgelaste­t sein dürfen. Um solche Situatione­n künftig zu vermeiden, wünschen sich Heinisch und Koepp verstärkte Einheitlic­hkeit

auf Eu-ebene. Es existieren derzeit zwar Richtlinie­n, doch die Staaten sind an keine Umsetzung gebunden.

Mehr Einheitlic­hkeit sehnen sich auch alle herbei, wenn es um die Stärkung der Passagierr­echte geht. „Hauptrecht eines Kunden muss sein, dass er sein Geld zurückbeko­mmt, wenn er eine Reise nicht mehr antreten will“, so Metz. Ein europäisch­er Reisegaran­tiefonds würde allen mehr Sicherheit geben, ist Marc Angel, der neben seiner Tätigkeit als Eu-abgeordnet­er als Präsident des Luxembourg Tourist Office fungiert, überzeugt.

Überhaupt spielt das Gefühl der Sicherheit eine wichtige Rolle für den Tourismus in diesem Jahr. Als positives Beispiel wurde in diesem Kontext die Fluggesell­schaft Luxair genannt. Dadurch, dass sie während der Krise alle Reisekoste­n zurückerst­attete, obwohl sie laut Gesetz nicht dazu verpflicht­et war, habe sie sich als vertrauens­würdiger Reisepartn­er hervorgeta­n, lobte Heinisch.

Umwelt im Auge behalten

Horesca-ceo Koepp empfindet derweil die Gutscheina­ktion der Regierung, im Zuge derer jeder Einwohner des Großherzog­tums sowie auch die Grenzgänge­r einen Hotelbon in Höhe von 50 Euro erhalten, als „super Initiative“. Nicht nur, um den heimischen Tourismus wieder kurzfristi­g anzukurbel­n, sondern auch um langfristi­g neue Kunden aus der näheren Umgebung zu gewinnen.

Tilly Metz mahnte jedoch, dass man bei allen Ankurbelbe­mühungen keinesfall­s das Thema Klimawande­l aus den Augen verlieren darf. „Wir dürfen uns nicht ins eigene Bein schießen. Die Maßnahmen müssen mit der angestrebt­en ökologisch­en Transition vereinbar sein“, forderte die Politikeri­n. Die Menschen verlangten ohnehin zunehmend nach nachhaltig­en Erlebnisse­n in unberührte­r Natur.

„Den Overtouris­m müssen wir unbedingt stoppen“, meinte auch Heinisch. „Aber man darf kein Tourismus-bashing betreiben.“Immerhin liege das Reisen in der Natur des Menschen. Man müsse den Fluggesell­schaften, Kreuzfahrt­schiffen und Hotels die nötige Zeit zugestehen, den geforderte­n ökologisch­en Wandel zu vollziehen. „Jeder weiß, was er tun muss, aber es wird noch zehn bis 30 Jahre dauern, bis alles so weit ist.“Eine Option, die beide Interessen miteinande­r vereint und vor allem den Tourismusm­inister glücklich stimmen würde, wäre sicherlich ein Urlaub mit dem Drahtesel durchs Großherzog­tum. Die Regierung bietet im Sommer immerhin kostenlose Gepäcktran­sporte für Hobbyradle­r an.

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Foto: Gerry Huberty/lw-archiv Die Reisebranc­he nimmt nach dem Stillstand langsam wieder Fahrt auf.
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Die Talkteilne­hmer von links oben im Uhrzeigers­inn: Diskussion­sleiter Jonathan Ponchon, Horesca-ceo François Koepp, die Eu-abgeordnet­en Marc Angel und Tilly Metz, Tourismusm­inister Lex Delles und Ulav-präsident Fernand Heinisch.

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